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Diskus-Held Robert Harting hört auf

Herbert Schalling
2. September 2018

Der Vorhang fällt - Robert Harting tritt ab. An diesem Sonntag wird der beste deutsche Diskuswerfer seine Karriere beim traditionellen Leichtathletik-Meeting ISTAF in Berlin beenden. In dem Stadion, in dem alles begann.

Deutschland, Berlin: Robert Harting verlässt das Stadion
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Das Abschiednehmen hat er schon geübt. Vor drei Wochen. Am gleichen Ort. Die Europameisterschaft war Hartings letzter Titelkampf. Eine Medaille wollte er noch mal gewinnen. Am Ende wurde es Platz sechs. Lumpige 81 Zentimeter fehlten zu Bronze. Gefeiert wurde er trotzdem. Harting drehte unter dem Beifall des Publikums eine Ehrenrunde. Plakate wurden hochgehalten, auf denen stand: "Danke Robert." Seinen Frust, dass es doch nicht zur Medaille gereicht hatte, konnte der 2,01 Meter große Mann trotzdem nur schwer verbergen. "Eine beschissene Weite", sei es gewesen, sagte er hinterher. Dass er mit einem kaputten Knie gehandicapt in den Wettbewerb gegangen war, ließ er nicht gelten.  

Sein letzter Titelkampf: Harting bei der Europameisterschaft in BerlinBild: Getty Images/M. Hangst

Der nächste, sein finaler Wettkampf ist als der "letzte Schrei" angekündigt. Eine Anspielung auf den unüberhörbaren Laut, den Robert Harting häufig genug seinem Diskus hinterher schickte, als könne er ihn so noch ein paar Meter weiter fliegen lassen. Sein weitester Wurf wurde 2012 mit 70,66 Meter gemessen. Die Weite wird irgendwann nur noch ein statistisches Detail sein. In Erinnerung bleiben werden Robert Hartings Titel: der Olympiasieg 2012, die drei Weltmeister-Titel 2009, 2011 und 2013, seine Triumphe bei den Europameisterschaften 2012 und 2014. Zweieinhalb Jahre lang blieb er in den Wettkämpfen ungeschlagen.

Große Siege - bittere Niederlagen

Die  WM 2009 in Berlin gilt inzwischen rückblickend als Hartings erster großer Auftritt. Allerdings hatte er zwei Jahre zuvor schon WM-Silber gewonnen. Mit seinen letzten Wurf vor neun Jahren schleuderte er den zwei Kilo schweren Diskus auf 69,43 Meter und gewann Gold. Danach riss er sich das Trikot auf. Von der Halskrause bis zum Saum. Anschließend schleppte er das WM-Maskottchen, einen Berliner Bären, auf seinen Schultern durch das Stadion. Diese Ekstase beim Sieg wurde fortan sein Markenzeichen. Zwei Jahre später musste wieder das Leibchen dran glauben. Bei den Olympischen Spielen in London hüpfte der 126 Kilo schwere Athlet über die Hürden, die auf der Zielgeraden für das Finale aufgebaut waren.

Im schnelllebigen Sport unserer Tage gehört enormes Glück dazu, ewig auf der Erfolgswelle zu surfen. Bei Robert Harting wurde die Siegesserie 2014 jäh unterbrochen: Kreuzbandriss. Seither konnte er nur mit Einschränkungen werfen, forderte sein geschundener Körper immer wieder Auszeiten. "Ich musste Dinge neu lernen, die ich mal perfekt beherrscht hatte", blickt er auf diese schwere Zeit zurück. 2016 zog er sich im Olympischen Dorf von Rio einen Hexenschuss zu, der seinen Start verhinderte. Am Beginn dieser Saison setzte ihn eine angerissene Quadrizepssehne im rechten Knie außer Gefecht. Um sich überhaupt für die EM qualifizieren zu können, ließ er sich die Sehne mit Kortison schmerzfrei spritzen. Aber darf man das? Seinen Körper vor aller Welt so zurichten, nur um eine Medaille zu gewinnen? Nicht zum ersten Mal in seiner Karriere polarisierte Robert Harting.

Den Körper schinden: Robert Harting bei der Arbeit mit GewichtenBild: Getty Images/A. Hilse

Stets unverblümt die Meinung vertreten

Vor der WM 2009 hatte er noch gegen Opfer des DDR-Dopingsystems gepoltert, weil die seinem damaligen Trainer vorwarfen, sie mit Anabolika vollgepumpt zu haben. Harting betrachtete das als einen Angriff auf seine Person. Fünf Jahre später setzte ihn die IAAF auf die Wahlliste für den Leichtathleten des Jahres. Harting ließ sich streichen, weil der frühere Doper Justin Gatlin ebenfalls nominiert worden war.

Dieses tiefe Gerechtigkeitsempfinden wurzelt in Hartings Kindheit. Geboren ist er in Cottbus, einer Stadt im östlichen Teil der DDR, ziemlich nahe an der Grenze zu Polen. Die Verhältnisse zu Hause - an der Seite von Bruder Christoph - waren einfach. Das Geld war meist knapp. Man muss kämpfen, um Erfolg zum haben - das war eine frühe Lebenserfahrung für den jungen Harting. Der Sport bot die große Möglichkeit auszubrechen. Mit 15 zog er nach Berlin und schlug seinen Weg ein. Er wurde ein erfolgreicher Diskuswerfer - und schließlich das Gesicht der deutschen Leichtathletik.   

Niemand feierte wie er: Robert Harting als Weltmeister 2013Bild: picture-alliance/dpa

Das Bild des großen, bärtigen und manchmal auch ziemlich bärig daherkommenden Mannes wäre nicht komplett ohne einen Blick auf den Robert Harting außerhalb des Diskusringes. Ein Studium der Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation hat er abgeschlossen und sich immer wieder in sportpolitische Dinge eingemischt, sogar IOC-Präsident Thomas Bach heftig kritisiert. Das Leben nach der Sportkarriere wird ihm nicht langweilig werden. "Ich werde hundertprozentig an vielen Dingen Spaß haben“, sagt Harting am Ende. "Sportminister, das wäre doch was." Es wäre kein Wunder, würde Robert Harting das eines Tages wirklich sein.

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