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Der Traum von der Wasserstoff-Pipeline

10. Februar 2024

Wirtschaftsminister Robert Habeck steht in Deutschland mächtig unter Druck. Bei seinem Besuch in Algerien ging es um eine Zukunft ohne Gas und Öl - wieder einmal. Doch Habeck kommt zurück mit neuem Mut.

Fototermin zu den Gesprächen: Habeck und Algeriens Energieminister Mohamad Arkab in großen weißen Sesseln mit Dolmetschern
In Algier spricht Habeck mit Algeriens Energieminister Mohamad ArkabBild: BMWK/Julia Steinigeweg

"Schön, dass Sie gekommen sind, Herr Bundeskanzler", sagt eine Vertreterin der deutschen Wirtschaft in Algerien am Donnerstag dieser Woche zu Robert Habeck (Grüne).  Und hat wegen ihres kleinen Versprechers die Lacher auf ihrer Seite. Habeck ist nicht Kanzler, sondern Deutschlands Vizekanzler sowie Minister für Wirtschaft und Klimaschutz. Er selbst reagiert mit einem Schmunzeln.

Schlechte Umfragen, viele Krisen

Die Kanzlerschaft ist heute weit weg. Im Frühjahr 2022 war das schon einmal anders. Damals spekulierte so mancher Beobachter, dass Habeck demnächst tatsächlich Kanzler werden könnte. Denn nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine war er es, nicht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) , der den Deutschen erklärte, dass Gas und Öl teuer würden. Dass kein Gas mehr aus Russland komme, dass nichts so bleiben können würde, wie es war. Seine Offenheit kam gut an. Im August 2022 waren nach einer Umfrage des Instituts Infratest-dimap 50 Prozent der Deutschen zufrieden mit seiner Arbeit, ein vergleichsweise hoher Wert. Ende Januar dieses Jahres waren es nur noch 26 Prozent.

Raus aus den Berliner Krisen: Ankunft auf dem Flughafen in AlgierBild: BMWK/Julia Steinigeweg

Die schlechten Nachrichten haben sich seit dem Frühjahr 2022 gehäuft: miserable Umfragewerte für ihn und die gesamte Regierungskoalition, das Erstarken der rechtextremen "Alternative für Deutschland" (AfD) sowie die vielen Baustellen im Land: marode Infrastruktur, schlechte Bildung, die großen Löcher im Staatshaushalt. 

Wasserstoffpipeline durchs Mittelmeer: "Kein Spaß, aber Freude"

Nun sitzt Habeck in Algeriens Hauptstadt Algier. Hier kann er für zwei Tage all den Kummer zuhause hinter sich lassen und stur an dem großen Thema, seinem Lieblingsthema arbeiten, an dem Riesenprojekt Energie- und Industriewende - weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energieträgern.

Bisher liefert Algerien über eine Pipeline Erdgas durch das Mittelmeer nach Europa. Doch leicht umgebaut könnten die Röhren auch genutzt werden, um Wasserstoff nach Europa zu bringen, emissionsfreien, aus erneuerbarer Energie erzeugten Wasserstoff. Mit etwa 3000 Sonnenstunden pro Jahr hat der Wüstenstatt ein immenses Potenzial, um wasserstoffzeugende Elektrolyseure mit Solarstrom zu versorgen. Auch das Windkraftpotenzial ist gut.

Doch bisher werden in Algerien weder Wind- noch Sonnenkraft in großem Maße genutzt. Es gibt also noch viel zu tun, und Habeck ist jetzt in seinem Element. Ein Start ist gemacht, Algerien und Deutschland unterzeichnen eine Absichtserklärung: Sie wollen Ernst machen mit der Wasserstoff-Pipeline und auf Tunesien, Italien und Österreich zugehen, die auch mitmachen sollen.

"Habeck spornt die Unternehmen an, etwas zu machen", sagt ein WirtschaftsvertreterBild: BMWK/Julia Steinigeweg

Das wird Milliarden kosten, Habeck weiß das: "Dass Veränderungen nicht für Null zu haben sind, ist offensichtlich", sagt er der DW. "Aber eigentlich ist das, was ich jetzt hier mache, quasi das Anschlussstück von dem, was ich in Deutschland mache. Aber daran hab ich auch viel Spaß. Naja, Spaß ist das falsche Wort, aber Freude."

Überfordert Habeck die Deutschen?

Groß denken, in die Zukunft denken, sich nicht abschrecken lassen - für Habeck ist grüner Wasserstoff eine Art Heilsbringer, auch wenn es noch ein weiter Weg ist, wie er selbst einräumt: "Wir investieren Milliarden-Summen als Unterstützung für Kraftwerke, die in Zukunft von Gas auf Wasserstoff umstellen sollen. Und es gibt keinen Wasserstoff, bisher jedenfalls nicht in den Dimensionen, über die wir hier reden." Denn um mit dem Wasserstoff das Klima zu schonen, muss er mit erneuerbarer Energie hergestellt werden, sehr viel erneuerbarer Energie.

In Algerien   sammelt Habeck damit Sympathien. In Deutschland hat er mit diesem Elan zuletzt schlechte Erfahrungen gemacht: Sein sogenanntes Heizungsgesetz - der Versuch, in deutschen Häusern und Wohnung schnell von Gasheizungen auf stromgetriebene Wärmepumpen umzusteigen - führte zu heftigen Debatten, zu großem Unmut bei den Menschen.

Fast das ganze Jahr 2023 über ging der Streit, auch innerhalb der Regierung, in der vor allem der Koalitionspartner FDP Habecks Ansatz kritisierte. Im Oktober wurde das Heizungsgesetz dann verabschiedet, allerdings stark verändert. Habecks Beliebtheit sank.

Wirtschaftsvertreter loben Habeck

Zuletzt wurde er dann für nahezu alles verantwortlich gemacht, was die Regierung den Bürgern zumutet: Im Zuge von Bauernprotesten gegen Subventionskürzungen für die Landwirtschaft wurde er nach einem Kurzurlaub auf einer Nordseeinsel daran gehindert, eine Fähre zu verlassen.

Bei den Wirtschaftsvertretern, die den Vizekanzler nach Algerien begleiten, genießt Habeck aber immer noch Wertschätzung. Olaf Vohwinkel vom Anlagenbauer Liebherr gehört zu ihnen. Er sagt der DW, Habeck sei "sehr zuversichtlich, sehr optimistisch, er hat auch eine sehr lockere Art. Er ist sehr engagiert und verfolgt die Dinge wirklich. Er spornt die Unternehmen an, etwas zu machen."

Kein gutes Klima in der Regierung: Finanzminister Lindner (FDP), Vizekanzler Habeck und Bundeskanzler Scholz im BundestagBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Für weitere Wirtschaftshilfen fehlt das Geld

Habeck will die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern, er will die Strukturen ändern, will grundlegende Veränderungen. Möglichst schnell. Denn der Schutz des Klimas kann nach seiner Ansicht nicht warten. Dass er nicht nur manche Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Unternehmen damit überfordert, ist ihm bewusst.

Deshalb würde er die Wirtschaft gerne noch einmal mit vielen Milliarden Euro bei der Transformation unterstützen.  Doch das scheitert nicht nur an den Koalitionsparten, sondern auch an der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Denn Habecks Ideen wären nur über neue Schulden zu finanzieren.

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