Gemeinsam wollen Myanmar, Bangladesch und das UN-Flüchtlingshilfswerk für eine sichere Rückkehr der vertriebenen Rohingya sorgen. In zwei Monaten soll die Rückführung starten und die seit August schwelende Krise lösen.
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Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Myanmar und Bangladesch sei ein erster Schritt zur Rückholung, die in zwei Monaten beginnen werde, sagte der Außenminister von Bangladesch, Abul Hassan Mahmood Ali, vor Journalisten in der Hauptstadt Dhaka. Die Flüchtlinge der Rohingya-Minderheit sollen nach ihrer Rückkehr nach Myanmar nach Angaben aus Bangladesch vorerst in Aufnahmelagern leben. "Sie werden für begrenzte Zeit in vorübergehenden Unterkünften oder Einrichtungen untergebracht", so Bangladeschs Außenminister weiter. Sein Land habe Myanmar vorgeschlagen, Indien und China um Hilfe beim Bau der Lager zu bitten, sagte Ali demnach.
Hilfe durch UNHCR
Am Donnerstag hatten sich die beiden Länder nach wochenlangem Tauziehen darauf geeinigt, dass die Rückführung von Rohingya-Flüchtlingen binnen zwei Monaten beginnen soll. Für die vereinbarte Rückführung werde eine Arbeitsgruppe gebildet, es aber keinen festen Zeitplan geben, sagte Ali weiter. Unklar blieb jedoch, wie viele der mehr als 620.000 Flüchtlinge nach Myanmar zurückkehren sollen. Beide Länder wollen sich Alis Worten zufolge bei der Rückführung vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR unterstützen lassen.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk äußerte allerdings Zweifel an einer "sicheren und dauerhaften" Rückkehr der Rohingya und verwies darauf, dass Häuser und Dörfer der Rohingya in Myanmar zerstört worden seien. Der Bundesstaat Rakhine, aus dem die geflohenen Rohingya stammen, sei derzeit nicht sicher genug für eine Rückkehr, teilte die Organisation am Freitag - vor Alis Ankündigung - mit. Außerdem lagen zunächst keine Informationen zum künftigen rechtlichen Status der Rohingya in Myanmar vor.
Zurück in die sichere Heimat?
Seit August 2017 waren nach einem Militäreinsatz in der Küstenregion Rakhine im Norden Myanmars etwa 620.000 Angehörige dieser muslimischen Minderheit über die Grenze nach Bangladesch geflohen. Dem Militär von Myanmar wird vorgeworfen, an Vergewaltigungen, Tötungen und Brandstiftung gegen die Rohingya maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Die UN, die US-Regierung und Menschenrechtsorganisationen sprechen von "ethnischen Säuberungen".
Menschenrechtsgruppen hatten angemahnt, dass die Heimkehr der Flüchtlinge nach Myanmar von unabhängiger Seite überwacht werden müsse, damit die muslimische Minderheit nicht erneut Opfer von Gewalt werde. "Die Idee, dass Burma (Myanmar) nun (die Rohingya) in ihren qualmenden Dörfern mit offenen Armen willkommen heißen wird, ist lächerlich", sagte Bill Frelick, Leiter des Flüchtlingsprogramms der Menschenrechtsorganisation.
Die Rohingya werden in Myanmar als illegale Einwanderer gesehen, obwohl die Familien von vielen schon seit dem 19. Jahrhundert dort leben.
sam/sti (AFP, dpa, rtr)
Kindheit für Rohingya? Nicht in Cox's Bazar
Er ist erst zwölf. Doch der Rohingya-Flüchtling Nur Hafes versorgt seine Familie. Während der Flucht von Myanmar nach Bangladesch setzte sich der Vater ab, nun ist die Mutter allein mit ihm und seinen Geschwistern.
Bild: Reuters/A. Abidi
Der Versorger
Der zwölfjährige Nur Hafes hält im Flüchtlingslager Palong Khali Ausschau nach Menschen, die ihm ein wenig Geld zustecken, wenn er sie mit seinem Schirm vor der stechenden Sonne schützt. Und er schaut nach den muslimischen Priestern, die manchmal Spenden verteilen, die sie in ihren Gemeinden gesammelt haben. Er ist noch nicht erwachsen, und doch muss er eine neunköpfige Familie versorgen.
