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Rollende Roboter sollen Privat-Pkw überflüssig machen

Matilda Jordanova-Duda
20. September 2025

In Deutschland wird dazu intensiv geforscht. Und es gibt Unternehmen, die Komponenten, sowie Teststrecken fürs autonome Fahren entwickeln. Ethische Richtlinien und ein Gesetz regeln den Einsatz der Roboter auf Rädern.

Zwei autonom fahrende Wagen stehen vor einer Propellermaschine auf dem Flughafen Paderborn
Das Pilotprojekt NeMo für autonomes Fahren am Flughafen PaderbornBild: Matilda Jordanova-Duda

Michael Spengler gibt die Route in sein Handy ein, drückt einen Knopf auf dem Bildschirm und legt die Hände in den Schoß. Gemächlich rollen wir mit sieben Stundenkilometern über das Gelände des Flughafens Paderborn zwischen Gebäuden und parkenden Fahrzeugen. "Es kann auch schneller. 20 bis 25 km/h sind auf jeden Fall drin", versichert Spengler.

Der Ingenieur von der Technischen Hochschule Augsburg ist nur sicherheitshalber vorne auf dem Fahrersitz, bereit, im Notfall einzugreifen. Der Kleinwagen navigiert selbstständig dank Kameras, Lasersensoren (LiDAR) und Radar sowie einem Hochleistungsrechner, der die Daten verarbeitet. Nach einer kurzen Runde bremst er am Ziel ab. Dort warten noch viele aufgeregte Menschen auf ihre erste Probefahrt mit einem autonomen Fahrzeug.

Eingeladen hat die Initiative NeMo (Neue Mobilität) Paderborn, ein Zusammenschluss von 75 Partnern aus Wissenschaft und Industrie. Es ist eines von mehreren Konsortien, die das autonome Fahren in Deutschland etablieren wollen. Die technischen und gesetzlichen Voraussetzungen sind geschaffen, doch eine große Dichte an privaten Pkw, eine starke Taxi-Lobby und ein gut entwickelter urbaner Öffentlicher Nahverkehr machen es neuen Formen der Mobilität schwer. Die meisten Projekte endeten nach dem Auslaufen der öffentlichen Finanzierung.

Ein energieeffizienter Schwarm

Es geht unter anderem langsam, weil es laut ADAC für deutsche Hersteller absolut unvorstellbar sei, mit einem unausgereiften System in Serie zu gehen. Grundsätzlich erlaubt ist das Level 4 an Autonomie: Der Mensch darf während der Fahrt arbeiten, Filme schauen oder schlafen. Allerdings nur auf vordefinierten Strecken oder bei einer Fernüberwachung durch eine technische Aufsicht.

Ein Tesla Robotaxi im Einsatz in Austin im US-Bundesstaat TexasBild: Joel Angel Juarez/REUTERS

Level-4-Fahrzeuge befördern in den USA und China bereits regelmäßig Fahrgäste. Hierzulande fahren nur vereinzelte Shuttles und Minibusse auf fest programmierten Strecken, etwa zwischen Busbahnhof und Altstadt in Monheim, zwischen Hauptbahnhof und der "Wiesn" (wo das Oktoberfest stattfindet, Anm. d. Red.) in München sowie auf einigen Hochschul- und Betriebsgeländen. Manche Autofahrer stören sich an deren allzu vorsichtiger Fahrweise, aber es gab noch keine ernsthaften Unfälle.

Ein Roboter auf Abruf (On-Demand) ist eher mit einem Taxi oder Uber als mit einem Linienbus vergleichbar. Die Paderborner haben ein besonderes Konzept: Ein Schwarm aus kleinen leichten autonomen Transportern bedient die erste und die letzte Meile. Vom Transport von Tür zu Tür könnten etwa ältere Menschen profitieren oder Jugendliche, die spät nachts von der Party kommen.

Für lange Strecken koppeln sich die Kleinwagen (Cabs) vollautomatisch zu einem Konvoi hinter eine ebenfalls autonome Zugmaschine (Pro wie Provider) und trennen sich kurz vor Zielort wieder. Der Schwarm kann bis zu drei Personen- und Gütertransporter kombinieren und organisiert sich selbständig. Ende August durften die kleinen "Cabs" zum ersten Mal auf dem Flughafengelände autonom losrollen. Das "Pro" ist noch in der Entwicklung. Ab 2026 sollen die ersten NeMobile im Zukunftsquartier Paderborn ausschwärmen.

