Die indische Regierung will 40.000 Rohingya abschieben. Von einigen der muslimischen Flüchtlinge aus Myanmar gehe eine Terrorgefahr aus, heißt es zur Begründung. Das oberste Gericht muss entscheiden.
Anzeige
Rohingya-Flüchtling in Delhi
03:03
Viele der Rohingya spielten eine Rolle bei den "mutmaßlichen finsteren Plänen" extremistischer Gruppen wie des pakistanischen Militärgeheimdienstes ISI und der Terrormiliz "Islamischer Staat", heißt es in einem Regierungsschreiben an den Obersten Gerichtshof in der Hauptstadt Neu Delhi.
Dort fand die Verhandlung über eine Klage zweier Flüchtlinge gegen die Pläne der Regierung statt, sämtliche Rohingya aus Indien abzuschieben. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 16.000 Rohingya in Indien als Flüchtlinge registriert und viele weitere nicht offiziell erfasst. Die Regierung spricht von 40.000 Rohingya, von denen viele bereits seit Jahren im Land leben.
In Myanmar drohen Unterdrückung und Gewalt
Der Prozess soll am 3. Oktober fortgesetzt werden. Die Kläger hatten argumentiert, die Abschiebung verstoße gegen den im Völkerrecht verankerten Grundsatz der Nichtzurückweisung. Demnach dürfen Staaten Asylsuchende nicht in ein Land zurückschicken, in denen ihnen Menschenrechtsverletzungen drohen. Die muslimischen Rohingya sind eine Minderheit in ihrem Heimatland Myanmar und werden dort verfolgt.
Dieser Grundsatz gelte nicht für Indien, hieß es von der Regierung, da das Land der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 nie beigetreten sei. Bei den Rohingya handele es sich um illegale Einwanderer. Manche von ihnen stellten eine ernste Bedrohung der nationalen Sicherheit dar.
Flucht nach Bangladesch
Weil sie in Myanmar mit zunehmender Gewalt konfrontiert sind, haben sich laut UN seit August mehr als 410.000 Rohingya ins Nachbarland Bangladesch geflüchtet. Viele von ihnen schlafen im Freien, da die Flüchtlingslager längst voll sind und es auch an Zelten mangelt. Angesichts aufziehender Stürme und Monsunregens spitzt sich die Versorgunslage in den Camps bedrohlich zu.
Rohingya: Flucht im Monsun
Über 400.000 Rohingyas sind seit Ende August vor den Angriffen des Militärs von Myanmar nach Bangladesch geflohen. Nun suchen heftige Regenfälle die Grenzregion heim und verwandeln überfüllte Camps in Schlammwüsten.
Bild: Reuters/C. McNaughton
Prekäre Lage in Flüchtlingscamps
Zu wenig Essen, zu wenig Zelte - und nun auch noch Starkregen. Hunderttausende Rohingya leben in improvisierten Unterkünften in Bangladesch. Sie sind aus dem Nachbarland Myanmar geflohen, wo das Militär die Volksgruppe bedroht.
Bild: Reuters/C. McNaughton
Starkregen verschärft Elend
Seit Sonntag verschärft auch noch der Monsun die angespannte Lage. In der Stadt Cox's Bazar, kurz hinter der Grenze zu Myanmar im Westen von Bangladesch, fielen im Schnitt fast acht Zentimeter in 24 Stunden. Schon vorher gab es zu wenig Zelte, nun stehen viele auch noch unter Wasser. Der Regen hat die überfüllten Camps unter Wasser gesetzt und in Schlammwüsten verwandelt.
Viele Geflüchtete haben keinen Ort, um sich vor dem Regen zu schützen. Die meisten schlafen in improvisierten Camps entlang der Hauptstraße, die aus Myanmar nach Bangladesch führt. Weitere heftige Regenfälle sind zu erwarten.
Bild: Reuters/M.P. Hossain
Mangel an Hilfsgütern, vor allem Essen
An der Hauptstraße kommen die Transporter von Hilfsorganisationen an, die Lebensmittel und andere begehrte Hilfsgüter verteilen. Internationale Hilfe ist bitter nötig. Die Region sei "nicht in der Lage, mit der großen Anzahl von Neuankommenden zurecht zu kommen", so ein Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.
