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Rotes Meer: Angriffe behindern Handel

Nik Martin
3. Januar 2024

Viele Handelsrouten führen durch das Rote Meer und den Suez-Kanal. Dort haben jemenitische, vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen mehrfach Schiffe angegriffen. Sind internationale Lieferketten nun erneut bedroht?

Containerfrachter Al Jasrah der Reederei Hapeg-Lloyd im Hamburger Hafen
Das Schiff Al Jasrah (Bild im Hamburger Hafen) der Reederei Hapeg-Lloyd wurde im Dezember von Drohnen der jemenitischen vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen angegriffenBild: Axel Heimken/picture alliance/dpa

Mehrere Reedereien meiden inzwischen die Fahrt durch die Meerenge bei Jemen, weil die dem Iran nahestehenden jemenitischen Huthi-Rebellen in den vergangenen Wochen immer wieder Schiffe angegriffen haben, die auf dem Weg durch die Meerenge Bab al-Mandeb unterwegs waren. Durch diese schmale Passage müssen alle Schiffe hindurch, die auf dem Weg zum Suez-Kanal sind. Sie trennt die arabische Halbinsel von Afrika und verbindet das Rote Meer mit dem Golf von Aden - und somit dem Indischen Ozean. Im Fokus der Huthi-Angriffe sind dabei Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung.

Als Reaktion hatten die USA wenige Tage vor Weihnachten die internationale Militärkoalition OPG (Operation Prosperity Guardian, übersetzt: Operation Wächter des Wohlstands) zur Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer gebildet. Am Samstag (30.12.20023) versenkte die US-Marine mehrere Boote von Huthi-Rebellen, die das dänische Containerschiff "Maersk Hangzhou" angegriffen hatten. Die Großreederei Maersk setzte daraufhin alle Fahrten über das Rote Meer bis auf weiteres aus.

Fahren die Schiffe nicht durch den Suez-Kanal, müssen sie auf dem Weg vom Fernen Osten nach Europa einen Umweg um den gesamten afrikanischen Kontinent machen. Dadurch verlängert sich die Fahrt um mehr als eine Woche und etwa 3.500 Seemeilen (6.482 Kilometer).

Der Suezkanal, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet, ist die kürzeste Verbindung zwischen Europa und Asien. Normalerweise werden etwa 12 Prozent des weltweiten Schiffsverkehrs über diese Wasserstraße abgewickelt.

Kosten für Reedereien explodieren

Nach Ansicht von Branchenanalysten haben die Angriffe der Huthi-Rebellen bereits die Kosten für den Transport von Waren erheblich verteuert. Sollte sich die Krise über einen längeren Zeitraum hinziehen, könnten auch die Preise, die die Verbraucher für importierte Waren zahlen müssen, steigen.

"Nehmen wir eine Hin- und Rückfahrt von Shanghai nach Rotterdam, so kommen bei der Umleitung über das Kap der Guten Hoffnung Treibstoffkosten in Höhe von einer Million Dollar hinzu", sagte Peter Sand, Chefanalyst des Kopenhagener Marktanalyseunternehmens Xeneta, der DW. "Das allein erhöht die Kosten schon enorm".

Zudem seien die Versicherungsprämien in Reaktion auf die Anschläge in die Höhe geschnellt. Außerdem müssen Containerschifffahrtslinien, die teils wöchentlich zwischen Asien und Europa verkehren, aufgrund der längeren Fahrtzeit etwa drei Schiffe zusätzlich einsetzen und deren Kosten einkalkulieren, um ein ähnliches Serviceniveau zu gewährleisten wie bisher, so Sand weiter.

Am Mittwoch (3.1.2024) verkündete die französische Reederei CMA CGM ihre Frachtraten für den Containertransport von Asien in den Mittelmeerraum um 100 Prozent anzuheben. Die Preise ins östliche Mittelmeer, in die Adria, das Schwarze Meer und nach Syrien wurden ebenfalls drastisch
angehoben.  

