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Wofür steht die Deutsche Romantik?

Torsten Landsberg
16. September 2021

In Frankfurt am Main hat das Deutsche Romantik-Museum eröffnet. Was macht diese Epoche in Literatur, Kunst und Musik überhaupt aus?

Romantik-Museum in Frankfurt am Main
Das Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt am MainBild: Florian Gaul/dpa/picture alliance

Hält sich ein Mensch nicht damit zurück, seine Gefühle mitzuteilen, bezeichnen wir ihn häufig als romantisch. Gleichzeitig sprechen wir ausgerechnet dann von Romantik, wenn eine Idee eher veraltet ist, nicht mehr zeitgemäß, gar naiv oder unrealistisch.

Beide Bezüge haben ihren historischen Ursprung am Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Epoche der Romantik (1795-1848) folgte auf die Aufklärung, die Fortschritt, Wissen und Vernunft in den Vordergrund gestellt hatte.

Die Romantik war darauf ebenso eine Reaktion, wie auf eine Welt, die sich wissenschaftlich und technisch entwickelte: Im Zuge der Industrialisierung setzte eine Landflucht ein, die Städte wuchsen und die Romantiker setzten dieser Entwicklung die Idealisierung der Natur entgegen. Dem rationalen Korsett der Aufklärung begegnete die Romantik mit Fantasie.

Das Ich im Mittelpunkt

"Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder", schrieb der Philosoph Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, als Vertreter der Frühromantik besser bekannt als Novalis. Der Beseelung von Mensch und Natur hatte sich die Romantik ebenso verschrieben wie der Bewahrung von Mythen, die durch die Aufklärung an Bedeutung verloren hatten. Im Mittelpunkt stand dabei das Ich: Wie empfinde ich als Individuum? Die Romantik stellte Gefühle über die Ratio, den Verstand.

"Die Welt muss romantisiert werden": Novalis zählte zu den Vertretern der FrühromantikBild: picture-alliance/ZB

Vereinfacht ausgedrückt, war die Romantik eine Flucht vor den realen politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen. Ab 1795 breitete sich die Romantik von Deutschland in Europa aus, in England um 1800, in Frankreich erst nach 1820. 

Schwerpunkt der romantischen Anfangsjahre, die bis 1804 datiert werden, war Jena. Dort lebten zu jener Zeit auch Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, der an der Universität lehrte. Beide schlossen hier 1794 ihren Freundschaftsbund und hatten großen Einfluss auf die Akteure der Frühromantik.

Mit ihnen entstanden Gesprächsrunden, der Philosoph Johann Gottlieb Fichte freundete sich mit Schiller an. Fichte gilt heute als ein Vordenker der Romantik: "Das absolute Ich ist schlechthin, was es ist, und dies lässt sich nicht weiter erklären."

Das Unheimliche

Die Vertreter der Hochromantik (bis 1815) griffen die Ideen aus Jena auf, sammelten sich zu jener Zeit aber in Heidelberg, weshalb dieser Abschnitt auch als Heidelberger Romantik bezeichnet wird. Achim von Arnim und Clemens Brentano erstellten hier eine Sammlung von Volksliedern, auch Friedrich Hölderlin verbrachte einige Jahre in Heidelberg. Zum Kreis der Autoren zählten auch die Gebrüder Grimm.

Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte war mit Friedrich Schiller befreundet und diskutierte mit Johann Wolfgang von GoetheBild: Imago/Leemage

Diese Strömung der Romantik entdeckte das deutsche Volksgut, viele Arbeiten blieben in der Sprache schlicht. Im Mittelpunkt vieler Werke der Spätromantik (bis 1848), die ihren Schwerpunkt in Berlin hatte, standen das Unheimliche und das Dunkle.

Zu den Merkmalen der Spätromantik zählte auch die Hinwendung zur Religion. Wichtigste Vertreter waren E.T.A. Hoffmann, der Dichter Joseph von Eichendorff, Clemens Brentano oder Bettina von Arnim.

Hoffmann, dessen eigentliche Leidenschaft der Musik galt, griff bereits in seiner frühen Erzählung "Ritter Gluck" die Stilmittel der Romantik auf: Sein Ich-Erzähler trifft in einem Berliner Kaffee auf einen Fremden, der in mythologisch-mythischen Ausführungen das Wesen der musikalischen Inspiration schildert und plötzlich verschwindet.

Literatur

Die Literatur war die prägende Gattung der Romantik. Sie setzte - wie bei Hoffmanns "Ritter Gluck" - häufig auf das Mysteriöse als Stilmittel, um die Grenzen zwischen Realität und dem Traumhaften zu verwischen: Dunkelheit, Dämmerung oder Nebel symbolisierten Trugbilder und Halluzinationen, der Mondschein stand für die dunklen Seiten der menschlichen Seele.

