Ruanda und die DR Kongo: Warum bleibt die Welt so passiv?
7. Februar 2025
Welches internationale Recht müsse Ruanda noch verletzen, "damit der Rat endlich die notwendigen Maßnahmen gegen Kigali ergreift", fragte Kongos Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Ende Januar in New York. Eine Resolution, die Ruanda beim Namen nennt, kam nicht zustande.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas wurde im Namen der EU-Außenminister immerhin deutlicher: "Die Minister fordern Ruanda dringend auf, seine Unterstützung für Rebellen zu stoppen und seine Truppen zurückziehen." Es handele sich um eine "klare Verletzung des Völkerrechts, der UN-Charta und der territorialen Integrität". Kongos Außenministerin antwortete vor Journalisten in Brüssel: "Wir sehen viele Erklärungen, aber keine Taten."
Seit mehr als einer Woche kontrolliert die M23-Miliz mit Unterstützung Ruandas die Millionenstadt Goma im Ostkongo. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in dem Konflikt seit Ende Januar mindestens 2900 Menschen getötet. "Wenn nichts unternommen wird, könnte das Schlimmste noch bevorstehen", warnte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, an diesem Freitag in Genf.
Die Rebellen rücken weiter vor - erklärtes Ziel ist es, bis zur Hauptstadt Kinshasa zu marschieren. Ihre einseitig verkündete Waffenruhe hat die M23 inzwischen selbst gebrochen.
Und Ruanda? Er wisse nicht, ob ruandische Soldaten im Ostkongo sind, sagte Präsident Paul Kagame am 3. Februar bei CNN. Angesichts solcher offensichtlichen Falschaussagen: Wie lässt sich das passive Verhalten der internationalen Gemeinschaft erklären?
"Die Internationale Gemeinschaft hat versagt"
Ex-Diplomat Martin Kobler wirft der Weltgemeinschaft im DW-Interview ein "Versagen in der Konfliktprävention" vor. Kobler leitete von 2013 bis 2015 die UN-Friedensmission MONUSCO im Ostkongo. Er empfinde aktuell "Trauer, Ärger und Frustration, denn wir haben es doch 2013 mit MONUSCO und der kongolesischen Armee zusammen bewiesen, dass wir die M23 zurückschlagen können".
Die internationale Gemeinschaft hätte viel früher intervenieren müssen, so Kobler. Stattdessen habe sie Ende 2023 mit einer Resolution dafür gesorgt, dass MONUSCO abzieht - auch wenn das aktuell wieder zur Debatte steht.
Deutschland sagt Regierungskonsultationen mit Ruanda ab
Deutschland hat inzwischen reagiert: Die für Februar geplanten Regierungskonsultationen mit Ruanda hat das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) abgesagt. "In der aktuellen Eskalation im Ostkongo kann es kein Business as usual geben. Ruanda und M23 müssen die Eskalation beenden und sich zurückziehen. Das BMZ stimmt sich derzeit mit anderen Gebern über weitere Konsequenzen ab", hieß es.
Das alles sei "allerdings noch kein Kürzen der Entwicklungsgelder", sagt Jakob Kerstan, Leiter des Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kinshasa. "Das BMZ könnte sofort Entwicklungsgelder einstellen. Was übrigens 2012 und 2013 auch passiert ist, als die M23 Goma bereits eingenommen hatten. Damals gab es sehr großen internationalen Druck." Der damalige US-Präsident Barack Obama habe sich eingeschaltet und Paul Kagame angerufen. "Aktuell kann ich mir schwer vorstellen, dass Donald Trump Kagame wieder anruft", so Kerstan.
In der Tat scheinen die Schwerpunkte der neuen US-Führung anderswo zu liegen: "Da wissen wir noch gar nicht genau, was die eigentlich denken und wollen", sagt Ciaran Wrons-Passmann, Geschäftsführer des Deutschen Ökumenischen Netzwerks für Zentralafrika (ÖNZ). "Ich glaube nicht, dass die Einnahme Gomas zu diesem Zeitpunkt - da Trump noch gar nicht richtig im Amt war - ein Zufall war."