Mitte Dezember kündigten fünf der sechs größten Schifffahrtsunternehmen der Welt an, keine Schiffe mehr durch das Rote Meer zu schicken: Die dänische Maersk, die deutsche Hapag-Lloyd, die französische CMA-CGM, die italienisch-schweizerische MSC und die taiwanische Evergreen.Bild: Karim Sahib/AFP

Öltransporte betroffen

Ungefähr neun Prozent aller Schiffe, die Öl und Gas transportieren, befahren das Rote Meer. Auch Öltanker wurden bereits zum Angriffsziel der Huthi-Rebellen. Zu den Konzernen, die diese Route meiden, gehört seit dem 18. Dezember der britische Ölkonzern BP.

"Wir sehen, dass Energietransporte hier und jetzt beeinträchtigt werden - ob Öl, Kohle oder Gas - einfach aufgrund des Winters in der nördlichen Hemisphäre", so Analyst Sand. Dies könnte einen Dominoeffekt auf die Energiepreise haben.

Anderer Meinung ist Ehsan Khoman, Chefanalyst für Rohstoffmärkte bei der japanischen Großbank MUFG. Er glaubt, die Angriffe der Huthi-Rebellen hätten keine nachhaltigen Effekte auf die Energiepreise, sagte er dem Handelsblatt. Die Umleitung von Schiffen störe Lieferketten, aber nicht die Produktion. 

Am 19. November 2023 kaperten Huthi-Rebellen den Frachter "Galaxy Leader" (Foto von 2018) und nahmen dessen Besatzung gefangenBild: Owen Foley/REUTERS

Containerhäfen vor großen Herausforderungen

Die Verspätungen im Schiffsverkehr würden sich auch auf Containerhäfen in ganz Europa auswirken, die normalerweise sehr effizient bei der Abfertigung großer Mengen von Containern sind, sagt Lars Jensen, CEO von Vespucci Maritime, ein in Dänemark ansässiges Beratungsunternehmen für die Schifffahrtsbranche, gegenüber DW

"Nehmen wir an, ich habe einen Hafen, der 50.000 Container pro Woche umschlägt. Wenn nun eine Woche lang nichts ankommt und in der darauffolgenden Woche hunderttausend Container abgefertigt werden müssen, kann das zu Überlastungsproblemen führen", so Jensen.

Die Krise im Roten Meer lässt Erinnerungen an den März 2021 hochkommen. Damals war der Suezkanal sechs Tage lang blockiert, nachdem das Containerschiff Ever Given auf Grund gelaufen war. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Welt gerade in der Phase der Abriegelung durch die COVID-19-Pandemie, und die Lieferketten des Welthandels waren bereits empfindlich gestört.

Hunderte von Schiffen saßen wochenlang im Roten Meer fest, und die Kosten für die Verschiffung eines Containers stiegen von 2.000 Dollar (etwa 1.800 Euro) auf 14.000 Dollar (über 12.000 Euro). Die Ever Given-Krise führte monatelang zu zusätzlichen Verzögerungen bei der Einfuhr von Waren aus Asien.

USA und Verbündete verstärken Seesicherheit

Im Rahmen der multinationalen Operation zum Schutz des Seehandels im Roten Meer führen Großbritannien, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, die Seychellen und Spanien gemeinsame Patrouillen im südlichen Roten Meer und im Golf von Aden durch.

Washington hat den Flugzeugträger USS Dwight D. Eisenhower aus dem Persischen Golf in den Golf von Aden vor der Küsten des Jemen verlegtBild: U.S. Navy/abaca/picture alliance

Auch wenn US-amerikanische und britische Kriegsschiffe in diesem Gebiet begonnen haben, Raketen und Drohnen der Huthi abzuschießen und der Angriff auf die "Maersk Hangzhou" abgewendet wurde, ist es unklar, ob die Anwesenheit einer größeren Seestreitkraft ausreicht, um die Angriffe ganz zu stoppen. 

Die Huthis, die weite Teile des Jemen kontrollieren, sehen sich als Teil der gegen Israel gerichteten selbsternannten "Achse des Widerstands". Dazu gehört neben der radikalislamischen Hamas auch die schiitisch-islamistische Hisbollah-Miliz im Libanon, die ebenfalls vom Iran unterstützt wird.
 

Der Beitrag wurde von Insa Wrede aus dem Englischen adaptiert und aktualisiert.

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