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Rohstoff-Fund lässt EU hoffen

Mikhail Bushuev
22. Januar 2021

In Norwegen wurde ein gigantisches Vorkommen seltener Rohstoffe wie Phosphat, Vanadium und Titan entdeckt. Das soll die EU unabhängiger machen.

Bohrungsarbeiten in Norwegen | Firma Norge Mining | Start Bohrungen
Bohrarbeiten für Norge Mining - die Firma geht davon aus, dass die Förderung in fünf bis sechs Jahren beginntBild: Norge Mining

Der Schweizer Michael Wurmser war Banker, Investor und Strategie-Berater, bis er neue Geschäftspartner aus Norwegen kennenlernte. Ihr Angebot: fünf Lizenzen für ein lukratives Phosphatvorkommen in Norwegen zu kaufen, welches zuvor schon in den Blick norwegischer Universitäten und der Norwegischen Geologischen Behörde (NGU) gelangt war.

Was zunächst unspektakulär klingt, wurde zu einem der spannendsten Entdeckungen in Europa, rief die EU auf den Plan -  und auch China. Wurmsers Firma behauptet, das weltgrößte Vorkommen dieser Art entdeckt zu haben. Es geht geschätzt um mindestens 70-80 Milliarden Tonnen Erzgestein.

Phosphate, Vanadium und Titan

Wurmser und seine Partner gründeten 2018 in Großbritannien die Firma Norge Mining, vornehmlich mit Investorenkapital aus der Schweiz und Deutschland, und begannen mit der Entnahme von Bodenproben auf dem Gebiet Dalane im wenig besiedelten Südwesten Norwegens.

Auswertung der Rohstoffproben bei Norge Mining in Dalane, NorwegenBild: Norge Mining

Neben Phosphaten entdeckte man zwei weitere wichtige Mineralien: Vanadium und Titan. Vanadium ist derzeit ein heißer Kandidat für den Titel "Rohstoff der Zukunft": Schon heute wird etwa ein Zehntel des weltweit gewonnenen Vanadiums für die Herstellung von Hochleistungsbatterien verwendet.

Vanadium-Akkus sind den verbreiteten Lithium-Ionen-Akkus weit überlegen: Sie lassen sich schneller und zehnmal häufiger auf- und entladen, ohne an Leistung zu verlieren, und sind außerdem recyclingfähiger. Titan spielt eine wichtige Rolle in der Stahlindustrie, während Phosphate unentbehrlich sind für die Herstellung von Düngemitteln.

Mit elektromagnetischen Messungen, die aus einem Helikopter gemacht wurden, konnte 2019 eine 3D-Darstellung des gesamten Erzkörpers erstellt werden. Zunächst erwartete Norge Mining, dass die Rohstoffe nur bis zu einer Tiefe von 300-400 Metern lagern. Doch durch Probebohrungen und Laboruntersuchungen weiß man heute, dass die Mineralisierung des Erzgesteins durchgehend bis mindestens 2200 Meter Tiefe reicht. Die Firma hofft sogar, dass es 4500 Meter sein könnten.

Man habe anfangs nicht vermutet, dass das Vorkommen so "gigantische Ausmaße" haben würde, sagt Wurmser der DW. Mittlerweile besitzt Norge Mining nach eigenen Angaben 46 Lizenzen für die Erschließung eines Gebietes von rund 420 Quadratkilometern: etwa viermal die Fläche von Paris. Die Norwegische Geologische Behörde (NGU) schätzte den Wert des Vorkommens 2012 auf umgerechnet 30 Milliarden Euro - wobei sie damals noch annahm, es reiche nur 100 Meter tief.

Geologische Bohrungen in Norwegen zeigten große Reserven an seltenen RohstoffenBild: Norge Mining

Im Auftrag von Norge Mining hat die britische Beratungsfirma SRK nach geologischen Bohrungen Ende 2020 errechnet, dass es sich um etwa 70 bis 80 Milliarden Tonnen Phosphat-Erzgestein handelt. Es wären damit die weltweit größten Phosphatreserven, noch vor Marokko mit etwa 50 Milliarden Tonnen und China mit drei Milliarden, erklärt Norge Mining. Und das sei eine konservative Einschätzung, weil die Masse nur bis zu einer Tiefe von etwa 1500 Metern berechnet worden sei, sagt Wurmser.

Hinzu sollen noch rund 3,5 Milliarden Tonnen Erzgestein kommen, die ihrerseits 2,45 Millionen Tonnen Vanadium beinhalten. Angaben zu den Titanreserven macht Norge Mining noch nicht. Unabhängige Labore sollen nach Angaben der Firma eine überdurchschnittlich hohe Konzentration an wertvollen Rohstoffen im Erzgestein festgestellt haben.   

"Kritische Rohstoffe" für die EU

Das norwegische Megavorkommen hat auch das Interesse der EU geweckt: Phosphate, Vanadium und Titan stehen auf der Liste der "kritischen Rohstoffe", die die Europäische Kommission seit 2011 führt. Sie enthält rund 30 seltene Erden und andere Mineralien, die als wichtig für die europäische Wirtschafts- und Klimapolitik eingestuft werden, aber größtenteils importiert werden müssen. Meistens gibt es nur wenige oder risikobehaftete Importmöglichkeiten. So behält sich China im neuen Fünfjahresplan ausdrücklich das Recht vor, den Export seltener Rohstoffe wegen Eigenbedarfs zu beschränken.