Blick ins Innere eines autonomen Fahrzeugs beim Pilotprojekt NeMo in Paderborn Bild: Matilda Jordanova-Duda

NeMos Alleinstellungsmerkmal ist die Energieeffizienz. "Wir wissen aus Erfahrungen mit On-Demand-Verkehr, wie viele Personen im Schnitt in einem Ruf-Bus sitzen", sagt Projektleiter Prof. Thomas Tröster von der Uni Paderborn. Die Cabs bieten Platz für vier Personen oder für zwei mit Gepäck. Sie sind halb so schwer wie ein normales Auto, haben eine kleine Batterie und damit eine begrenzte Reichweite. "Also brauchen wir eine Zugmaschine, die die angekoppelten Kleinfahrzeuge während der Fahrt auflädt. Sie wird neben der Batterie eine Brennstoffzelle und einen Wasserstofftank haben." Im Windschatten der Zugmaschine verbrauchen die Cabs zudem weniger Strom.

Zum smarten Dorf gehört ein autonomes Auto

"Deswegen bauen wir keine bestehenden Marken für das autonome Fahren um, sondern entwickeln neue Fahrzeuge." Die autonomen Minis liefert das Münchener Startup INYO, die Pro kommen von HOLON, einer Ausgründung des Autozulieferers Benteler. Über die guten Kontakte zur Autoindustrie hofft man, die Produktion schnell hochfahren zu können.

Die Robo-Fahrten sollten aber auch günstiger als ein Taxi und nicht viel teurer als ein Linienbus sein. "Das hängt davon ab, ob die Passagiere Wartezeiten in Kauf nehmen wollen, Gepäck haben und akzeptieren, dass andere unterwegs zusteigen", so Tröster. Denkbar ist etwa, dass eine Frau für einen zusätzlichen Obolus das Fahrzeug nachts für sich alleine buchen will.

Autonomer VW ID Buzz AD von Moia in Hamburg Bild: Marcus Brandt/dpa

Einen "individualisiertern Öffentlichen Nahverkehr" nennt NeMo das Konzept, um vor allem Menschen auf dem Land zu bewegen, wo selten ein Bus kommt. Eine der Kommunen, die schon darauf brennen, ist Etteln. Das Dorf in der Nähe von Paderborn wurde 2024 vom internationalen Ingenieurverband IEEE als das smarteste der Welt gekürt. "Wir haben seit fünf Jahren ein E-Dorfauto, das man über Smartphone bucht", erzählt Ortsvorsteher Ulrich Ahle. "Das ist jeden Tag unterwegs". Ein Angebot für die Leute ohne Führerschein wäre der nächste logische Schritt. In einem Video kurvt das Cab vorbei an Fachwerkhäusern, Scheunen und Traktoren. Ahle: "Virtuell fährt es schon durch Etteln, weil wir ein komplettes 3D-Dorfmodell haben."

Vom Pilotprojekt zum Regelbetrieb

In Hamburg kommt derweil ein Pool aus rund 20 autonomen Fahrzeugen schneller in Fahrt. Im Auftrag der Hochbahn liefert das Paderborner HOLON barrierefreie Minibusse für zehn bis 15 Personen, während MOIA, eine Volkswagen-Tochter, selbstfahrende VW-E-Autos für bis zu vier Personen beisteuert. Sie werden ab Herbst zunächst mit Sicherheitsfahrer unterwegs sein. Feste Routen oder Fahrpläne sind nicht vorgesehen, unterwegs können Passagiere mit einem ähnlichen Ziel zusteigen. Ein IT-System optimiert die Fahrten. Die ersten registrierten Testnutzer dürfen die rollenden Roboter in einem vordefinierten, dicht besiedelten Gebiet von 37 Quadratkilometern zwischen Stadtpark und Elbe per App buchen. Die Hochbahn plant bereits Roboshuttles und -midibusse im Linienverkehr.

Durch die Nacht im selbstfahrenden Bus

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), in dem ÖPNV-Betriebe organisiert sind, sieht gute Chancen für die ersten Level- 4-Regelfahrten in den nächsten fünf Jahren. Die Fahrzeuge seien technisch ausgereift und rechtlich zulässig. Aber 48 Millionen Pkw mit Fahrer durch 48 Millionen fahrerlose zu ersetzen, würde die Verkehrs- und Flächenprobleme nicht lösen. Deswegen sollen die Roboter in den ÖPNV eingebunden werden, inklusive Aufsicht, Buchung und Nutzung mit dem Deutschlandticket.

Dafür sei eine Anschubfinanzierung von einer Milliarde Euro für das Leasing der Fahrzeuge, den Aufbau der Ladeinfrastruktur, für Forschung und Personal notwendig. Hinzu kämen weitere zwei Milliarden für die Integration in gemischte Flotten, den Ausbau von Betriebshöfen und die Modernisierung von Leitstellen. Statt zahlreiche Modellprojekte befristet zu fördern, sollte die Bundesregierung einen skalierten Markthochlauf starten, verlangt der Branchenverband. Damit Deutschland, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, zum Leitmarkt für das autonome Fahren wird.

 

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