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Ruanda: Steht Präsident Kagame unter Druck?

Katrin Matthaei7. April 2015

Seit dem Genozid vor 21 Jahren regiert Paul Kagame Ruanda, erst als Vize, dann als Präsident. Mit einem Verfassungsreferendum strebt er nun eine dritte Amtszeit an. Regimekritiker fühlen sich bedroht - nicht nur im Land.

Paul Kagame Präsident Ruanda
Bild: picture-alliance/dpa

In Ruanda mehren sich die Zeichen, dass es zu einem Verfassungsreferendum und einer dritten Amtszeit von Präsident Paul Kagame kommen könnte. Laut derzeitiger Verfassung darf Kagame bei den Wahlen 2017 nicht mehr antreten. Einflussreiche Funktionäre der Regierungspartei Ruandische Patriotische Front (RPF) sprechen sich aber öffentlich für eine Änderung der Konstitution aus. Sie warnen vor einem Abgleiten des Landes in Chaos und Gewalt, wenn Kagame die Führung abgibt. "Die Mehrheit der Ruander lebt in Angst und Unsicherheit, was nach 2017 passieren kann", schrieb etwa das RPF-Mitglied Fred Mufulukye Ende Januar in einem Beitrag für die regierungsnahe Zeitung "The New Times". Präsident Kagame selbst sagte auf eine seiner seltenen Pressekonferenzen, dass er gegen eine Verfassungsänderung sei. "Ich bitte keinen, die Verfassung zu ändern", sagte er, aber: " Diejenigen, die meinen, der Präsident solle bleiben, die sollen mich überzeugen."

Offenbar hat die RPF vor einiger Zeit den Medien den Marschbefehl gegeben, über das Referendum zu berichten. Der Chefredakteur eines Radiosenders gab gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, man habe ihm gesagt "Sprich darüber!". Entspinnt sich eine öffentliche Debatte, könnte es am Ende so aussehen, als rufe die Bevölkerung nach einer Verfassungsänderung. Die Partei dagegen dementiert eine gezielte Medienkampagne. Es handle sich vielmehr um "individuelle Initiativen" einzelner Journalisten, zitiert die AFP ein Führungsmitglied der RPF. Von Innenminister Sheikh Musa Fazil Harerimana, der als einer der ranghohen RPF-Funktionäre eine Verfassungsänderung zum Thema machte, war am Freitag keine Stellungnahme zu bekommen.

Entwicklungswunder Ruanda

Einst Weggefährte Kagames, jetzt im Gefängnis: Sänger Kizito MihigoBild: AFP/Getty Images/S. Aglietti

Für Präsident Kagame geht es jetzt um alles: Er sieht sein Vermächtnis in Gefahr. In seiner 15-jährigen Regierungszeit als Präsident hat er das vom Genozid völlig traumatisierte Land zum wirtschaftlichen Vorzeigeland Afrikas gemacht: Wachstumsraten von durchschnittlich sieben Prozent, eine unkomplizierte Verwaltung, Berufsausbildungsmodelle für Jugendliche, Förderung regenerativer Energien, ein funktionierendes Gesundheitssystem, der Kampf gegen Korruption - die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier lobte Ruanda erst vor wenigen Wochen auf seinem Besuch als "Anker der Stabilität".

Dass Kagame nun die Macht abgeben will, wie es die Verfassung vorsieht, glaubt Ruanda-Experte Phil Clark von der renommierten Londoner Universität für Orient- und Afrikastudien (SOAS) daher nicht. "Er sieht sich selbst als den Hauptgrund dafür, dass der Genozid von 1994 beendet wurde und dass Ruanda sich in diesem Maße von dem Genozid erholen konnte", so Clark im Gespräch mit der DW. "Kagame ist sehr zögerlich, das Vermächtnis der Ära nach dem Genozid an einen Nachfolger zu übergeben."

Bekannter Musiker im Gefängnis

Und nicht nur das: Es mehren sich Fälle, in denen Vertraute aus Kagames engstem Umfeld im Gefängnis landen oder unter mysteriösen Umständen sterben. Der Sänger Kizito Mihigo galt als langjähriger Freund der Präsidentenfamilie. In seinen Liedern sang er für Frieden und Versöhnung. Der 33-Jährige war lange Zeit ein Unterstützer Kagames und das Gesicht der patriotischen Jugendbewegung. Jetzt sitzt er im Gefängnis: Zehn Jahre Haft unter anderem für die Planung des gewaltsamen Umsturzes der Regierung und der Ermordung von Regierungsbeamten. Er hatte in Chatgesprächen mit Oppositionsmitgliedern der Exil-Partei Ruandischer Nationalkongress (RNC) über einen Regimewechsel gesprochen.

