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PolitikEuropa

Romeo Franz - ein deutscher Sinto im EU-Parlament

Gilda-Nancy Horvath
18. März 2022

Romeo Franz, EU-Abgeordneter der Grünen, ist zuständig für die Beziehungen zu Bosnien und Herzegowina sowie zu Kosovo. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine warnt er vor dem Einfluss Russlands auf dem Westbalkan.

Romeo Franz | Abgeordneter im Europäischen Parlament
Romeo Franz im Europäischen ParlamentBild: Philippe Buissin/Europäisches Parlament

Seit 2018 sitzt der deutsche Sinto Romeo Franz für die Grünen im EU-Parlament. Als Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu Bosnien und Herzegowina sowie zu Kosovo liegt ihm der Westbalkan besonders am Herzen.

Der Krieg in der Ukraine, sagt der Politiker, habe nicht vom Westbalkan abgelenkt. Im Gegenteil: Putins Russland habe ein großes Interesse an weiteren Konflikten, Unruhen und einer Schwächung Europas.Besonders Bosnien und Herzegowina biete dafür Potential: "Nach dem Angriff auf die Ukraine ist klar, dass Putin in Europa eine Sicherheitsordnung nach seinem Geschmack schaffen möchte. Er ist ein großer Unterstützer der Abspaltungspolitik der Serben unter Milorad Dodik."

Der Anführer der bosnischen Serben hatte wiederholt damit gedroht, den von Serben dominierten Teil Bosnien-Herzegowinas aus dem Zentralstaat zu lösen. Für seine Pläne hat Dodik die offene Unterstützung Russlands.

Aus der Bürgerrechtsarbeit in die Politik

Romeo Franz kann im Umgang mit solchen komplexen politischen Themen auf seine langjährige Erfahrung aus der Bürgerrechtsarbeit zurückgreifen. Die europäische und internationale Perspektive habe seine Sicht auf viele Themen noch erweitert, sagt der Politiker. Ganz besonders gerne erinnert er sich an einen Besuch in Washington, wo er eine Rede vor schwarzen Studierenden hielt. Im Austausch mit ihnen wurde ihm klar, dass diskriminierte Gruppen durch ähnliche Rassismus-Erfahrungen miteinander verbunden sind: "Es braucht eine Allianz der Diskriminierten. Dies bedeutet nicht, die spezifischen Formen von Rassismus und Benachteiligung zu vergessen - im Gegenteil, es bedeutet, mit Hilfe des gebündelten, vorhandenen Wissens verschiedener Gruppen die systemischen Muster dahinter sichtbar zu machen."

Noch vor wenigen Jahren hatte Romeo Franz mit seiner Entscheidung, in die Politik zu gehen, viele überrascht. Er selbst sagt, er habe dies bereits vor längerer Zeit in Erwägung gezogen - doch das Leben hatte damals noch andere Aufgaben für ihn parat: 2012 gründete er die Hildegard-Lagrenne-Stiftung,  die sich gegen Antiziganismus im Bildungsbereich einsetzt. Als Argumentationstrainer dekonstruierte er rechte Stammtischparolen an Schulen und Bildungseinrichtungen.

Auch als Musiker hat Romeo Franz Spuren hinterlassen: Sein Violinenstück "Mare Manuschenge" (Für unsere Menschen) ist der hörbare Teil des Berliner Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas. Eine riesige Ehre sei das für ihn gewesen, erzählt er, und auch eine große Verantwortung. Er wollte, dass die Prägung durch die musikalische Tradition der Sinti- und Roma schon ab dem ersten Ton erkennbar ist.

Das Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas Bild: imago/A. Hettrich

Der Erhalt von Kunst und Kultur der Sinti und Roma ist Romeo Franz auch heute als Politiker ein wichtiges Anliegen. Um den Schutz dieser Kulturgüter auch in Zukunft zu gewährleisten, brauche es mehr junge Menschen aus der Community in der Politik: "Ich möchte, dass unsere jungen Menschen wissen, dass die politische Arbeit direkten Einfluss auf unser tägliches Leben hat und darauf, welche Werte wir gemeinsam als wichtig und richtig definieren. In der Politik können wir die gleichberechtigte Partizipation nicht nur fordern, sondern auch tatsächlich selbst Verantwortung dafür übernehmen."

Kampf gegen Vorurteile

Der Europa-Abgeordnete lacht heute über die anfangs noch erstaunten Blicke seiner Kolleginnen und Kollegen, als er zum ersten Mal mit seinem Wohnmobil vor dem EU-Parlament ankam. Manche fragten ihn sogar, ob er damit nicht Klischees reproduzieren würde, doch dies verneint er lächelnd: "Es gibt für mich keinen Grund, meine Kultur zu verleugnen. Dies wäre eine Kapitulation vor der Meinung anderer, und das kommt für mich nicht in Frage."

Romeo Franz: "Es gibt für mich keinen Grund, meine Kultur zu verleugnen."Bild: Philippe Buissin/Europäisches Parlament

Auch im Rahmen seiner Mitarbeit an der europäischen Strategie zur Inklusion und Partizipation der Roma in Europa stellt Romeo Franz den Kampf gegen Vorurteile in den Mittelpunkt. Er fordert eine juristische Basis für die gleichberechtigte Teilhabe der europäischen Roma-Communities: "Es wird keine Fortschritte geben, solange die Vorgaben der EU auf Freiwilligkeit beruhen. Wir wollen etwas Handfestes, denn nur was in ein Gesetz gegossen wird, hat im wahren Leben auch Gewicht."

Doch wenn es um Gesetze gehe, gebe sich die EU-Kommission eher zaghaft, kritisiert der EU-Parlamentarier. Einerseits sei die Einbeziehung der Communities in einen solchen Prozess kompliziert, andererseits könnten solche Ansätze den Unmut rechter und konservativer Kräfte schüren.

Der Einfluss europäischer Roma-Politik wird aktuell auch in Deutschland sichtbarer. Mit Mehmet Daimagüler wurde gerade der erste bundesweite Antiziganismus-Beauftragte ernannt. Diese neue Funktion auf nationaler Ebene sei wichtig, um die umfangreichen Vorhaben der Bundesregierung im Rahmen der Strategie zur Inklusion und Teilhabe der Roma und Sinti effektiv umzusetzen, erklärt Romeo Franz: "Es ist die traurige Wahrheit, dass Antiziganismus trotz des schweren Erbes des Völkermords an Sinti und Roma immer noch Teil der Alltagskultur in Deutschland ist. Mehmet Daimagüler bringt die notwendige Expertise und politische Erfahrung mit, um diesem Thema mehr Sichtbarkeit zu verschaffen."

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