Auf das Historienepos warten Cineasten weltweit. Mit 85 Jahren bringt Regie-Legende Ridley Scott das Biopic über den französischen Feldherrn nun auf die Leinwand.
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"Die Mächtigen sehen in mir nur einen Rohling. Untauglich für ein höheres Amt." So lautet eine Zeile aus dem offiziellen Trailer zu Ridley Scotts "Napoleon". Dieses Zitat könnte sicherlich auch heutzutage auf eine beliebige Anzahl von Politikern zutreffen. Allerdings dreht es sich hierbei um einen Mann, der die europäische Geschichte des späten 18. und frühen 19. Jahrhundert geprägt hat.
Der Film, in dem der Schauspieler Joaquin Phoenix die Hauptrolle spielt, wird mit Spannung erwartet. Ridley Scott erforscht darin die Herkunft Napoleon Bonapartes, seinen raschen und rücksichtslosen Aufstieg zum französischen Kaiser sowie die Beziehung zu seiner Frau Joséphine de Beauharnais, gespielt von Vanessa Kirby.
Ungenauer Historienfilm
Der Film verspricht, historische Ereignisse aufleben zu lassen - von der Enthauptung Marie Antoinettes bis zur Schlacht von Waterloo. Doch die Wahrhaftigkeit von Ridley Scotts Erzählung hat bereits vor Kinostart Kritik auf sich gezogen. So wies der britische Historiker und Fernsehmoderator Dan Snow in einem TikTok-Clip auf einige Ungenauigkeiten hin: "Napoleon hat nicht auf die Pyramiden geschossen", wie es im Trailer des Films zu sehen ist, und Marie Antoinette "hatte bei der Hinrichtung bekanntlich sehr kurzes Haar, und, hey, Napoleon war nicht dabei."
Wer war Napoleon Bonaparte?
Genialer Feldherr, fortschrittlicher Reformer und Kaiser der Franzosen: Napoleon eroberte halb Europa, bevor er vor mehr als 200 Jahren im Exil starb.
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Warum Napoleon vom Volk geliebt und trotzdem verbannt wurde
Am 15. August 1769 erblickt Napoleon in Ajaccio auf der Insel Korsika das Licht der Welt. Der Spross einer verarmten Adelsfamilie kann dank eines königlichen Stipendiums die Militärschule von Brienne besuchen. Wegen seines korsischen Akzents wird er von seinen Mitschülern zunächst gehänselt, doch sein militärisches Geschick bleibt nicht unbemerkt und Napoleon verschafft sich schnell Achtung.
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Junger General
Seine steile Karriere verdankt Napoleon der Französischen Revolution von 1789. Als er 1793 die Artillerie der Revolutionstruppen erfolgreich gegen die königstreuen Royalisten führt, wird er zum General befördert. Er gilt als militärisches Genie. Vor dem Tod hat er keine Angst, denn er hält sich für auserwählt und daher unsterblich. Stets zieht er an der Spitze seiner Soldaten in die Schlacht.
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Nicht ohne seinen Zweispitz
Napoleons Markenzeichen ist der Zweispitz, den er - anders als seine Zeitgenossen - quer auf dem Kopf trägt. Jedes Jahr bestellt er beim Hutmacher Poupart mehrere Exemplare zum Stückpreis von 40 Francs. Wenn er wütend ist, soll Napoleon schon mal auf so einem Hut herumtrampeln. 19 seiner Kopfbedeckungen haben die Jahrhunderte überstanden - und erzielen auf Auktionen siebenstellige Summen.
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Die Schlacht von Arcole
Den Grundstein für die spätere Napoleon-Verehrung bildet die dreitägige Schlacht von Arcole gegen die Österreicher im November 1796 auf italienischem Boden. Der korsische Feldherr gibt später bei dem Maler Horace Vernet dieses Gemälde in Auftrag. Darauf ergreift er eine Fahne und stürmt, unerschrocken vom Kugelhagel des Feindes, seinen Soldaten voran. So forciert Napoleon seinen Ruf als Held.
Bild: Public Domain
Inszenierung eines Mythos
Anders als Vernets berühmtes Gemälde suggeriert, steht der Feldherr gar nicht auf der umkämpften Brücke von Arcole. Jean-Baptiste Muiron, sein Adjutant und Freund aus der Kadettenschule, wirft sich vor ihn, als eine Kugel ihn zu treffen droht, und stirbt. Napoleon selbst bleibt unverletzt, denn ein Offizier zieht ihn rechtzeitig aus der Schusslinie und schubst ihn in einen schlammigen Graben.
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Napoleons große Liebe
Joséphine de Beauharnais ist sechs Jahre älter als Napoleon und geschieden. Doch er verliebt sich unsterblich in sie. Fast wäre die Ex-Gattin des Grafen Alexandre diesem aufs Schafott gefolgt, doch der Sturz Robespierres, der unzählige Adelige guillotinieren ließ, erspart ihr das Schicksal. Stattdessen erweisen sich ihre früheren Kontakte in die besten Kreise als wertvolles Kapital für Napoleon.
