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Politik

Übergriffe auf Roma steigen

Viktoria Prykhid | Dmytro Kaniewski apo
28. Juni 2018

Die Polizei kennt das Problem. Dennoch nimmt die Gewalt ultranationalistischer Gangs gegen Roma zu. Die Angriffe verdeutlichen das feindliche Klima gegenüber vielen gesellschaftlichen Minderheiten in der Ukraine.

Roma in Lemberg
Eine Roma-Zeltstadt bei LembergBild: DW/V. Prychid

Der 23. Juni schien ein normaler Arbeitstag zu sein. Nach dem Abendessen saßen in dem Roma-Zeltlager im Wald in der Nähe der ukrainischen Stadt Lwiw, dem ehemaligen Lemberg, noch einige Bewohner am Lagerfeuer zusammen. Andere hatten sich bereits zum Schlafen zurückgezogen.

Kurz vor Mitternacht schallten dann auf einmal aggressive Stimmen aus dem Dunkeln. Eine Gruppe maskierter und mit Messern bewaffneter Männer stürmte in das Zeltlager, schmiss mit Gegenständen um sich, schlitzte Zeltwände auf und schrie "Zigeuner raus". Die Attacke dauerte nur wenige Minuten. Ein 24-jähriger Mann wurde erstochen und erlag später seinen Verletzungen. Eine 30-jährige Frau, deren zehnjähriger Sohn sowie zwei 19-Jährige wurden schwer verletzt.

"Sie haben uns mit großen Messern angegriffen und geschrien, 'wir bringen Euch um'", berichtet der 19-Jährige, schwer verletzte Raj. Gemeinsam mit den anderen Opfern wurde er im Krankenhaus behandelt und danach vorübergehend in eine sichere Unterkunft gebracht. Sein älterer Bruder David kam bei dem Angriff ums Leben.

Seit der Attacke stehen die Bewohner des Zeltlagers unter Schock. "Die Leute haben große Angst, sie wollen mit niemandem sprechen, noch nicht einmal mit den Anwälten, die ihnen beistehen sollen", sagt Mykola Yurchenko, Chef der lokalen Nichtregierungsorganisation "Roma of Ukraine Ternipe".

Straftat Hassverbrechen

Offiziell gilt das Verbrechen als gemeinschaftlicher Mord, für das die Tatverdächtigen mit Haftstrafen von bis zu 15 Jahren rechnen müssen. Ihnen werden außerdem Rowdytum und Hassverbrechen zur Last gelegt. Letzteres wird in der Ukraine eher selten als Straftatbestand erhoben.

Der 19-jährige Raj wurde bei einem Angriff verletztBild: DW/V. Prychid

Bei den Tatverdächtigen soll es sich um Mitglieder einer radikalen Gang mit dem Namen "Sober and Angry Youth" handeln. In den digitalen Medien bekennt sich die Gruppe klar zu rechtsextremen Gesinnungen und Nazi-Symbolen und positioniert sich gegen Alkohol- und Drogenkonsum. Nach Angaben der ukrainischen Polizei sind bisher acht Tatverdächtige festgenommen worden. Sieben von ihnen sind Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren. Der achte, ein 20-jähriger Ukrainer, gilt als Anführer der Gruppe.

Hetze gegen Minderheiten

Rund 260.000 Roma leben nach Schätzungen des Europarats in der Ukraine. Viele von ihnen wandern seit Jahrzehnten im Sommer als Saisonarbeiter durchs Land und errichten während des Aufenthalts vorübergehend Zeltlager im Wald.  Die Bedrohungen haben nicht nur gegenüber den Roma, sondern gegenüber allen gesellschaftlichen Minderheiten im Land spürbar zugenommen. Allein in diesem Jahr haben Menschenrechtsgruppen zwei Dutzend gewaltsame Übergriffe und Einschüchterungen von Gangs registriert.

Der jüngste Vorfall in Lwiw ist der sechste Angriff auf Roma innerhalb von nur zwei Monaten und der Erste mit einem Todesopfer. Zu Beginn des Monats hatte die rechten Milizen "Nationale Brigaden" ein Roma-Lager in der Hauptstadt Kiew zerstört und die Bewohner in Todesangst versetzt. Ähnliche Vorfälle wurden in der Stadt Ternopil und in einem Dorf in der Nähe von Lwiw gemeldet.

Nach Angaben des ukrainischen Rechtsanwalts Dmytro Shvets, der die Opfer des jüngsten Angriffs in Lwiw auf die Roma verteidigt, hat die Anzahl der Hassverbrechen in der Ukraine generell zugenommen. Die ukrainische Polizei verhalte sich bei den Ermittlungen allerdings sehr zurückhaltend. Der Chef der ukrainischen Nationalpolizei, Serhiy Knyazev, bestätigt, dass die Angriffe auf die Roma-Gemeinden zunehmen. Die Polizei sei bereit, mehr Anstrengungen zu unternehmen, um der Lage gerecht zu werden.

Internationale Aufmerksamkeit

Mit der steigenden Anzahl der Übergriffe wächst auch die Kritik an den ukrainischen Behörden, gegenüber Hassverbrechen nicht länger die Augen zu verschließen. "Es ist sehr wichtig, dass Entscheidungsträger auf allen Ebenen, bis hinauf zu den höchsten politischen Autoritäten, auf diese Entwicklung reagieren", erklärte der Generalsekretär des Europarates.

"Die jüngste Gewaltattacke muss ein Weckruf für die ukrainische Polizei sein, endlich ernsthaft gegen Hassverbrechen vorzugehen", fordert die Organisation "Human Rights Watch". Die deutsche Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler erklärte in einer Stellungnahme, dass sie die "vollständige Aufklärung und Ahndung dieser schrecklichen Tat durch die ukrainischen Behörden und Gerichte" erwarte.

 

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