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Politik

Nordkorea baut allein keine Raketen

Mikhail Bushuev
9. August 2017

Seit Jahrzehnten gehören Raketen zu Pjöngjangs Drohpotential. Professor Robert Schmucker von der TU München sagt im DW-Interview, wohin die Spuren von Nordkoreas Raketen führen und welche Gefahr sie darstellen.

Nordkorea Raketentest Hwasong-14
Raketentest mit einer Hwasong-14Bild: Getty Images/AFP/KCNA

Deutsche Welle: Nordkorea und die USA überziehen sich mit militärischen Drohungen. Muss man sich Sorgen machen?

Robert Schmucker: Das ist politischer Bluff. Keiner von beiden will einen Krieg anfangen. Das, was als nordkoreanische Interkontinentalrakete bezeichnet wird, die Hwasong-14, ist zwei Mal geschossen worden. Weitgehend senkrecht. Wir haben versucht, dies zu rekonstruieren. Da bekommen wir eine Reichweite bei einer Tonne von vielleicht 5200 Kilometern. Wir wissen nicht, ob Nordkorea Atomwaffen hat und wir wissen schon gar nicht, wie schwer die sind. Wenn Nordkorea Nuklearwaffen haben sollte, dann sind die sicher nicht leicht. Deshalb gehe ich davon aus, dass diese Raketen vielleicht schon eine große Distanz fliegen können. Aber ich würde sie nicht als Interkontinentalraketen bezeichnen.

Ein zweiter Punkt ist ganz wichtig. Wenn man weit schießt, muss man auch treffen. Es gibt bisher keinen Weit-Schuss. Man muss eine Schusstafel erstellen. Dann kann man damit auf Distanz schießen. Für eine Schusstafel braucht man viele Versuche. Man muss diese Versuche genau vermessen. Daraus kann man ein Handbuch erstellen, wie man wohin schließen kann. Das fehlt bisher völlig. Also sind das schöne Demo-Schüsse und sonst gar nichts. Alle bisherigen Schüsse, seit 1984, sind reine Demonstrations-Schüsse - ungefähr 70 bis 80 Prozent mit alten russischen Raketen. Das sind Scud-Raketen, Nodong-Raketen und Totschka-Raketen, von denen wir wissen, dass sie aus Russland kommen.

Woher wissen Sie das? Woran kann man das festmachen?

Raketenexperte Robert SchmuckerBild: picture-alliance/dpa

Wir sehen die Bilder von den Paraden. Wir sehen die Bilder vom Flug. Man braucht nur zu vergleichen. Die überwiegende Mehrzahl sind alte russische Raketen, die eine bestimmte Technologie haben. Die neuen Raketen, die sie in den letzten zwölf bis 14 Monaten geschossen haben, haben eine völlig andere Technologie, die mit der früheren nichts zu tun hat. Aber wir sehen Triebwerke, die klar russische Triebwerke sind. Die Verbindung zu Russland ist nicht nur über die frühen russischen Raketen, sondern auch über die jetzigen da, zumindest bei den Triebwerken.

Nordkorea hat in den letzten 14 Monaten sieben verschiedene Raketen präsentiert. Wie ist das möglich?

Der Aufwand für sieben verschiedene Raketen ist immens. Dazu braucht man sieben verschiedene Projektteams, Fertigungsanlagen für die ganz unterschiedlichen Kaliber der Raketen, unterschiedliche Werkstoffe, Treibstoffe, Materialien und Größen. Es ist unendlich viel an Werkzeug, Maschinen und Vorschriften nötig. Es ist ein sehr großer Aufwand, das alles parallel zu bewältigen und dann noch beim ersten Schuss erfolgreich zu sein. Das hat noch keiner geschafft, außer, die Rakete kam woanders her.

Aus Russland?

Das muss nicht unbedingt die russische Regierung sein. Es kommt jedenfalls aus Russland beziehungsweise aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Da gibt es auch kriminelle Elemente, die Geld verdienen wollen. Ich sage bewusst: nicht Regierungen. Ich sage, das sind Institutionen, Personen und Gruppen. Ob es Firmen sind, weiß ich nicht. Aber es sind Leute, die das beschaffen, rübergehen, helfen und auch mit steuern, also dafür sorgen, dass das gut funktioniert. Das sind natürlich Technologien aus den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Wir sehen deutlich zum Beispiel bei der Musudan oder Hwasong-10, dass es sich um eine ehemalige U-Boot-Raketen handelt, die modifiziert sind.

Ich bin mir sicher, dass Kim nur ganz wenige von diesen Dingen hat, wenn er sie überhaupt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob sie trotzdem noch in der Verwahrung anderer sind. Also, es wird gegeben, Kim kann so tun als ob, es wird auch abgeschossen von anderen, und Kim ist sozusagen nur das Deckmäntelchen dafür.

Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un droht Washington mit einem Raketenangriff auf den Stützpunkt auf der US-Pazifikinsel Guam. Ist das ernst zu nehmen?

Ich bin mir nicht einmal sicher, dass, wenn er versuchen wollte, Guam zu treffen, dass er Guam treffen würde. Guam ist in kurzer Reichweite, die USA sind viel zu weit weg. Aber das ist bedeutungslos. Das ist nur, um wieder etwas zu sagen.

Robert Schmucker lehrt als Professor an der Technischen Universität München am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik. Er ist ein international anerkannter Raketenexperte. Eines seiner Fachgebiete sind "Fernwaffen in Entwicklungsländern".

Das Interview führte Mikhail Bushuev.

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