Es ist jedes Mal ein kleines Wunder: Noch immer werden in der Türkei und Syrien Überlebende aus den Trümmern gezogen. Rettungshunde helfen bei der Suche. In Zukunft sollen auch Roboter zum Einsatz kommen.
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Es ist völlig unklar, wie viele Menschen noch unter den Trümmern liegen, die die Erdbeben in der Türkei und Syrien hinterlassen haben. Helferinnen und Helfer arbeiten praktisch rund um die Uhr, auch wenn die Chancen, noch Überlebende zu finden, mit jedem Tag geringer werden.
Um herauszufinden, wo noch Lebende unter den Bergen von Schutt liegen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Immer mal wieder ist direkte Kommunikation möglich. Freiwillige und Mitarbeitende von Hilfsorganisation unterbrechen ihre Arbeit, wenn sie meinen, ein Lebenszeichen gehört zu haben - manchmal können Verschüttete mit Rufen oder Klopfzeichen auf sich aufmerksam machen, oder sogar eine SMS oder WhatsApp-Nachricht an Familie oder Freunde senden.
Die kleinen Roboter auf Rädern sind mit Infrarot- und Thermalkameras ausgestattet und saugen über ein Röhrchen Luft von der Einsturzstelle auf, die auf CO2 und menschentypische Proteine überprüft wird. So können Menschen unter den Trümmern lokalisiert werden. Mithilfe von Lautsprechern und Mikrofonen können Einsatzleitende Kontakt mit den Verschütteten aufnehmen. Drohnen liefern den Helfern und Helferinnen 3D-Aufnahmen von der Einsturzstelle.
Bei andauernden Nachbeben ist die Suche nach Überlebenden "hochgefährlich [für Rettungsteams], weil alles zusammenbricht", sagt Karsten Berns, Informatiker und Leiter des Lehrstuhls Robotersysteme an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. "Das will man mit solchen autonomen Systemen verbessern."
Was können die Rettungsroboter?
Berns ist Fachmann auf dem Gebiet der Erdbebenrettung mit Robotern - sein Team war 2016 Teil eines ähnlichen EU-Projekts wie CURSOR. Auch die Roboter, an denen Berns im Rahmen des sogenannten ICARUS-Projekts arbeitete, sollten die Arbeit von Hilfstrupps erleichtern. Dazu gehörten neben kleinen Kettenfahrzeugen mit Infrarotsensoren auch große Roboter, die einem Bagger ähnelten. Sie können schweres Geröll oder Gebäudeteile beiseiteschaffen und aus einem Kilometer Entfernung bedient werden - es wird also kein Baggerfahrer gefährdet. Eine Kamera überträgt währenddessen das, was der Roboter "sieht", an die Leitzentrale.
Einige Roboter, die in eingestürzte Häuser fahren können, waren mit Gassensoren ausgestattet. Nicht nur das Einsturzrisiko, auch die Gefahr einer Gasexplosion ist aufgrund beschädigter Leitungen nach einem Erdbeben hoch.
Noch nicht einsatzbereit
Sowohl bei den Robotern von Berns, als auch bei den neuen Exemplaren aus dem CURSOR-Projekt handelt es sich nur um Prototypen, die von der Forschung entwickelt und im Rahmen einzelner Präsentationen getestet wurden.
Keine dieser Maschinen kann bei der Auffindung von Verschütteten im türkisch-syrischen Erdbebengebiet helfen. Eine Serienproduktion für den Einsatz bei realen Katastrophen liegt noch in weiter Ferne.
Dafür muss beispielsweise die Kostenfrage geklärt werden. Wer soll für die Produktion solch teurer Maschinen bezahlen, wer kommt für den Transport in die Erdbebengebiete auf? In der Forschung kann niemand solche Kosten tragen, sagt Berns im DW-Interview - hier sei die Industrie gefragt.
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Was ist besser: Roboter oder Rettungshund?
Ein ganz klarer Vorteil der Rettungshunde: Bei ihnen handelt es sich nicht um Prototypen. Die Tiere sind aktuell im Einsatz, um Überlebende unter den Trümmern in der Türkei und Syrien zu finden. Auch aus Deutschland sind Teams mit Rettungshunden ins Erdbebengebiet gereist.
Die Hunde können Schweiß, Hormone, Blut, Exkremente oder sogar den Atem von Menschen riechen. Wenn sie jemanden erschnüffelt haben, der oder die unter den Trümmern liegt, zeigen sie dies mit Bellen und Scharren an.