Vorfälle wie diese werfen die Frage auf, wie fest der 57-jährige ruandische Machthaber tatsächlich im Sattel sitzt. "Kagame sieht sich innerhalb seiner eigenen Ränge, seiner Partei und seiner Vertrauten unter Druck", sagt Phil Clark. Von einer bevorstehenden Implosion des Systems Kagame könne aber nicht die Rede sein. Die Ereignisse seien eher Ausdruck von dessen "Paranoia", so Clark.

Burkina Fasos Ex-Präsident Blaise Compaoré: der Versuch einer Verfassungsänderung kostete ihn seinen PostenBild: AP

Kritik am Regime wird nicht geduldet

Er nennt zwei Akteure, die vom Regime Kagames als Bedrohungen empfunden werden: die vom Nachbarland Kongo aus agierende Rebellengruppe FDLR, in der sich einige Anführer des Genozids von 1994 befinden und die Ruanda an seiner Grenze mit allen Mitteln bekämpft. Und die im Exil beheimatete wichtigste Oppositionspartei Ruandischer Nationalkongress (RNC). "Ob es eine tatsächliche Bedrohung ist oder nur als solche wahrgenommen wird, ist eine andere Frage", sagt Clark. "Aber es gibt ein Gefühl der Angst innerhalb der Regierung, dass diese äußeren Bedrohungen signifikant sind. Daher werden manche innere Akteure beschuldigt, mit dem RNC oder der FDLR zu kollaborieren."

Die Verhaftung des Musikers Mihigo reiht sich ein in eine Serie von Repressionen gegen Regimekritiker: Die wichtigsten Oppositionellen sind entweder im Exil oder im Gefängnis - oder unter mysteriösen Umständen gestorben. Die bekannte Oppositionsführerin Victoire Ingabire etwa wurde im Dezember 2013 wegen angeblicher Leugnung des Genozids und Bedrohung der Staatssicherheit zu 15 Jahren Haft verurteilt. Deo Mushayidi, der im Exil die Oppositionspartei Bürgerliches Verteidigungsbündnis (People's Defense Pact) gegründet hatte, sitzt in Ruanda eine lebenslange Strafe wegen angeblicher Planung eines Staatsstreichs ab. Viele weitere Regimekritiker fühlen sich direkt oder indirekt bedroht.

Wirtschaftlich ein Vorzeigeland: Kongresszentrum mit Hotelanlage in Ruandas Hauptstadt KigaliBild: DW/A. Le Touzé

Das Gründungsmitglied der Exil-Partei RNC, Patrick Karegeya, wurde vor einem Jahr im südafrikanischen Johannesburg stranguliert in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Südafrika macht den ruandischen Geheimdienst verantwortlich. Ruanda dagegen streitet jede Beteiligung an einem Mordkomplott ab. Präsident Kagame äußerte sich in einem Interview kurz nach dem Mord: "Wenn jemand eine wichtige Sache und sein Volk verrät, warum sollte er dann keine Konsequenzen sehen?"

"Entwicklung braucht politische Öffnung"

"Das Wahljahr 2017 rückt näher, und es ist sehr wahrscheinlich, dass Präsident Kagame damit signalisiert: Wenn man sich gegen ihn wendet, bekommt man Schwierigkeiten - egal, wie nahe man ihm steht", sagt der Exilruander Joseph Sebarenzi im Gespräch mit der DW. Sebarenzi weiß, wovon er spricht: Der ehemalige Parlamentspräsident musste vor zehn Jahren selbst fliehen, weil er die Veruntreuung öffentlicher Gelder durch die Regierung aufklären wollte. Heute setzt er sich von den USA aus für Versöhnung in seinem Land ein.

Es tue ihm sehr weh, dass die atemberaubende Entwicklung seines Landes nicht mit einer politischen Öffnung einher gehe. "Aber ich habe immer die Hoffnung, dass die ruandische Regierung sich ändern kann. Dass Ruanda irgendwann versteht, dass diese großen Errungenschaften ohne Frieden, ohne Gerechtigkeit und ohne Menschenrechte keine Entwicklung sind, die nachhaltig ist."

Hofft auf eine politische Öffnung: Joseph SebarenziBild: privat

Als wirtschaftliches Vorzeigeland hebt sich Ruanda stolz von seinen Nachbarstaaten ab. Politisch könnte sich Präsident Kagame aber in die Riege der ewigen Machthaber einreihen: Ugandas Präsident Yoweri Museveni, einst als Befreier gefeiert, ist nach einer Verfassungsänderung seit 29 Jahren im Amt. Und auch im Kongo und in Burundi machen die Präsidenten Laurent Kabila und Pierre Nkurunziza kein Geheimnis daraus, dass sie die Konstitution zugunsten einer weiteren Amtszeit ändern wollen.

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