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Politik

"Gruevski hat jeglichen Kredit verspielt"

3. Mai 2017

Die Zukunft Mazedoniens liegt in den Händen der Bürger. Die EU unterstützt diejenigen, die das Land hin zu mehr Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung vorantreiben, sagt Michael Roth im DW-Interview.

Mazedonien Skopje Parlamentssturm
Anhänger der national-konservativen Partei VMRO haben das Parlament in Skopje gestürmtBild: picture-alliance/abaca/B. Ademi

Deutsche Welle: Fünf Monate nach der Wahl ist Mazedonien immer noch ohne Regierung und ohne ein funktionierendes Parlament. Vor wenigen Tagen haben die Anhänger der national-konservativen Partei VMRO das Parlament in Skopje gestürmt und das Land an den Rande eines Bürgerkrieges gebracht. Wer ist verantwortlich für diese Eskalation und für die monatelange Blockade?

Michael Roth: Wir erleben in der ehemaligen jugoslawischen Republik (ejR) Mazedonien derzeit ein Trauerspiel. Ich bin fassungslos und entsetzt darüber, wie mazedonische Politikerinnen und Politiker um Ex-Ministerpräsident Nikola Gruevski Tag für Tag Glaubwürdigkeit verspielen. Die Rechnung dafür müssen am Ende die mazedonischen Bürgerinnen und Bürger zahlen. Die Wahl liegen nun Monate zurück. Wir erwarten, dass nach der Wahl des Parlamentspräsidenten nun endlich auch eine Regierung gebildet wird.

Niemand darf sich den demokratischen Regeln entziehen. Das gilt vor allem für die ehemalige Regierungspartei VMRO-DPMNE. Wir beobachten ein zynisches Machtspiel, das auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger der ejR Mazedonien ausgetragen wird. Das ist absolut inakzeptabel, und ich ermahne alle Verantwortlichen, jetzt endlich Mindeststandards von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu achten und zu respektieren.

Michael Roth ist Mitglied des deutschen Bundestags und Staatsminister für Europa im Auswärtigen AmtBild: Reuters/O. Oral

Der mazedonischer Präsident Gjorge Ivanov hat gestern von seinen früheren Aussagen abgerückt und direkt nach mehr US-Beteiligung an der Krise gefragt. Sehen Sie diese Entwicklung als Wendepunkt in der Krise und erwarten Sie die von der Führung von VMRO-DPMNE, dass sie nun die Bildung einer neuen Regierung ermöglicht? 

Erst einmal bin ich den Vereinigten Staaten von Amerika dankbar, dass sie die Europäische Union und die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, klare Signale für Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu setzen. Es ist bedauerlich, dass es dieser Signale aus den USA und aus der EU bedarf, weil es offenkundig Politikerinnen und Politikern an Bereitschaft und Willen mangelt, sich an demokratische Spielregeln zu halten.

Die ehemalige Regierungspartei VMRO-DPMNE hat keine Mehrheit im Parlament. Dort gibt es eine Mehrheit für einen anderen Kandidaten. Jetzt muss endlich eine Regierungsbildung möglich gemacht werden. Staatspräsident Ivanov muss seiner verfassungsgemäßen Verantwortung endlich gerecht werden. Das zynische Machtspiel läuft den Interessen der Bürgerinnen und Bürger zuwider. Herr Gruevski hat jeglichen Kredit verspielt.

Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien war einmal ein Vorbild, wenn es um die Annäherung an die EU geht. Davon entfernt sie sich Tag für Tag, es wird über Jahre mühsam erarbeitetes Vertrauen verspielt. Damit wird auch den EU-Beitrittsverhandlungen schwerer Schaden zugefügt.

In Mazedonien lebt eine große albanische Minderheit - etwa ein Viertel der Bevölkerung sind Albaner. Eines der Hauptargumente von VMRO und Ivanov bei der Weigerung, die Macht abzugeben, sind angebliche Pläne über die Bildung eines Großalbanien beziehungsweise die Gefahr vor der Bildung eines föderalen Mazedoniens. Einige Politiker in der Region, zum Beispiel in Serbien, scheinen diese Ansicht ebenfalls zu unterstützen. Teilen Sie ihre Ängste?

Wir akzeptieren und respektieren die Wahl und das Wahlergebnis. Aufgrund dieser Entscheidung des mazedonischen Volkes muss eine Mehrheit gebildet werden. Eine Mehrheit steht doch. Sie mag einigen Verantwortlichen in der Region, insbesondere in Skopje, nicht schmecken. Aber es ist inakzeptabel durch verfassungsfeindliche Blockaden und mit Unterstützung eines nationalistischen Mobs demokratische Prozesse zu behindern. Das ist einer rechtsstaatlichen Demokratie, die EU-Mitglied werden möchte, völlig unwürdig. Die Gefahr, die angeblich von der sogenannten Tirana-Plattform ausgeht, auf die sie anspielen, ist bloß ein Vorwand, um den Machtwechsel zu verhindern. Die Ziele der Plattform sind für andere mazedonische Institutionen - wie das Verfassungsgericht -nicht verbindlich. Auch die VMRO-DPMNE hat auf Grundlage dieser Plattform mit der albanischen Partei DUI verhandelt!

Wir haben viele scharfe Aussagen aus verschiedenen Ebenen in der EU und Deutschland über die Krise in Mazedonien gehört, aber bisher keine Taten gesehen. Wann werden konkrete Schritte folgen, die die Krise lösen könnten?

Nikola Gruevski gerät immer mehr ins AbseitsBild: Reuters/O. Teofilovski

Die Zukunft des Landes liegt in den Händen der Mazedonier. Die EU unterstützt diejenigen, die Mazedoniens Weg hin zu mehr Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung vorantreiben. Aber, wir können den Verantwortlichen im Land die Entscheidung über ihre Zukunft nicht abnehmen. Wir können mit den politischen Akteuren sprechen und wir können Ihnen aufzeigen, welche Konsequenzen ihr Handeln für die mazedonische EU-Perspektive hat. Mit dem EU-Annäherungsprozess haben wir eine Reihe von wirksamen Hebeln und Anreizen. Diese können und werden wir nutzen.

Vor allem rufe ich den Bürgerinnen und Bürgern der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien immer wieder zu: Verliert eure Hoffnung nicht, vertraut weiterhin den gemeinsamen europäischen Werten und kämpft zivil und rechtsstaatlich für demokratische Regeln. Momentan droht die ejR Mazedonien nicht am Unwillen der Bevölkerung zu scheitern, sondern an einer politischen Elite, die völlig verantwortungslos agiert und die damit die Zukunft für das Land zu verspielen droht. Das ist ein unerhörter Vorgang. Es ist deshalb richtig, dass wir mit einer klaren Sprache und einer konsequenten Haltung auftreten. Die EU spricht hier mit einer Stimme, auch mit Blick auf die zur Verfügung stehenden europäischen Instrumente. Ich sage noch einmal: Wer sich auf den Weg macht, demokratische Regeln zu respektieren und europäische Werte zu unterstützen, der kann sich immer auch auf die substanzielle Unterstützung der EU und seiner Mitgliedstaaten, auch Deutschlands, verlassen.

Michael Roth (SPD) ist Mitglied des deutschen Bundestags und Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.

 

Das Gespräch führte Boris Georgievski

Boris Georgievski Boris Georgievski leitet die mazedonische Redaktion von Deutsche Welle.
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