Ein weiteres Plus der Tiere: Sie sind nicht auf Elektrizität oder Internet angewiesen, die die Rettungsroboter für ihren Einsatz und die Datenübertragung brauchen. Wasser und Hundefutter können die Helfenden mitbringen. Der Aufbau einer Internetverbindung ist schwieriger.
Laut Berns ist auch die Technik der Roboter an sich noch nicht so ausgereift, dass sie die Nase eines guten Spürhundes schlägt.
"Ich würde sagen, heute ist der Schäferhund immer noch besser", so Berns. Natürlich gebe es auch einige Vorteile der Roboter: Eine Kameraübertragung ist beispielsweise mit Rettungshunden nicht möglich, und sie lassen sich auch nicht so präzise steuern wie ein kleines Fahrzeug.
Die letzte Entscheidung trifft der Mensch
Während der Arbeit am ICARUS-Projekt fantasierten Berns und sein Team kurzzeitig darüber, ob man die Entscheidung, in welche Gebäude man Rettungsteams schickt, nicht auch automatisieren könne. Diese Idee wurde ihnen von aktiven Helfern und Helferinnen aber sofort wieder ausgeredet.
"Da hieß es 'Um Gottes Willen!', weil [so eine Entscheidung] schon für einen menschlichen Experten extrem schwierig ist", sagt Berns. "Da sind Leute unter Trümmern, die freuen sich, dass einer kommt, und Experten wissen genau: Die können wir nicht retten."
Wenn die Einsturzgefahr zu groß ist, muss ein Team manchmal beschließen, eingeschlossene Menschen zurückzulassen, um das Leben der Helfenden nicht zu gefährden. Diese Entscheidung kann nicht an einen Roboter abgegeben werden.
Erdbeben in Türkei und Syrien: Hoffnung auf Überlebende treibt Helfer an
Das schwere Erdbeben im syrisch-türkischen Grenzgebiet hat mehrere Tausend Gebäude zerstört. Unter den Trümmern suchen zahllose Helfer fieberhaft nach Überlebenden. Bilder lassen die Dramatik der Situation nur erahnen.
Bild: Umit Bektas/REUTERS
Im Schlaf überrascht
Dieses Wohnhaus in Diyarbakir ist eines von mehreren Tausend Gebäuden, die das Erdbeben der Stärke 7,8 im türkisch-syrischen Grenzgebiet zerstört hat. Die meisten Menschen überraschte die Katastrophe im Schlaf. Das Beben ereignete sich am Montag um 4.17 Uhr Ortszeit.
Bild: Omer Yasin Ergin/AA/picture alliance
Tausende Gebäude zerstört
Das Beben forderte zahlreiche Opfer - die Behörden sind noch damit beschäftigt, sich einen Überblick zu verschaffen. Klar ist: Mehrere Tausend Gebäude wurden zerstört - so wie dieses in Kahramanmaras in der mehrheitlich kurdisch besiedelten Stadt Diyarbakir.
Bild: Gokhan Cali/AA/picture alliance
Bergung unter schwierigsten Bedingungen
Wie hier in Adana durchsuchen unzählige zivile und offizielle Rettungskräfte eingestürzte Gebäude nach Verschütteten. Die Region wurde von mehr als 50 Nachbeben erschüttert. Der stärkste dieser Erdstöße mit einer Stärke von 7,5 ereignete sich am Montagmittag, als viele Bergungsarbeiten bereits im Gange waren.
Bild: IHA/AP Photo/picture alliance
Auch Nordsyrien betroffen
Auch die nordsyrische Provinz Idlib ist von dem Beben betroffen. Das Erdbeben vom Montag ist eines der verheerendsten in der Region seit Jahrzehnten, und es trifft Gebiete, die bereits durch den syrischen Bürgerkrieg schwer gezeichnet sind. Helfer in Aleppo graben "mit bloßen Händen" in den Trümmern nach Überlebenden, sagte eine Augenzeugin der DW.
Bild: Ghaith Alsayed/AP Photo/picture alliance
Im Krieg beschädigte und neue Häuser zerstört
"Die Menschen in Idlib sind aus ihren Häusern geströmt, sie waren in Panik. Kurz darauf sind die ersten Häuser eingestürzt, die bereits zuvor infolge russischer Luftangriffe nicht mehr in gutem Zustand waren. Aber auch neuere Gebäude sind eingestürzt. Ganze Familien sind noch unter den Verschütteten," berichtet ein Lokalreporter aus dem syrischen Sarmada nahe der türkischen Grenze der DW.
