Phytomining: Mit Blumen wertvolle Metalle gewinnen
5. Dezember 2025
Im Norden Albaniens bringen Bauern auf einem Feld mit gelbblühenden Pflanzen ihre Ernte ein: Nickel. Das gelbe Steinkraut, das hier wächst, zählen zu den sogenannten hyperakkumulierenden, also "über-anreichernden" Arten. Sie können große Mengen Metalle aus dem Boden aufnehmen, darunter Nickel, Zink, Kupfer Gold und die sogenannten Seltene Erden.
Rund 700 dieser Pflanzenarten gibt es. Sie speichern die Metalle in ihren Trieben, Blättern oder ihrem Saft, um sich gegen Fressfeinde und Krankheitserreger zu schützen. Für die sind diese Metalle nämlich giftig, für die Pflanzen selbst dagegen harmlos.
Wie Pflanzen den Boden reinigen
Die "Superkräfte" dieser Pflanzen wurden erstmals in den 1980er-Jahren eingesetzt. Damals ging es darum, Böden zu reinigen, die durch Bergwerke oder das Einschmelzen und Weiterverarbeiten der abgebauten Metalle kontaminiert waren. Eine Pflanze wurde sogar eingesetzt kleine Mengen radioaktiven Cäsiums aus dem Boden rund um das Atomkraftwerk Tschernobyl zu entfernen. Dort gab es im April 1986 ein schweres Reaktorunglück, bei dem große Mengen Radioaktivität freigesetzt wurden.
Aber erst in den 1990er-Jahren fragte sich die Wissenschaft: Was wäre, wenn wir die von den Pflanzen gesammelten Rohstoffe nutzen würden? Sie nannten diese Idee "Phytomining" – zu Deutsch: Pflanzen-Bergbau.
30 Jahre später steht der Anbau von Blumen zum Abbau von Metallen kurz davor, zu einem Geschäftsmodell zu werden. Aber bietet er wirklich eine Alternative zum herkömmlichen industriellen Bergbau?
Wie funktioniert die Metall-Gewinnung mit Pflanzen?
Der Boden im albanischen Tropoje, auf dem das gelbe Steinkraut blüht, enthält zu viel Nickel, um dort Nahrungspflanzen anzubauen. Für eine konventionelle Mine wiederum reicht die Menge an Nickel nicht aus. Eine idealer Ort, um Phytomining zu betreiben, sagt Eric Matzner, Mitbegründer von Metalplant, dem Start-up-Unternehmen, dem das Feld gehört. "Unser Mindestziel liegt bei etwa einer Dritteltonne Nickel pro Hektar", sagte er.
Das gelbe Steinkraut nimmt das Metall auf und speichert es. Nach Ernte und Trocknung macht das Metall etwa zwei Prozent des Trockengewichts aus. Metalplant mahlt und verbrennt die Pflanzen. Dabei bleibt ein aschiges Konzentrat zurück – das "Bio-Erz". Die Pflanzenasche wird gewaschen und mit Schwefelsäure in eine Flüssigkeit umgewandelt. Diese wird gefiltert und zu Nickelsulfat kristallisiert, einem Rohstoff, der für den Einsatz in großen Batterien sehr gefragt ist, etwa für Elektroautos.
Giftige Abfälle und CO2-Emissionen im konventionellen Bergbau
"Die Umweltbelastung durch Phytomining ist gering", sagt Antony van der Ent. Der Forscher an der Universität Wageningen in den Niederlanden ist einer der weltweit gefragtesten Forscher auf dem Gebiet des Phytominings und Berater von Botanickel, einem weiteren Unternehmen in diesem Bereich.
Der konventionelle Metallbergbau geht in der Regel mit der Abholzung großer Landflächen einher. Ausserdem können giftige Abfälle und Rückstände entstehen, die in die Umwelt gelangen und Menschen und Tiere vergiften können.
Metallbergbau verschlingt zudem viel Energie und ist daher mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden. Mit zehn bis 59 Tonnen Emissionen pro Tonne Nickel ist der Nickelbergbau besonders klimaschädlich.
Pflanzen-Bergbau ist emissionsarm und gut für den Boden
Phytomining ist klimafreundlich. Zwar wird das CO2, das die "Metallpflanzen" bei ihrem Wachstum aus der Luft aufnehmen, beim Verbrennen der Ernte wieder an die Atmosphäre abgegeben. Doch im Vergleich mit dem konventionellen Nickel-Bergbau seien das "nahezu null Kohlenstoffemissionen für hochreines Nickel", so van der Ent.
