Zerrissen, genial, manisch-depressiv: Das tragische Schicksal des Komponisten hat die Rezeption seiner Musik negativ beeinflusst. Heute gibt es ein weitaus besseres Verständnis von Robert Schumanns Werken und Wirken.
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Robert Schumann - der wohl romantischste aller Komponisten
Robert Schumann war ein genialer Komponist. Ein (gescheiterter) Pianist, Dichter und Musikjournalist. Und ein melancholischer, manisch-depressiver, von Selbstmordgedanken geplagter Mann mit bipolarer Störung.
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Das Schumann-Haus in Zwickau
Am 8. Juni 1810 wurde Robert Schumann in der kleinen sächsischen Stadt Zwickau geboren. Sein Vater August Schumann war Buchhändler, Verleger, Autor und Übersetzer und machte die englischen Dichter Lord Byron und Sir Walter Scott in Deutschland bekannt. August war ein Anhänger der Sturm-und-Drang-Bewegung, die die Ideale von Genie, Unschuld sowie der Heiligkeit von Liebe und Natur hochhielten.
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Der "lichte Punkt"
Der junge Robert Schumann hatte ein sonniges Gemüt - seine Mutter Johanna Christiane nannte ihn ihren "lichten Punkt". Nachdem er mit neun Jahren den Pianisten Ignaz Moscheles gehört hatte, forderte er von seinen Eltern ein Klavier - und improvisierte wie besessen darauf. Er war in der Poesie und der Musik gleichermaßen begabt. Mit 15 erlitt er erste Depressionen.
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Virtuosen-Fabrik
Nach zwei Jahren Jurastudium in Leipzig und Heidelberg und einer Reise nach Italien entschied sich Robert als 20-Jähriger für die Musik. Er zog ins Haus des strengen Klavierlehrers Friedrich Wieck in Leipzig. Seine Finger schmerzten - mit einer Schlinge hielt er den vierten Finger der rechten Hand hoch, so dass die anderen Finger weiter üben konnten. Das führte zur Lähmung des Fingers.
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Zum Komponieren verdammt
Aus war der Traum, ein Klaviervirtuose zu werden. Während einer tiefen Depression im Herbst 1833 erfolgte sein erster Selbstmordversuch. Robert Schumann konnte seine divergierenden Interessen und Stimmungsschwankungen nur durch kreative Arbeit - durch Komposition - in den Griff bekommen. Bereits erste Werke, etwa die "Abegg-Variationen" oder "Papillons", zeigten Meisterschaft.
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Verbotene Liebe
Auch Friedrich Wiecks Tochter Clara wurde von ihm musikalisch ausgebildet. Die Frühbegabte trat bereits als Kind auf. Zwischen Robert und Clara entwickelte sich eine Liebe, die ihre erste Äußerung 1835 fand, als er 16 Jahre alt war. Der Vater versuchte die Beziehung mit allen Mitteln zu unterbinden. 1837 verlobte sich das Paar heimlich. Erst 1840 durften sie durch Gerichtsbeschluss heiraten.
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Über die Musik schreiben
Der junge, gesellige Schumann fand Anschluss an andere Künstler im Leipziger Lokal Kaffeebaum. Sie nannten sich "Davidsbündler" und liefen Sturm gegen künstlerische Kleinkariertheit, Mittelmaß und Spießbürgerlichkeit. 1834 gründete Schumann die Neue Zeitschrift für Musik, blieb darin als Musikjournalist zehn Jahre lang aktiv und prägte die Musikwelt durch seine Kritiken.
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Produktive Flut
Anfangs schrieb Schumann hauptsächlich Klaviermusik. Nach der Heirat komponierte er allein im Jahr 1840 mehr als 130 Lieder. In den Jahren danach folgten Kompositionen fast aller Genres: eine Oper, vier Sinfonien, Chor- und Kammermusik. Auch Clara schrieb Musik, als Komponistin durfte sie jedoch nicht in Erscheinung treten. Er wollte zunächst auch nicht, dass sie ihrer Konzerttätigkeit nachging.
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Kindersegen und seelische Plagen
Die Schumanns bekamen acht Kinder - aus Geldmangel musste Clara immer wieder auf Tournee gehen. Schumanns große Produktivität als Komponist in Leipzig und Dresden wechselte sich mit Phasen der Melancholie ab. Heute spricht man von einer "bipolaren Störung". Möglicherweise hatte auch eine frühere Syphilis-Erkrankung Auswirkungen auf seinen Zustand.