Bild: Omar Albam
Logistische Herausforderung in Syrien
"Die Infrastruktur ist beschädigt, die Straßen, die wir für die humanitäre Arbeit genutzt haben, sind zerstört. Wir müssen kreativ sein, um zu den Menschen zu gelangen.", beschreibt ein Verantwortlicher der UN die Situation in der Provinz Idlib. Die Regierung in Damaskus lässt offenbar Hilfsgüter weiterhin nur über einen Grenzübergang in die letzte nicht von ihr kontrollierte Region.
Bild: Omar Haj Kadour/AFP
Weißhelme im Einsatz
Die im syrischen Bürgerkrieg gegründeten Weißhelme, eine private Zivilschutzorganisation von Freiwilligen und bezahlten Helfern, beteiligen sich an den Bergungsarbeiten in den von Rebellen gehaltenen Gebieten im Nordwesten Syriens. Diese beiden Männer suchen in Sardana nach Überlebenden.
Bild: Ahmad al-Atrash/AFP
Historische Bauwerke zerstört
Auch Kulturschätze wurden bei dem Erdbeben zerstört. In der türkischen Provinz Maltaya wurde die berühmte Yeni Moschee aus dem 13. Jahrhundert schwer beschädigt. Ein Wintersturm erschwert in Teilen der betroffenen Gebiete die Rettungsarbeiten zusätzlich. Am Mittag bat die Türkei offiziell ihre NATO-Partner und die EU um Unterstützung bei den Rettungs- und Bergungsarbeiten.
Bild: Volkan Kasik/AA/picture alliance
Regionen brauchen Hilfe
Zahlreiche Länder - sogar die Ukraine - haben Hilfe angeboten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte gegenüber der Presse, Soforthilfe durch das THW sei veranlasst und die ersten Hilfslieferungen bereits auf dem Weg in die Katastrophenregion, darunter Notunterkünfte und Wasseraufbereitungsanlagen: "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Witterungsverhältnisse dort sehr prekär sind", so Faeser.
Bild: Volkan Kasik/AA/picture alliance
Containerhafen in Flammen
Die türkische Hafenstadt Iskenderun wurde besonders schwer von den Beben getroffen. Tausende Container stürzten durch die Erschütterungen um und fingen teilweise Feuer, über der Stadt steht auch noch am Tag nach den Beben eine riesige Rauchsäule.
Bild: Serdar Ozsoy/Depo Photos via AP/picture alliance
Krankenhaus zerstört
Auch in den Trümmern des am Montag teilweise kollabierten Krankenhauses von Iskenderun laufen weiterhin Rettungsarbeiten, Helfer bergen weiterhin Überlebende aus den Trümmern.
Bild: Umit Bektas/REUTERS
Internationale Hilfe läuft an
Die Hilfsorganisation Roter Halbmond begann am Montag mit der Koordinierung von Hilfstransporten in die zerstörten Gebiete. Von einem Militärflughafen nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad startet diese Maschine mit Hilfsgütern Richtung Syrien.
Bild: Ahmed Saad/REUTERS
Sammeln für die Betroffenen
Die internationale Anteilnahme ist groß - auch auf privater Ebene versuchen Menschen den Bedürftigen in den Krisengebieten zu helfen. Dieses türkische Kulturzentrum in Den Haag sammelt Materialspenden für die Betroffenen in der Türkei
Bild: Phil Nijhuis/AFP
Hilfe auch aus Deutschland
Mehrere Länder haben Such- und Rettungsspezialisten in die Region entsandt. Am Dienstag traf ein deutsches ISAR-Team (International Search and Rescue) im türkischen Gaziantep ein. Ziel der 42 Experten mit ihren sieben Spürhunden ist die stark beschädigte Stadt Kirikhan in der Nähe der türkisch-syrischen Grenze.
Bild: Piroschka van de Wouw/REUTERS
Katastrophe mit Ansage?
Die meisten Gebäude in der betroffenen Region waren für Beben dieser Stärke nicht ausgelegt - so wie diese Intensivstation des Krankenhauses in Iskenderun. Das Gebiet gilt seit langem als besonders erdbebengefährdet, türkische Geologen hatten die Regierung erst kürzlich vor den Gefahren gewarnt.