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Der Ägyptenfeldzug
1798, zwei Jahre nach der Hochzeit, bricht Napoleon auf Befehl der Revolutionsregierung zur "Ägyptischen Expedition" auf. Der Feldzug an den Nil wird zum Triumph: Er schafft es, das Land dem Osmanischen Reich zu entreißen. Im Gefolge hat er auch Wissenschaftler und Künstler, die die Geschichte der alten Pharaonen erforschen und in Europa einen Boom auslösen.
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Rückkehr in die Heimat
Wegen der Misswirtschaft der Pariser Regierung und militärischen Scharmützeln der besiegt geglaubten Österreicher in der Heimat kehrt Napoleon 1799 unaufgefordert nach Frankreich zurück. Das Kommando in Ägypten übergibt er seinem dienstältesten General Kléber. Man könnte ihm Fahnenflucht vorwerfen, doch das Volk liebt ihn. Für seine Landsleute ist er der siegreiche Feldherr und strahlende Held.
Für das Volk ist Napoleon der starke Mann, der Frankreich vor der Misswirtschaft retten soll. 1799 übernimmt er per Staatsstreich die Macht und erklärt die Revolution für beendet. Er lässt sich für zehn Jahre zum obersten von drei Konsuln wählen und leitet Reformen der Justiz, des Militärs und der Bildung ein. 1804 veröffentlicht er den "Code civil", das erste bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs.
Bild: imago images
Die Krönung
Erster Konsul zu sein reicht Napoleon nicht, 1804 wird er Kaiser. In der Pariser Kathedrale Notre-Dame entreißt er dem Papst sogar die Krone und setzt sie sich kurzerhand selbst aufs Haupt. Seine Vorbilder: Alexander der Große und Cäsar. Er will die Welt beherrschen. Seine Geschwister wird er später als Staatsoberhäupter in den Ländern einsetzen, die er besiegt.
Napoleons Kriegszüge spülen Geld in die französische Staatskasse. Und bis 1815 führt er fast nur Kriege - gegen die Österreicher, die Preußen, die Russen, die Briten und ihre Verbündeten. Ganz Europa krempelt er um. Das 900-jährige Heilige Römische Reich kollabiert, Städte wie Rom oder Köln werden französisch. "Der Korse und seine Bluthunde" titelt diese zeitgenössische Karikatur.
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Spartanische Bleibe
Luxus ist Napoleon fremd, auf dem Schlachtfeld ist sein Zelt nach Soldatenmanier spartanisch eingerichtet. Bei seinen Feldzügen sterben hunderttausende Soldaten und Zivilisten, ganze Landstriche werden verwüstet. Die Zahl der Niederlagen, die er seinen Gegnern zufügt, ist riesig - trotzdem verspotten sie ihn gern als "kleinen Korsen". Dabei war er mit 1,68 m für seine Zeit gar nicht klein.
Bild: La Villette
Flüchtiges Familienidyll
Privat hadert Napoleon damit, dass Joséphine ihm keinen Thronerben schenkt. Sie gibt ihm die Schuld, hat sie doch zweimal Nachwuchs aus erster Ehe. Doch Napoleon hat zwei seiner Mätressen geschwängert, an ihm kann es also nicht liegen. 1810 lässt er sich scheiden und nimmt die österreichische Kaisertochter Marie-Louise zur Frau. Mit ihr zeugt er seinen einzigen legitimen Sohn, Napoleon II.
Bild: akg-images/VISIOARS/picture-alliance
Vernichtende Niederlage
1812 marschiert Napoleon in Russland ein und besiegelt damit seinen Untergang. Seine Truppen erreichen Moskau, doch dann geht die Grande Armée im eiskalten Winter zugrunde. Nur wenige Soldaten schaffen es aus Russland zurück. Der Zar verbündet sich mit Preußen und Österreich. Bei der "Völkerschlacht" von Leipzig 1813 treffen die Heere aufeinander - und Napoleon muss sich geschlagen geben.
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Verwaister Thron
Im März 1814 erobert die antinapoleonische Allianz Paris. Der Kaiser muss abdanken und wird nach Elba ins Exil geschickt. Auf der Mittelmeerinsel lebt er in einem Palast mit einer fürstlichen Jahresrente. Aber er will zurück nach Frankreich und bereitet 1815 ganz offen die Rückkehr vor. Dort sammelt er Truppen um sich und ergreift erneut die Macht. Doch diese Herrschaft soll nur 100 Tage dauern.
Bild: La Villette
Napoleons Waterloo
Nach Napoleons Niederlage hatten die Siegermächte den Wiener Kongress einberufen, um Europa neu zu ordnen und ein Gleichgewicht der Mächte zu schaffen. Doch plötzlich taucht der Franzose wieder auf, und man setzt 133.000 Mann gegen ihn in Marsch. Die erste Schlacht gewinnt er, doch in Waterloo wird er von den Truppen des englischen Generals Wellington vernichtend geschlagen.