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Kurzzeitiger rheinischer Frohsinn
1850 gingen die Schumanns nach Düsseldorf - als neuer städtischer Musikdirektor wurde Robert herzlich empfangen. Er ließ sich von der rheinischen Begeisterungsfähigkeit anstecken und komponierte unter anderem seine 3. Sinfonie, die "Rheinische". Bald bekam er dann aber Schwierigkeiten mit dem städtischen Chor und Orchester. Für die damit verbundenen organisatorischen Aufgaben war er ungeeignet.
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Die Zukunft der Musik
1853 besuchte der junge Johannes Brahms die Schumanns in Düsseldorf - in einem Aufsatz kündigte Schumann ihn der Musikwelt als größten Komponist der Zukunft an. Durch den Kontakt erfuhr Schumann einen neuen kreativen Aufschwung. Im selben Jahr kam es zum Eklat bei Schumanns Stelle als Chorleiter: Er trat als Dirigent nicht mehr auf und stellte auch das Komponieren ein.
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Letzter Wohnsitz
Schumanns Zustand verschlechterte sich schnell: Töne, die in seinem Kopf rasten, raubten ihm den Schlaf. Am 27. Februar 1854 stürzte er sich in den Rhein, wurde aber gerettet und nach Hause geschickt. Am 4. März wurde er in die "Anstalt für Behandlung und Pflege von Gemütskranken und Irren" in Endenich bei Bonn eingeliefert. Zweieinhalb Jahre später, am 29. Juli 1856, verstarb er dort.
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Grande Dame der Musik
Clara Schumann überlebte ihren Ehemann um 40 Jahre - und wurde zum Star der Musikwelt. Johannes Brahms war ihr mehr als freundschaftlich verbunden - die Liebe blieb wohl platonisch. Schumann und Brahms vernichteten Spätwerke Robert Schumanns, die ihnen wegen seiner fortschreitenden Krankheit minderwertig erschienen. Erst neulich haben Musikwissenschaftler Schumanns Schaffen neu bewertet.
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Letzte Ruhestätte
Clara und Robert Schumann sind auf dem Alten Friedhof in Bonn begraben. Die Mittel für das schmucke Denkmal kamen bei einem großen Schumann-Fest im Jahr 1873 zusammen. Es wurde vom Bildhauer Adolf von Donndorf konzipiert und 1880 feierlich enthüllt. Clara und ihre Kinder waren zugegen. Heute ist das Grab eine Pilgerstätte für Liebhaber der Musik Robert Schumanns.
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"Er begann als Genie und endete als Talent", sagte einst der deutsche Komponist Felix Draeseke. Seine Orchestrierung sei "grau in grau" hieß es immer wieder in Musikerkreisen. Manche nannten ihn einen zweitklassigen Komponisten.
Sätze wie diese über Robert Schumann haben sich im Laufe der Jahrzehnte verselbständigt. War es Abscheu vor dem Schicksal des Komponisten, der seine letzten Monate in einer Anstalt für Geisteskranke verbrachte? Selbst seine Ehefrau Clara Schumann und sein Freund Johannes Brahms beschlossen, einige Spätwerke Schumanns der Welt vorzuenthalten. Sie taten es, um seinen Ruf zu schützen, denn ihrer Meinung nach zeugten eben jene Werke von Schumanns fortgeschrittener seelischer Krankheit und seien daher von geringem Wert.
Neue Erkenntnisse - späte Anerkennung
Erst Ende des 20. Jahrhunderts sind Musikwissenschaftler zu einer Neubewertung der Werke Robert Schumanns gekommen - auch der Spätwerke, die nun als ungemein fortschrittlich gelten. Unbestritten ist, dass er zu den größten Komponisten des 19. Jahrhunderts gehört.
Wie kein anderer verkörperte er die Zeit der musikalischen Romantik. Im Hause Schumann gingen Prominente der damaligen Musikwelt ein und aus - und ohne jede Eitelkeit brachte Schumann seinen Zeitgenossen andere Komponisten näher: den Polen Frédéric Chopin, den Dänen Niels Gade oder den Deutschen Johannes Brahms zum Beispiel.
Robert Schumanns eigene musikalische Innovationen waren so einzigartig, dass es für ihn eigentlich weder stilistische Vorgänger noch Nachfolger gibt. Manche seiner Werke haben Ohrwurmcharakter und werden in der Werbung und in Filmen verwendet - viele wissen gar nicht, wer sie geschrieben hat. Andere Werke - vor allem seine Lieder und seine Kammermusik - erscheinen relativ selten auf Konzertprogrammen.
Das Bonner Schumannfest, das vom 6. bis zum 18. Juni zum 20. Mal stattfindet, entdeckt den Komponisten immer wieder neu. Stilecht wird seine Musik im winzigen Konzertsaal an seinem letztem Wohnsitz im Schumannhaus zu Gehör gebracht.
Wichtige Etappen in Schumanns Werdegang sehen Sie in der obigen Bildergalerie.