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Risiko mit Termin

Soraia Vilela4. August 2003

Das Versprechen ist groß: Ein Rausch mit Lachgas, ein Champagner-Besäufnis aus einem Schnuller oder ein Balance-Akte über dem Abgrund. Der Besucher aber fragt sich: Alles Unsinn, oder was?

Selten so gelacht:<br> Der Lachgas-Golf von Henrik Plenge JakobsenBild: Schirn Kunsthalle Frankfurt 2003

Das hätte wirklich gefährlich sein können, wenn da nicht die zahlreichen gelben Schildchen gewesen wären. Sie sind überall verstreut und warnen vor möglichen Risiken, untersagen einem das Betreten bestimmter Flächen, bitten höflich um das Ausziehen der Schuhe oder weisen sogar auf bestimmte Risiko-Termine hin. Das alles geschieht in der Ausstellung Auf eigene Gefahr, die bis zum 7. September in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main zu sehen ist.

Verbote & Verbote & Verbote

Das Konzept gibt vor, vom Besucher "mehr als das Sehen" zu verlangen. "Kunst als Erfahrung" halt. Die Theorie wird einbezogen - sogar "in der Tradition von Barthes und Foucault" -, um zu beweisen, wie der Schwerpunkt eines Werks sich "von der Bedeutung auf die Analyse des Gebrauchs" verschieben lässt. Das Problem ist, dass die Gefahren, denen sich der Besucher der Ausstellung angeblich aussetzt, entweder "von den Gesetzgebern" verboten wurden oder mit genauer Angabe der Wochentage und Uhrzeit planbar sind.

So zum Beispiel bei der Champagne Bar von Camila Dahl. Hier sollte das edle Getränk angeboten werden. Dafür müsste der Besucher sich beugen (das heißt: sich im wahrsten Sinne des Wortes unterwerfen), um aus einem Schnuller seinen Durst zu löschen. In der Umsetzung aber ist die Idee des Risikos verschwunden. Eine Tafel warnt: "Benutzen Sie bitte, aus hygienischen Gründen, die Kleenex-Tücher mit Desinfektionsmittel". Außerdem wird der Champagner nur an bestimmten Wochentagen, zwischen 14 und 17 (bzw. 17 und 22) Uhr angeboten. Also, in den Kalender genau eintragen, wann das "Risiko" auftaucht?

Champagner aus SchnullernBild: AP

Ähnliches passiert beim Werk der österreichischen Künstlergruppe gelatin, die ein paar Holzbretter ohne Geländer über einen etwa sieben Meter tiefen Abgrund zwischen zwei Gebäuden stellte. Wäre es nicht der Sinn der Sache, dass der Besucher sich zumindest fragen würde, ob er sich dieser Gefahr hingibt - quasi auf der Suche "nach dem Diamant, der im Arsch des auf der anderen Seite postierten Elefanten steckt", wie die Künstlergruppe ankündigt? Wenn ja, kommt eine weitere Enttäuschung: Das gelbe Verbotsschild ist wieder da, bevor es einer überhaupt wagen würde, die gefährliche Tour zu unternehmen.

Weder Genuss, noch Euphorie

Der Höhepunkt kommt aber noch. Der dänische Künstler Henrik Plenge Jakobsen stellte auf den Dachgepäckträger eines Autos Lachgasflaschen, aus denen Schläuche in das Innere des Wagens führen. Theoretisch sollte der Besucher der Ausstellung ins Auto einsteigen können, um "in den Genuss einer kurzen Euphorie zu kommen". Das Gas sei laut dem Katalog der Ausstellung "mehr eine Metapher" und "zu schwach" seine Wirkung. Der Gesetzgeber dachte jedoch anders und erklärte, der Konsum "des legalen Narkotikums ist unter Strafe gestellt". Also, adieu Lachgas. Und weg mit jeglicher Gefahr.

Wenn es überhaupt irgend eine Art von "praktischer Mitarbeit" des Betrachters tatsächlich gibt - wie die Kuratoren laut annoncieren - ist diese am Wasserbrunnen von Jeppe Hein zu finden, der vor dem Ausstellungshaus platziert ist. Da begeben sich ein paar Kinder an den heißen Sommertagen absichtlich in das springende Wasser. Erfrischung auf eigene Gefahr.

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