Sanktionen? Der Vergleich Ruandas mit Russland
Am 4. Februar protestierten kongolesische Staatsangehörige vor der EU-Vertretung in Pretoria, Südafrika. "Die Situation im Kongo ist ähnlich wie in der Ukraine", findet Geschäftsmann Elie Ikasereka. "Wir fordern die EU auf, gegen Ruanda die gleichen Maßnahmen zu ergreifen wie gegen Russland. Wir wollen Sanktionen."
Diese gibt es bereits, wenn auch nicht vergleichbar mit denen gegen Russland. Etwa solche der USA und der EU gegen einzelne Mitglieder der M23, der ruandischen Armee oder auch gegen Kämpfer auf Seiten der DR Kongo. Aber reicht das?
Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine seien "Deutschland und Europa natürlich direkter betroffen", sagt Jakob Kerstan (KAS). Die DR Kongo hingegen sei "gefühlt deutlich weiter weg". Generell sei "der Fokus gerade ein anderer" in Deutschland: Innenpolitisch dominiere die anstehende Bundestagswahl, außenpolitisch Donald Trump.
"Viele Akteure tun sich schwer damit, Ruanda in die Schranken zu weisen", sagt ÖNZ-Direktor Wrons-Passmann. Das Land habe es geschafft, "sich in vielen Bereichen als gewinnbringender Partner zu verkaufen". So sei Ruanda etwa einer der größten Truppensteller zu den weltweiten Friedensmissionen der UN. Gleichzeitig sei die aktuelle "Situation durchaus komplex und man will sich vielleicht nicht zu weit vorwagen mit Aussagen".
Auch Großbritannien hat gedroht, Ruanda die Entwicklungshilfen zu kürzen. Doch die bloße Androhung von Sanktionen reiche nicht aus, so Wrons-Passmann. "Wenn man es dann am Ende doch nicht macht, hat man mehr verloren, als man gewonnen hat."
Ruanda: Als Partner unentbehrlich
Brüssel ist in einer schwierigen Position: Im Februar 2024 wurde eine Absichtserklärung mit Ruanda unterzeichnet, die der EU Zugang zu Rohstoffquellen verschafft. Ruanda erhält 900 Millionen Euro, um unter anderem seine Infrastruktur auszubauen. Die Vereinbarung ist Teil des 300 Milliarden Euro schweren Projekts "Global Gateway", mit dem sich die EU unter anderem gegen die Konkurrenz aus China aufstellen will.
Die Demonstrierenden in Pretoria warfen Brüssel vor, den Kongo mit diesem Abkommen auszuplündern: Die EU sollte "durch das Haupttor kommen und aufhören, Mineralien über Ruanda zu kaufen", so eine Demonstrantin. Auch in Brüssel selbst protestierten Exil-Kongolesen: "Die EU wusste, dass die Mineralien aus dem Kongo gestohlen werden und nicht aus Ruanda kommen", so eine Aktivistin.
"Die EU muss sich jetzt darüber klar werden, wie sie weiter vorgehen will", resümiert ÖNZ-Direktor Wrons-Passmann. Dazu kommt: Erst im vergangenen November hatte Brüssel zugesagt, Ruandas Truppen mit zusätzlichen 20 Millionen Euro zu unterstützen, um in der mosambikanischen Provinz Cabo Delgado für Sicherheit zu sorgen. Auch für die UN ist Ruanda ein Sicherheitspartner in der Zentralafrikanischen Republik, wo Ruandas Soldaten dem russischen Einfluss der Wagner-Söldner entgegenwirken.
Ruanda spielt demnach eine regionale Führungsrolle auf wirtschaftlicher, diplomatischer und militärischer Ebene - und das ist offenbar ein Problem. In den letzten Jahren habe es immer wieder Stellungnahmen gegeben, die die Unterstützung der M23 durch Ruanda verurteilen, sagt Jakob Kerstan von der KAS. "Allerdings haben viele Kongolesen zu Recht das Gefühl, dass dies nicht mit allerletzter Energie passiert. Bei vielen herrscht das Gefühl vor, dass sich Europa und Deutschland nur für internationales Recht einsetzen, wenn es ihnen selbst nützt." Das sei auch der Grund dafür, warum es in der kongolesischen Bevölkerung zumindest unterschwellig immer mehr prorussische Gefühle gebe.
Mitarbeit: Anchal Vohra, Sandrine Blanchard