Als literarisches Vorbild galt Johann Wolfgang von Goethes Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre" (1796), zu den wichtigsten Werken werden heute E. T. A. Hoffmanns "Lebensansichten des Katers Murr" und Novalis' "Heinrich von Ofterdingen" gezählt.

Der Roman war die prägende Ausdrucksform, wobei andere Literaturgattungen Einzug fanden, etwa in Form der Gedichteinlagen in Joseph von Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts".

Kunst

Auch in der Kunst drückten sich die Grenzwelten zwischen Realem und Traumhaftem aus, ebenfalls häufig dargestellt mit Nebel, Dämmerung oder auch einem Friedhof als Motiv. Sehnsüchte und Melancholie spiegelten sich wiederkehrend in einem Blick in die Ferne wider. 

Der Nebel als Stilmittel: Caspar David Friedrichs Gemälde "Wanderer über dem Nebelmeer"Bild: picture-alliance/dpa/M. Christians

Bekanntester Vertreter der Romantik war der Maler Caspar David Friedrich. Beispielhaft sowohl für sein Schaffen als auch die Epoche steht sein Bild "Der Wanderer über dem Nebelmeer", das einerseits die Natur darstellt, durch den Nebel zugleich aber etwas verbirgt - vielleicht die Gefühlswelt des Wanderers?

Häufig genutztes Motiv der romantischen Malerei war die Blaue Blume, die für Sehnsucht und Liebe stand. Zu den bekannten deutschen Malern zählten auch Philipp Otto Runge und Johann Wilhelm Schirmer. Insbesondere in der Kunst verbreitete sich die Romantik in Frankreich und England.

Musik

Eine musikalische Errungenschaft der Romantik war die Erweiterung von Orchestern, um Feinheiten auszubilden und das Publikum zu überwältigen. Es erfolgte eine Trennung von Unterhaltungs- und Ernster Musik, häufig wurde am Klavier improvisiert.

Ludwig van Beethoven zählt zu den Komponisten der FrühromantikBild: imago stock&people

Die Musik der Romantik löste sich von klassischen Normen und bezog damit eine Gegenposition zur Wiener Klassik um Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven, wobei letzterer noch zu den Komponisten der Frühromantik oder mindestens deren Wegbereitern gezählt wird. So fanden etwa Elemente der Volksmusik, also von Volksliedern, Einzug in die Musik.

Obwohl das Ende der Romantik auf 1848 datiert wird, waren ihre Einflüsse auf die Musik bis ans Ende des 19. Jahrhunderts deutlich. Zu den bekanntesten Vertretern zählen Carl Maria von Weber, Franz Schubert, Richard Wagner und Johannes Brahms.

Das Museum

Rund zehn Jahre arbeitete das Freie Deutsche Hochstift - gemeinnützige Forschungsinstitution und Träger des Goethe-Museumsan der Realisierung des Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt am Main. 

Das Museum basiert auf der Sammlung zur Literatur der deutschen Romantik, die das Hochstift in mehr als 100 Jahren zusammengetragen hat. Auf drei Stockwerken und einer Ausstellungsfläche von rund 1.200 Quadratmetern sind seit dem 14. September 2021 Manuskripte, Grafiken, Gemälde und Gebrauchsgegenstände zu sehen, darunter Handschriften von Clemens Brentano, Novalis und den Brüdern Schlegel sowie Joseph von Eichendorffs handschriftlicher Entwurf seines Gedichts "Wünschelrute".

Das Museum von innen: Friedrich Schlegel war außerstande, die Romantik in knappen Worten zu erklärenBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Aus der Kunst sind Caspar David Friedrichs Gemälde "Der Abendstern", Johann Heinrich Füsslis "Der Nachtmahr" sowie Bilder von Carl Gustav Carus und Grafiken von Philipp Otto Runge ausgestellt.

Das weltweit erste Museum, das sich der Epoche der deutschsprachigen Romantik widmet, ist neben dem Goethe-Haus entstanden, beide Häuser teilen sich nun das Foyer, auch inhaltlich gibt es Schnittmengen, etwa durch die Goethe-Galerie im Romantik-Museum.

Der Museumsbau wurde mit jeweils vier Millionen Euro durch Land und Bund gefördert, hinzu kamen rund neun Millionen Euro von mehr als 1.500 Spendern sowie das Grundstück und 1,8 Millionen Euro der Stadt Frankfurt.

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