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Politik

USA / Taliban

20. Juni 2011

Die USA akzeptieren die afghanischen Taliban als Verhandlungspartner. Das ist eine ebenso riskante wie alternativlose Strategie, meint Daniel Scheschkewitz in seinem Kommentar.

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Bild: DW

Als vor nunmehr vier Jahren ein deutscher Oppositionsführer im Bundestag Gespräche mit den moderaten Taliban empfahl, musste er dafür viel Kritik einstecken. Offenbar war die Zeit damals noch nicht reif für die Erkenntnis, dass der Krieg am Hindukusch militärisch nicht zu gewinnen ist.

Daniel ScheschkewitzBild: DW

Doch die Zeiten haben sich geändert: In den USA stehen im nächsten Jahr Präsidentschaftswahlen an. Und nicht nur in Amerika ist die Bevölkerung kriegsmüde geworden, angesichts der hohen Verluste in Afghanistan. Die stehen nach Ansicht vieler Menschen in kaum noch zu legitimierenden Verhältnis mit den überaus bescheidenen Erfolgen bei Wiederaufbau des Landes.

Auch der Beschluss des Weltsicherheitsrates, bei Sanktionen künftig zwischen Taliban und Al-Kaida zu unterscheiden, zeigt: Hier kommt etwas in Bewegung. Schon am 1. Juli dieses Jahres soll der Truppenabzug der Amerikaner beginnen. Und spätestens am 31. Dezember 2014 sollen überhaupt keine Kampfgruppen der internationalen Staatengemeinschaft mehr am Hindukusch stehen.

Die Chance, dass die Taliban auf das Verhandlungsangebot eingehen, ist kaum mehr als eine Hoffnung. Denn die Aufständischen, die unter diesem Obergriff gebündelt werden, haben die Zeit auf eindeutig auf ihrer Seite. Sie könnten eigentlich warten, bis die Truppen abgezogen sind. Danach würde das Land vermutlich wieder in ein politisches Chaos zurückfallen, so wie es Afghanistan schon einmal erlebt hat, als nach dem Truppenabzug der Sowjets 1989 ein Machtvakuum entstand. Was danach geschah, ist Geschichte.

Und aus der sollten die richtigen Lehren gezogen werden: Nur wenn der jetzt eingeleitete diplomatische Prozess an klare Bedingungen geknüpft ist, kann er - vielleicht - von Erfolg gekrönt sein. Die Taliban müssen sich klar und nachvollziehbar vom internationalen Terrorismus distanzieren. Sie müssen die Prinzipien der 2004 verabschiedeten afghanischen Verfassung akzeptieren und in letzter Konsequenz auch Gewaltverzicht üben. Im Gegenzug muss die internationale Staatengemeinschaft ein klares Signal aussenden , dass sie Afghanistan auch weiterhin bereit ist zu unterstützen: mit Entwicklungshilfe für den zivilen Wiederaufbau, mit Expertise für die Weiterentwicklung staatlicher Strukturen und mit Beratern für Armee und Polizei, um das Gewaltmonopol des Staates zu festigen.

Gleichzeitig müssen die Regionalmächte Indien und Pakistan, aber auch die zentralasiatischen Staaten und Iran in eine Friedenslösung mit eingebunden werden. Nur so kann man vermeiden, dass Afghanistan wieder zum Spielball ausländischer Machtinteressen wird. Auch dies ist eine Aufgabe der internationalen Politik. Und die Gespräche mit allen Beteiligten sollten unverzüglich beginnen.

Mit Bedacht und Augenmaß muss auch Rückzug der internationalen Truppen aus Afghanistan erfolgen. Wenn die USA schon in diesem Jahr - wie von einigen Kongresspolitikern gefordert - 15.000 bis 30.000 Soldaten abziehen sollten, könnten sie das Land wohl gleich den Taliban überlassen. Nur vor dem Hintergrund militärischer Stärke lassen sich Verhandlungserfolge erzielen.

Damit die sich auch ganz praktisch einstellen, müssen lokal begrenzte Waffenstillstände ausprobiert werden. Nur so können die Taliban und ihre Verbündeten begreifen, dass sich Verhandlungen lohnen, und unter Beweis stellen, dass sie auch tatsächlich in der Lage sind, gemachten Versprechungen Taten folgen zu lassen.

Der jetzt eingeschlagene Weg ist mit erheblichen Risiken behaftet. Er setzt voraus, dass auf beiden Seiten erfolgreich Vertrauen gebildet wirdund der Westen der Versuchung widersteht, um den Preis einer schnellen Lastenreduzierung Afghanistan sich selbst zu überlassen. Dann - und nur dann - kann das Experiment gelingen. Die Alternative wäre eine Rückkehr zu Verhältnissen, die uns alle viel teurer zu stehen kämen.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Klaus Dahmann