Die drei erwähnten Rohstoffe bezieht die EU nach Schätzungen bisher zu mehr als 60 Prozent aus China, zu 20 Prozent aus Russland, und den Rest aus Kasachstan, Marokko und weiteren afrikanischen Ländern. Der Bedarf wird wohl zunehmen: allein bei Vanadium um 58 Prozent bis 2030. Das sind Schätzungen, die die DW auf Anfrage von der in Berlin ansässigen EU-Organisation EIT RawMaterials bekommen hat.

Norge Mining hat sich die Qualität der Rohstoffproben von unabhängigen Laboren bestätigen lassenBild: Norge Mining

Das Risiko von Lieferengpässen will die EU mit der "Europäischen Rohstoff-Allianz" (ERMA) reduzieren. Die Initiative wird von über 160 Firmen getragen, um die Lieferketten von Rohstoffen in der EU "möglichst widerstandsfähig" zu machen, heißt es in Brüssel. Auch Norge Mining unterstützt die EU-Initiative. 

Die Firma macht allerdings keine Angaben dazu, wie viel Vanadium, Titan und Phosphate künftige Minen an die EU liefern würden - dazu sei es zu früh. Noch laufen die Vorbereitungen zur Gewinnung der Rohstoffe. Die verschlingen laut Wurmser umgerechnet rund eine Million Euro pro Monat, vor allem für Bohrungen. Die eigentliche Förderung soll frühestens in fünf Jahren beginnen. Einen unmittelbaren Engpass an kritischen Rohstoffen sieht die EU bisher nicht. Allerdings fordert etwa der Wirtschaftsrat der deutschen Regierungspartei CDU, kritische Rohstoffe zu bevorraten.

Alternative zu Öl-Exporten

Die EU-Kommission bestätigte der DW auch Gespräche mit Behörden in Norwegen zu kritischen Rohstoffen. In Oslo plant man bereits für die Zeit nach der intensiven Ölförderung. Das Land will nicht abhängig sein von Öl und sucht nach Alternativen. Die Förderung seltener Rohstoffe könnte ein Pfeiler norwegischer Exporte werden.

In der Region freut man sich über die Entdeckung, erzählt Odd Stangeland, Bürgermeister der Gemeinde Eigersund, wo das Vorkommen liegt, der DW. Eigersund ist klein: etwa 25.000 Einwohner. Man hoffe aber vor allem auf eine nachhaltige Entwicklung, so Stangeland. Lokale Behörden und Norge Mining versichern, beim Abbau würden modernste Umweltstandards eingehalten. 

Auch in der Hauptstadt Oslo wird das Projekt für wichtig erachtet. Eine bestehende Autobahn soll so umgelegt werden, dass sie künftigen Minen aus dem Weg geht. Dass eine entsprechende Planänderung für die Autobahn E39 zwischen Kristiansand und Sandnestabase diskutiert wird, bestätigte der norwegische Transportminister Kunt Arild Hareide der DW, eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

Die zusätzlichen Kosten für einen Umweg schätzt das Ministerium auf umgerechnet 330 Millionen Euro. Angesichts der künftigen Erträge ein relativ kleiner Betrag, findet Michael Wurmser. Er nennt das Vorkommen in Dalane ein "Multi-Generationen-Projekt“ und sagt, man könne dort über 100 Jahre lang strategisch wichtige Mineralien fördern.

Michael Wurmser: Die EU soll zumindest bei Vanadium, Titan und Phosphaten unabhängig werdenBild: Norge Mining

Norge Mining betont zudem die Vorteile für europäische Abnehmer. Neben den Umweltstandards beim Abbau seien das vor allem die kurzen Transportwege. Ein vergleichbar sicheres und großes Vorkommen an Vanadium, Titan und Phosphaten, noch dazu in unmittelbarer Nähe zur EU, ist in Fachkreisen nicht bekannt.

"Alle zehn Tage ein Anruf aus China"

Michael Wurmser sagt, angefangen habe alles als ein Geschäft, doch mittlerweile sei es ein Politikum geworden: Nicht nur die EU beobachtet das Projekt genau, sondern auch China. Seine Firma werde regelmäßig von staatlichen chinesischen Unternehmen kontaktiert, erzählte der Gründer von Norge Mining.

"Alle zehn Tage gibt es einen Anruf aus China", sagt Wurmser. Er spüre den unausgesprochenen Wunsch der Chinesen, seine Firma am liebsten aufzukaufen. Doch das komme für ihn nicht in Frage: "Wir sehen sie nur als Abnehmer."

Als Partner betrachte man dagegen die EU. Man habe das gemeinsame Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 vor den Augen. Ohne grüne Technologien und langlebige Batterien, die mit kritischen Rohstoffen aus verantwortungsvollem Abbau hergestellt werden, könne man die Klimaziele nicht erreichen. Das norwegische Vorkommen könne dabei ein wichtiger Baustein sein.

 

Korrektur: Die Angaben zum geschätzten Vanadium-Vorkommen wurden korrigiert: Es sind 2,45 Millionen Tonnen Vanadium in 3,5 Milliarden Tonnen Erzgestein, nicht 4,5 Milliarden Tonnen Vanadium.

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