Bild: Olivier Hoslet/dpa/picture alliance
Exil auf St. Helena
Diesmal soll der Franzose keine Möglichkeit haben, die Alliierten erneut zu überraschen. Die Briten verbannen ihn mitten in den Südatlantik auf die Insel St. Helena. Dort stirbt Napoleon am 5. Mai 1821. Man vermutet, dass er an Magenkrebs litt. Der Mann, der Europa mit Krieg überzogen und gleichzeitig fortschrittliche Reformen angestoßen hat, ist gerade einmal 51 Jahre alt geworden.
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Letzte Ruhestätte
1840 lassen die Franzosen Napoleons Gebeine im Pariser Invalidendom aufbahren. Unter der vergoldeten Kuppel ruht der Korse im 13-Tonnen-Sarkophag. Bis heute genießt er nicht nur unter seinen Landsleuten Kultstatus. Heinrich Heine schrieb einst: "Napoleon ist nicht von dem Holz, woraus man Könige schnitzt - er ist von jenem Marmor, woraus man Götter macht."
Bild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance
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Den Film müsse man "durch Ridley Scotts Augen" sehen, sagte Oscar-Preisträger und Hauptdarsteller Joaquin Phoenix Anfang des Jahres gegenüber der Filmzeitschrift Empire und fügte hinzu: "Wenn man Napoleon wirklich verstehen will, sollte man sich selbst informieren."
Der großartigste Film, der nie gedreht wurde
Ridley Scott ist nicht der erste Regisseur, der sich an ein Biopic über Napoleon Bonaparte wagte. Regie-Legende Stanley Kubrick hatte bereits einen Film schon in Planung, doch kam dieser nie zustande. Stattdessen erschien 2011 ein Buch mit dem Titel "Stanley Kubrick's Napoleon: The Greatest Movie Never Made". Zusammengestellt hatte es die Fotografin und Autorin Alison Castle, die 2002 mit der Recherche begann und überrascht war, als sie im Kubrick-Nachlass das umfangreiche Napoleon-Vorproduktionsarchiv entdeckte. Das Buch, das bei dem Verlag Taschen erschienen ist, zeigt, wie viel Energie Kubrick bereits in in die Recherche gesteckt hatte.
Jahrzehntelang hatten Filmliebhaber und Kritiker über den geheimnisvollen Kubrick-Film gerätselt. Der Film, der unmittelbar nach der Veröffentlichung von "2001: Odyssee im Weltraum" in Produktion gehen sollte, war sowohl als Charakterstudie als auch als ein mitreißendes Epos mit grandiosen Schlachtszenen und Tausenden von Statisten angelegt. Aufgrund der hohen Kosten wurde der Film jedoch nie gedreht.
Nach Ansicht des Regisseurs Ridley Scott war das vielleicht gar nicht so schlecht. Der Filmemacher erzählte dem Magazin "New Yorker" Anfang November, dass er Kubricks nie umgesetztes Drehbuch zugeschickt bekommen habe. Er sei davon allerdings enttäuscht gewesen, da es das gesamte Leben Napoleons abgedeckt hatte. Scott fand, dass die Schlachten, der Führungsstil und der Aufbau des Imperiums die einzigen Elemente im Leben des Feldherrn waren, die es wert seien, neu erzählt zu werden.
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Biografie basierend auf 33.000 Briefen
Autor Andrew Roberts' las für seine Biografie "Napoleon: A Life" rund 33.000 Original-Briefe des französischen Feldherrn, die viel über dessen Charakter und Motivation preisgeben. "Eine spannende Geschichte über ein militärisches und politisches Genie", schrieb die "Washington Post" in ihrer Rezension des 2014 erschienenen Romans von Roberts.
Die Faszination für Napoleon hält bis heute an. Im Jahr 2019 gab das französische Auktionshaus Drouot bekannt, dass drei Liebesbriefe von Napoleon für insgesamt 513.000 Euro verkauft wurden. Die Briefe hatte Napoleon zwischen 1796 und 1804 an seine Frau Joséphine de Beauharnais geschrieben.
Ob Ridley Scotts neuer Film genauso viel Licht auf Napoleon werfen kann wie die oben erwähnten Briefe, Bücher, Dokumentationen oder sogar nicht gedrehte Filme, bleibt abzuwarten. Vielleicht bringt das Biopic Scott sogar seinen ersten Oscar ein. "Und wenn ich jemals einen bekomme, werde ich sagen: 'Wird auch Zeit!'", sagte der 85-Jährige kürzlich dem Magazin New Yorker.
"Napoleon" kommt am 22. November in Großbritannien und den USA in die Kinos, in Deutschland am 23. November 2023.