Bild: Reuters/A. Abidi
Ein Euro am Tag ist ein guter Tag
"Manchmal bekomme ich 50 oder 100 Taka, an manchen Tagen komme ich mit leeren Händen nach Hause", sagt Nur. Ein Taka entspricht etwa einen Eurocent, für 50 Taka bekommt man auf den Märkten der Camps rund 250 Gramm grüne Chillies. Ein Hühnchen kostet etwa 150 Taka.
Bild: Reuters/A. Abidi
Allein mit acht Kindern
Nur ist der älteste von acht Geschwistern. Als die Armee ins Dorf der Großeltern einrückte, floh Nurs Vater ohne die Familie. Seitdem haben sie ihn nicht mehr gesehen. Die Flucht nach Bangladesch in die Nähe der Stadt Cox's Bazar hat Mutter Rabia alleine mit den Kindern zurückgelegt. Die Älteren tun ihr Bestes, um Rabia zu helfen, die Familie im Flüchtlingscamp über Wasser zu halten.
Bild: Reuters/A. Abidi
"Die Armee zündete Häuser an"
Vor zwei Monaten wurden Rabia und die Kinder aus ihrem Heimatdorf in der Provinz Rakhine in Myanmar vertrieben. "Die Armee zündete Häuser an, in denen noch Menschen waren", erinnert sich die 33-jährige Mutter. "Ich habe so viele Menschen mit Schusswunden gesehen." Die Familie floh zu den Großeltern, doch nur einen Tag später zogen auch dort die Truppen ein.
Bild: Reuters/A. Abidi
Angewiesen auf Hilfsgüter
Wie die meisten in den Flüchtlingslagern in der Nähe von Cox's Bazar sind Nur und seine Familie auf Hilfsgüter angewiesen. Aus der Heimat konnten sie nur die Kleider am Leib, Ausweisdokumente, ein paar Fotos und eine Decke zum Schutz vor Regen mit sich nehmen. Als männliches Familienoberhaupt steht in der Regel Nur in den Schlangen vor den Hilfsorganisationen an.
Bild: Reuters/A. Abidi
Aufpreis in den Flüchtlingscamps
Meist werden nur Grundnahrungsmittel an die Flüchtling verteilt - Öl, Linsenfrüchte, Zwiebeln - und davon oft nicht genug. Deshalb gibt es in den Camps von Cox's Bazar zahlreiche Händler, die zum Beispiel grüne Chillies oder Nüsse verkaufen, aber auch Verhütungsmittel und Zigaretten. Meist kosten die Güter mehr als auf den Märkten in den angrenzenden Städten.
Bild: Reuters/H. McKay
Schon in Myanmar arbeitete Nur
Bereits vor der Flucht verkaufte Nur in Myanmar Güter, die sein Vater im Großhandel einkaufte. Als Staatenlose hatten die Rohingya schon vor dem Aufflammen der Konflikte kaum Zugang zum Bildungssystem und wurden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert.
Bild: Reuters/A. Abidi
Die Jüngsten sind unterernährt
Trotz seiner Anstrengungen, trotz der Hilfsgüter - der Familie von Nur fehlt es oft am Nötigsten. Die beiden jüngsten Kinder von Rabia - die anderthalbjährige Fatima (im Foto) und der acht Monate alte Mohammed - leiden an Unterernährung, wie so viele der Kinder in den Flüchtlingslagern. Geschätzte 60 Prozent der geflüchteten Rohingya sind minderjährig, viele leiden an Krankheiten wie Durchfall.
Bild: Reuters/A. Abidi
"Er benimmt sich nicht mehr wie ein Kind"
"Er ist jung, aber er versteht, dass er Verantwortung hat. Er benimmt sich nicht mehr wie ein Kind", sagt Rabia über Nur. Ihre Wünsche für seine Zukunft sind bescheiden: Sie hofft, dass er sich in Bangladesch ein Geschäft als Händler aufbauen kann. Doch manchmal träumt der Sohn von einem anderen Leben - einer richtige Schulbildung, Zeit für Fußball mit Freunden - davon, Kind sein zu können.