Phytominig kann sich vor allem auf unfruchtbaren Flächen lohnen, die wegen der Metallbelastung des Bodens für die Landwirtschaft als ungeeignet sind. Durch den Anbau der Pflanzen wird "der Boden gereinigt. Danach könnten die Flächen für die Forstwirtschaft oder für Erholungszwecke genutzt werden", sagt Rupali Datta. Die Biochemikerin an der Michigan Tech University forscht intensiv über das Phytomining.
Bedarf an Batterien für E-Autos treibt die Nickel-Nachfrage an
Obwohl Pflanzen in der Lage sind, verschiedene Arten von Metallen aus dem Boden zu ziehen, wird Phytomining fast ausschließlich zur Nickelgewinnung angewendet. Das Metall ist in vielen Teilen der Welt reichlich im den oberen Bodenschichten vorhanden, beispielsweise in Indonesien, auf den Philippinen, in Brasilien, Südafrika oder den USA.
Laut der Internationalen Energieagentur wird die Nachfrage nach Nickel rapide steigen und sich bis 2050 wegen des weltweiten Bedarfs an Batterien für Elektrofahrzeuge voraussichtlich verdoppeln. Der Großteil des Angebots stammt bisher aus chinesischen Minen in Indonesien, wo die Nickel-Konzentrationen im Boden besonders hoch sind. In Ländern mit geringeren Nickelvorkommen könnte Phytomining als Alternative dienen und die Versorgung vor Ort sicherstellen.
Lohnt sich der Pflanzen-Bergbau?
Das Analyseunternehmen BloombergNEF schätzt, dass Nickel aus Phytomining im Einkauf vermutlich zu teuer wäre. Die Firma Metalplant gibt nicht bekannt, wie viel die Gewinnung des Metalls genau kostet, sagt jedoch, dass man sich am Preis anderer Nickelprodukte auf dem Markt orientieren wolle.
"Unser Ziel ist es, Preis-Parität zu erreichen. Wir nennen es einen grünen Vorteil oder eine grüne Dividende, wenn man ein besseres Produkt zum gleichen Preis erhält", so Eric Matzner von Metalplant. Um das Projekt rentabel zu machen, will das Start-up zudem Emissionszertifikate aus der Landwirtschaft verkaufen. Die bekommt es, weil die Pflanzen beim Wachsen CO2 binden.
Auf dem zehn Hektar großen Feld in Albanien hat die Firma nach eigenen Angaben jetzt in der dritten Saison mehr als drei Tonnen Nickel geerntet. Solche Mengen wollen auch andere Firmen in vergleichbarem Umfang erzielen. Doch dieser Ertrag ist gering, verglichen mit dem Abbau im konventionellen Bergbau vergleicht. Dort braucht es gerade mal eine halbe Stunde, um drei Tonnen Nickel zu fördern.
Kann Phytomining konventionelle Minen ersetzen?
Um die Jahresproduktion einer konventionellen Nickelmine zu erreichen, müsste ein Feld eine Größe von etwa 200.000 Hektar haben. Das entspricht dem 2,5-Fachen der Fläche von New York City. Um die derzeitige weltweite konventionelle Nickelproduktion vollständig zu ersetzen, wären 15 Millionen Hektar Felder erforderlich – eine Fläche von der Größe Tunesiens.
"Skaleneffekte spielen wirklich eine wichtige Rolle", betont Kwasi Ampofo, Metallmarktanalyst bei BloombergNEF. "Je größer es wird, desto billiger wird es. Aber beim Phytomining ist nicht die Kostenfrage das Problem, sondern die Verfügbarkeit von Land."
"Phytominig kann den konventionellen Bergbau definitiv nicht ersetzen. Es kann ein zusätzlicher Weg sein", meint Biochemikerin Datta. Denn es brächte Monokulturfelder in einer Größenordnung von Tausenden von Hektar – und auch das wäre nicht wirklich umweltfreundlich. "Wo immer man intensive Landwirtschaft betreibt, verwendet man Düngemittel, Pestizide, Wasser – all das gilt auch für Phytomining", so Datta.
Laut Forscher van der Ent lohnt sich der Pflanzen-Bergbau vor allem dort, wo sich Land nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln eignet. "Darin sehe ich das Potenzial", sagt er. Denn so könne die lokale Bevölkerung durch den Verkauf von Nickel Einnahmen generieren und gleichzeitig ihren Boden sanieren.
Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk