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Politik

Rosa Luxemburg: Lichtgestalt und Reizfigur

13. Januar 2019

Sozialdemokratin, Spartakistin, Kommunistin, Revolutionärin - die 1919 ermordete Politikerin Rosa Luxemburg war und ist ebenso umstritten wie bewundert. Das gilt auch für ihren Weggefährten Karl Liebknecht.

Rosa Luxemburg
Bild: picture-alliance/Isadora/Leemage

Deutschland vor 100 Jahren: Der Erste Weltkrieg ist gerade zu Ende gegangen, der Kaiser ist geflohen, aber von Frieden kann keine Rede sein. Zwar hat der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November 1918 in Berlin die Republik ausgerufen, aber die von Soldaten ausgelöste und Arbeitern unterstützte Revolution geht weiter. Und es sterben weiter Menschen - weil Deutsche auf Deutsche schießen, im Kampf um die Regierungsform, die sie für die jeweils richtige halten. Im Januar 1919 spitzen sich die Ereignisse zu. Sie werden als Spartakusaufstand in die Geschichte eingehen, weil unter anderem der marxistische Spartakusbund daran beteiligt war.

Massendemonstrationen sind an der Tagesordnung. Die provisorische Regierung ist eine Koalition der Sozialdemokraten (SPD) mit den radikaleren Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), geführt vom SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert. Sie gerät jetzt massiv unter den Druck der Straße. Die zum Jahreswechsel gegründete Kommunistische Partei Deutschland (KPD) verstärkt diesen Druck noch. Ihre Protagonisten sind zwei ehemalige SPD-Politiker: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.

Karl Liebknecht: Wegen seiner Antikriegshaltung 1916 aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen Bild: picture-alliance/dpa

Der unerfüllte Traum vom demokratischen Sozialismus

Wegen ihrer kompromisslosen Antikriegshaltung waren sie in ihrer einstigen Partei früh isoliert, nachdem die SPD 1914 für die Kriegsanleihen gestimmt hatte, um den Ersten Weltkrieg zu finanzieren. Luxemburg und Liebknecht schlossen sich der USPD an. Im Revolutionswinter 1918/19 scheint sich für kurze Zeit ihr Traum von einer sozialistischen Räterepublik zu erfüllen. Vorbild ist Russland, wo die Revolution schon 1917 erfolgreich war - allerdings schnell in eine Diktatur der Partei mündete. Rosa Luxemburg lehnt das ab. Demokratie und Sozialismus hätten für Luxemburg "untrennbar" zusammengehört, sagt der Hamburger Historiker Marcel Bois im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Karl Liebknecht auf einer der vielen Massendemonstrationen im Revolutionswinter 1918/19Bild: Getty Images/Boury/Three Lions/Hulton Archive

Nicht nur die Politik habe demokratisch gestaltet werden sollen, sondern auch die Wirtschaft. Deshalb habe sie die Rätebewegung unterstützt, einen Putsch aber abgelehnt. Diese Haltung findet sich ursprünglich auch im KPD-Programm: Man werde nie anders die Regierungsgewalt übernehmen, "als durch den klaren, unzweideutigen Willen der großen Mehrheit der proletarischen Masse in Deutschland".

"Karl, ist das noch unser Programm?"

Welche Rolle spielten die beiden prominentesten deutschen Kommunisten beim Spartakusaufstand im Januar 1919 spielen, ist bis in die Gegenwart auch unter Historikern umstritten. Marcel Bois teilt die Einschätzung, den Anstoß hätten vor allem revolutionäre Kräfte innerhalb der Industriebetriebe gegeben und Liebknecht habe sich dann "von der Stimmung hinreißen lassen". Ziel sei es gewesen, die Regierung zu stürzen. Hingegen soll Luxemburg ihren Weggefährten gefragt haben: "Karl, ist das noch unser Programm?"

Diese überlieferte Episode lässt erahnen, wie sehr Luxemburg und Liebknecht um den vermeintlich richtigen Kurs ringen. Mit ihrem gewaltsamen Tod tritt die Zerrissenheit der Linken insgesamt in eine neue Phase.

Rosa Luxemburgs Leiche wird erst vier Monate nach ihrer Ermordung gefunden, die Beisetzung findet im Juni 1919 stattBild: picture-alliance/akg-images

Am 15. Januar werden die beiden auf bestialische Weise ermordet. Rechtsgerichtete Freikorps-Soldaten unter dem Befehl der regierenden SPD erschießen Liebknecht - nach offizieller Darstellung "auf der Flucht". Luxemburg wird ebenfalls erschossen und die Leiche in den Berliner Landwehrkanal geworfen.

"Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden"

Zu ihrem Gedenken organisieren Sozialisten und Kommunisten alljährlich eine stille Demonstration. Meistens am zweiten Sonntag im Januar pilgern tausende Menschen zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde. Zu Zeiten der deutschen Teilung ist es in der DDR ein vom kommunistischen Regime angeordnetes Ritual - ein widersprüchliches. Denn die Machthaber gedenken einer Frau und eines Mannes, die eine Parteidiktatur abgelehnt haben. Nichts anderes aber ist die DDR mit ihrer allmächtigen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vom ersten Tag an.

Beim Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1988 mischen sich DDR-Regimekritiker unters VolkBild: picture-alliance/dpa

Kommunismus-Experte Marcel Bois erinnert daran, dass sich Dissidenten in der Spätphase der DDR auf Liebknecht und Luxemburg berufen. Ein Jahr vor dem Mauerfall 1989 fordern sie auf der traditionellen Gedenkveranstaltung die Staatsmacht heraus. Auf Transparenten verlangen sie einen durchgreifenden gesellschaftlichen Wandel, indem sie Rosa Luxemburg zitieren. Darunter ist ihr wohl berühmtester Satz im Zusammenhang mit ihrer Kritik an der russischen Revolution: "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." 

Luxemburg-Stiftung: "Ein kleines Stück Wiedergutmachung"

Heute wird das geistige Erbe der gleichermaßen populären wie umstrittenen Politikerin vor allem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gepflegt. Deren Vorsitzende Dagmar Enkelmann betrachtet es als ein "kleines Stück Wiedergutmachung", dass die der Links-Partei nahestehende Bildungseinrichtung nach der ermordeten Revolutionärin benannt ist. Zu DDR-Zeiten habe Luxemburg "auf einem Sockel" gestanden, bedauert Enkelmann im DW-Interview. Um ihre theoretischen Gedanken, nachzulesen in Zeitungsartikeln und Briefen, habe man sich damals viel zu wenig gekümmert.

Dagmar Enkelmann über Rosa Luxemburg in der DDR und ihre Bedeutung heute

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Mit Blick auf die Europa-Wahlen im Mai dieses Jahres fühlt sich Enkelmann mal wieder an die anscheinend ewige Zerrissenheit der Linken erinnert. Noch ist unklar, ob es eine gemeinsame Fraktion geben wird. Die Rechten seien sich da sehr schnell einig, sagt die frühere Bundestagsabgeordnete der Linken. Hingegen sei es eine Erfahrung aus 200 Jahren, "dass die Linke immer sehr schnell die Barrikaden aufbaut zwischen sich" und viel zu wenig daran arbeite, "was uns eigentlich eint". Diese Erfahrung machte auch Rosa Luxemburg - und bezahlte dafür mit ihrem Leben.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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