Die Rolle europäischer Söldner im Osten des Kongo
9. Dezember 2024Oberst Romuald hat 36 Jahre lang in der französischen Armee gedient. Der Fallschirmjäger war in Mali im Einsatz, im Senegal und in Togo, in Afghanistan und im Kosovo. Jetzt sitzt er im Krieg im Ostkongo - obwohl er zu Hause seine Rente genießen könnte.
Der Oberst a.D. leitet eine heikle Mission in Goma. Deswegen will Romuald nicht, dass sein Familienname veröffentlicht wird. Er ist Chef eines 20-köpfigen Teams der bulgarischen Sicherheitsfirma Agemira. Sie berät die kongolesische Armee, wie sie Krieg gegen die Miliz M23 führen soll, und wie sie Ordnung in die eigenen Reihen bringen könnte. Die Firma wartet zudem Flugzeuge und Drohnen, kümmert sich um den Nachschub für die Soldaten und fädelt Waffengeschäfte ein.
Vertraute Kameraden
Romuald setzt auf Vertraute. Die meisten seiner Angestellten sind pensionierte Kameraden der französischen Armee. Kinshasa verpflichtete Agemira vor zwei Jahren. Ein Jahr zuvor hatte die M23 erneut zu den Waffen gegriffen. Sie wird laut Experten der Vereinten Nationen vom Nachbarland Ruanda mit bis zu 4000 Soldaten und Waffen unterstützt. Die M23 besetzt große Teile der fruchtbaren und rohstoffreichen Provinz Nordkivu.
Neben Agemira heuerte die kongolesische Regierung auch die rumänische Militärfirma "Romanii care au activat in legiunea franceza" (RALF) mit 800 Kämpfern an. Viele von ihnen haben in der französischen Fremdenlegion gedient. Sie stammen aus Rumänien und Belarus. Die Soldaten von RALF bilden einen Verteidigungsring um Goma und den strategisch wichtigen Ort Sake. Sie nennen sich "Romeos".
Das Zuhause muss warten
Agemira und RALF verstehen sich als ein Team. "Wir kämpfen für eine edle Sache", gibt sich Oberst Romuald überzeugt. Für ihn ist der Fall klar: Ruanda besetze den Kongo völkerrechtswidrig, stehle dessen Rohstoffe - etwa aus der Coltan-Mine in Rubaya, rund 50 Kilometer westlich von Goma - und treibe Millionen Menschen in die Flucht. Die Rentner aus Europa wollen den Kongo aus dieser Lage befreien. "Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich erst zurückkomme, wenn die Geflüchteten nach Hause können", sagt Romuald.
Im Februar war er noch zuversichtlich. Bis Ende 2024 sei die Besatzung beendet, kündigte er damals an. Doch jetzt, kurz vor Jahresende, wird immer noch gekämpft, obwohl seit August offiziell eine Feuerpause herrscht. Auch diplomatische Verhandlungen zwischen dem Kongo und Ruanda bringen bisher keinen Frieden.
Romuald gibt zu, dass er zu optimistisch war. Er macht die technische Überlegenheit und die bessere Disziplin der ruandischen Armee dafür verantwortlich, dass das kongolesische Militär an Terrain verliert.
Die Disziplin fehlt allerdings auch an höchster Stelle. Vor einigen Monaten sind zahlreiche Kämpfer der RALF abgereist, weil die kongolesische Regierung ihren Lohn nicht rechtzeitig bezahlt hatte. Noch beim Umstieg am Flughafen in Addis Abeba haben sie sich darüber mokiert, dass im Kongo alles nur "pole pole" gehe. Das ist Kisuaheli und bedeutet "langsam". Das Problem sei inzwischen geregelt, sagt Romuald.
"Ein bisschen rassistisch"
Der Sold der Ausländer liegt laut dem Oberst je nach Rang bei 5000 bis 6000 US-Dollar pro Monat. "Das ist ein Vielfaches der paar Hundert Dollar, die kongolesische Soldaten verdienen", sagt Onesphore Sematumba. Der Kongolese ist Analyst beim Thinktank Crisis Group in Nairobi. Er hält die ungleiche Behandlung der in- und ausländischen Soldaten für "ein bisschen rassistisch".
