Eric Rohmer tot
12. Januar 2010Rohmer liebte deutsche Kultur. Und die Deutschen liebten seine Filme. Als er 1972 seine Doktorarbeit über künstlerische Aspekte in Friedrich Wilhelm Murnaus berühmter "Faust"-Verfilmung vorlegte, da war Rohmer schon ein gestandener Filmemacher. Auch in Deutschland kannte man ihn, unter anderem als Mitinitiator der französischen Nouvelle Vague. Die 1980er Jahre in den Programmkinos in Berlin, München und Köln sollten "seine" Zeit werden. Seine "Nacht bei Maude" (1969) war sogar für den Oscar nominiert worden.
Hits in deutschen Programmkinos
In den 1980er Jahren war jeder neue Rohmer-Film ein unbedingtes Muss bei den Cineasten hierzulande. "Pauline am Strand" (1983), vor allem der wunderschöne Paris-Film "Vollmondnächte" (1984), später dann auch "Das grüne Leuchten" (1986) und "Der Freund meiner Freundin" (1987) - die so einfach dahingetupften Beziehungsdramen und -komödien begeisterten damals Studenten und Kinointeressierte, Frankophile und die Anhänger des europäischen Autorenkinos.
Es wurde immer viel geredet bei Rohmer, pausenlos lieferten sich die Darsteller Dialoge über Liebe und Eifersucht, über Träume und das Leben. Meist war es ein halbes Dutzend Charaktere, zwischen denen es hin und her ging. Einer war verliebt in eine andere, die aber begehrte wieder einen Dritten... Klassische Konflikte, keine großen Dramen - aufgelöst in Dialogen.
War es vielleicht gerade das, was die Deutschen damals einnahm für Rohmer, war es das viele Reden? Vielleicht war der Franzose gerade damit nah an deutschen Mentalitäten. Auch deutsche Regisseure waren ja nie dafür bekannt auf Sprache zu verzichten und ganz auf die visionäre Kraft des Bildes zu setzen. Rohmer-Filme hatten dann aber noch einen unschlagbaren Vorteil. Sie wussten bestens zu unterhalten und spielten in schöner französischer Kulisse, in Paris, in den mondänen Seebädern oder auch in der Provinz.
Reden und Schreiben fürs Kino
Das Reden über den Film, das lag Rohmer, der im Übrigen auch sehr gut Deutsch sprach. Vor allem aber das Schreiben. Wie seine schon ein wenig früher als Filmemacher erfolgreichen Kollegen Francois Truffaut, Jean-Luc Godard und Claude Chabrol, hatte auch Rohmer als Kritiker begonnen, bei der berühmten Zeitschrift "Cahiers du Cinéma". Ein Buch über Hitchcock schrieb er gemeinsam mit Chabrol, der deutsche Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau wurde schon früh zu einem seiner Fixsterne.
"Murnau ist der größte aller Filmemacher" schrieb Rohmer damals und später verwies er immer wieder darauf, wie viel ihm der Deutsche bedeutete: "'Der letzte Mann', dieser bewundernswürdige Film, der dennoch vehement angefeindet worden ist, 'Faust', 'Sunrise' und der 'fiktionale Dokumentarfilm Tabu', zeigen aufgrund des Gesamteindrucks der Einstellungen die reichste filmische Einbildungskraft, die möglich ist."
Kleist, Mozart und Beethoven
Eric Rohmer beschäftigte sich früh auch schon mit Heinrich von Kleist, verfilmte dessen Novelle "Die Marquise von O.", mit Edith Clever und Bruno Ganz in den Hauptrollen, in der Sprache des deutschen Dichters. Gedreht wurde damals 1976 im Mittelfränkischen. Drei Jahre später inszenierte der Regisseur in Nanterre "Das Käthchen von Heilbronn". Die Übersetzung ins Französische nahm er selbst noch einmal vor, das war nicht unumstritten.
Obwohl bei Rohmer mit zunehmendem Alter die Darsteller seiner Filme immer jünger wurden, war der Franzose ein klassischer Intellektueller. Sein ausnehmendes Interesse galt der Literatur, der Philosophie, auch der klassischen Musik - 1996 erschien sein Essay über Mozart und Beethoven. Das französische Kino hat mit Eric Rohmer einen großen Filmemacher verloren - und Deutschland einen Freund seiner Kultur.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Ramon Garcia-Ziemsen