Bild: Reuters/M.P. Hossain
Umsiedeln in zentrales Lager
Die Regierung Bangladeschs plant, die Rohingya in ein zentrales Lager umzusiedeln, um eine bessere Verteilung von Hilfsgütern zu ermöglichen. Kritiker meinen, so solle verhindert werden, dass sich die Flüchtlinge im Land verteilen. Am Samstag verbat die Polizei Geflüchteten, ihnen zugewiesene Zonen zu verlassen - so konnten manche nicht bei Familie oder Freunden Schutz vor dem Regen suchen.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
410.000 Flüchtlinge in dreieinhalb Wochen
Seit Ende August sind etwa 410.000 Menschen aus Myanmar nach Bangladesch geflohen. Bei früheren Konflikten kamen bereits 300.000 Rohingya ins Land. Aufgrund der Wetterverhältnisse habe sich der Ansturm leicht abgeschwächt, berichten Grenzwächter in Bangladesch.
Bild: Reuters/C. McNaughton
Fremd im eigenen Land
Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit aus dem buddhistisch geprägten Myanmar, die dort nicht als Staatsbürger anerkannt werden und massiver Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Regierung wirft ihnen vor, ursprünglich illegal aus Bangladesch eingewandert zu sein, auch wenn sie seit Generationen in Myanmar leben. Die UN sehen Myanmars Vorgehen gegen die Rohingya als ethnische Säuberungen an.
Bild: Reuters/M.P. Hossain
Eskalation Ende August
Auslöser der neuen Flüchtlingswelle ist die erneute Eskalation des Konflikts zwischen militanten Aktivisten und dem Militär. Am 25. August töteten Rohingya-Rebellen ein Dutzend Sicherheitskräfte der Regierung. Das Militär reagierte mit brutaler Gegengewalt. Hunderte Menschen wurden getötet, ihre Häuser niedergebrannt. Ein Ende der Gewalt scheint nicht absehbar.
Bild: AP
Sechs von zehn Geflüchteten sind Kinder
Laut dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF sind sechs von zehn der jüngst Geflüchteten Kinder, viele davon schwach und unterernährt. Aufgrund des wechselhaften, regnerischen Wetters haben viele die Grippe und sind anfällig für schwere Krankheiten. Bangladesch plant, innerhalb der nächsten Woche 150.000 Kinder gegen Masern, Röteln und Polio zu impfen, so ein Sprecher des Krankenhauses von Cox's Bazar.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
"Eine letzte Chance"
Die weltweite Kritik an Myanmars Vorgehen gegen die Rohingya richtet sich nicht nur gegen das Militär, sondern vor allem gegen Aung San Suu Kyi. Die Friedensnobelpreisträgerin und de facto Staatschefin hat bisher zu den Problemen geschwiegen. Am Dienstag will sie nun eine Rede dazu halten. "Sie hat eine letzte Chance [die Krise zu lösen]", sagte dazu UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Bild: picture-alliance/Zumapress/J. Laghari
10 Bilder1 | 10
Die Geflüchteten sind staatenlos, da Myanmar sie nicht als Bürger anerkennt. Sie erzählen, dass Soldaten und Selbstjustiz-Mobs ihre Dörfer niedergebrannt und wahllos Menschen erschossen hätten.
Menschenrechtler werfen Myanmar eine so genannte ethnische Säuberung vor. Die Organisation Human Rights Watch (HRW) appellierte an die UN, Sanktionen gegen die Armee Myanmars zu verhängen. "Der UN-Sicherheitsrat und betroffene Länder sollten gezielte Sanktionen und ein Waffenembargo gegen das myanmarische Militär verhängen und so dessen Kampagne der ethnischen Säuberung beenden", forderte HRW in einer Erklärung. Das Thema müsse bei der am Dienstag beginnenden Generaldebatte der UN-Vollversammlung zur Priorität gemacht werden, hieß es weiter.