Die ausländischen Offiziere würden im Hotel oder in Villen logieren und in neuen Fahrzeugen der Armee herumfahren, während die kongolesischen Soldaten zu Fuß gehen müssten, kritisiert er. So etwas schürt Eifersucht. Das räumt auch ein Agemira-Militär ein, während er in einem Restaurant am Kivusee den Abend genießt.
Sematumba hält den Söldnern zugute, dass sie Goma und Sake bisher verteidigen konnten. Aber den Vormarsch der M23 in der ländlichen Provinz könnten sie nicht stoppen. "Diese hoch bezahlten Leute machen nicht wirklich einen Unterschied", stellt der Analyst fest. Allerdings hätten sie es schwer, weil im Ostkongo ein Chaos an militärischen Akteuren herrsche, in dem jeder seine Berechtigung suche.
Damit spielt Sematumba darauf an, dass sich im Dauerkonflikt im Kongo neben der kongolesischen Armee und den Söldnern auch die UN-Friedenstruppe Monusco, Soldaten der südafrikanischen Staatengemeinschaft, Einheiten aus Burundi und militante Bürgerwehren tummeln. Auch Truppen der ostafrikanischen Staatengemeinschaft waren vorübergehend präsent.
Krieg aus Spaß
Oberst Romuald behauptet, dass die Europäer nicht wegen des Geldes im Kongo seien. "Es ist mein Beruf, und es ist Abenteuer", erklärt er. Mag sein, dass er das ernst meint. Frank Daumann ist Sportökonom an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Aus persönlichem Interesse erforscht er den Markt der privaten Sicherheitsfirmen. Manche Veteranen regulärer Armeen würden nach ihrer Pensionierung eine Anschlusstätigkeit suchen, sagt er. "Sie haben einfach Spaß an ihrem Job", so Daumann.
Oberst Romuald sieht sich vor allem als Berater. "Wir sind keine Söldner", sagt er. Die Agemira-Angestellten trügen nicht einmal Waffen. Die RALF-Militärs hätten zwar Waffen, würden aber nur defensiv kämpfen, wenn Goma oder Sake angegriffen werden.
Söldnertum ist in Europa strafbar. Die Geheimdienste in Frankreich und Rumänien würden die Militärs von Agemira und RALF manchmal befragen, wenn sie auf Heimaturlaub sind, erzählt Romuald. "Sobald wir uns wie Söldner benehmen, würden sie uns verhaften", sagt er.
Branche mit zweifelhaftem Ruf
Die Geschäftspraktiken vieler privater Sicherheitsfirmen sind intransparent. Human Rights Watch wirft Africa Corps (ehemals Wagner Group) aus Russland oder Academi (ehemals Blackwater) aus den USA Verbrechen vor. "Sie löschen ganze Dörfer aus", sagt auch Oberst Romuald. Es sei utopisch, diese Branche jemals transparent regeln zu können.
Menschenrechtler in Goma haben bisher keine Hinweise, dass Agemira oder RALF Verbrechen begehen oder Geschäfte mit Rohstoffen betreiben. "Der Kontext ist anders als bei Wagner", sagt Analyst Sematumba. Die Söldner im Kongo seien nicht an vorderster Front und auch nicht in den Minenregionen. "Sie haben keine Gelegenheit, Rebellen mit Zivilisten gleichzusetzen und diese zu töten", so Sematumba.
Selbst wenn es an der Front vor Goma brennt, kommen die Söldner manchmal kaum aus der Stadt heraus. Das alltägliche Verkehrschaos auf den schlecht instandgehaltenen Straßen und schwimmbadgroße Pfützen sind ihre ärgsten Feinde. Da bleibt ihnen nichts anderes übrig, als fluchend die Kapitulation im Stau hinzunehmen.