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Politik

Ruanda macht Kirchen dicht

Friederike Müller-Jung
1. März 2018

Mehr als 700 Kirchen hat die Regierung in Ruanda geschlossen - offiziell wegen mangelhafter Sicherheits- und Hygienestandards. Aber dahinter steckt offenbar Angst, Prediger könnten Einfluss auf die Politik nehmen.

Ruanda Kigali Kirche
Bild: Getty Images/AFP/S. Aglietti

"Unsere Gotteshäuser erfüllen nicht die Standards in Bezug auf Hygiene, Infrastruktur und Platzangebot", sagt Shyaka Anastase von der ruandischen Verwaltungsbehörde der DW. "Einige Kirchen versammeln hunderte Gläubige, haben aber nicht einmal sanitäre Einrichtungen. Anderswo beten die Menschen in Zelten oder sogar in Kellern." Hinter einigen Gemeinden könnten auch unseriöse Geschäftemacher stecken, sagt er. In vielen Ländern Afrikas bereichern sich selbsternannte Prediger an den Gläubigen. In vielen Fällen soll es auch um Lärmbelästigung gehen - denn oft übertragen die Prediger ihre Botschaften mit dem Megaphon.

714 Kirchen in Ruandas Hauptstadt Kigali mussten schließen. Das hatten die Behörden am Mittwoch angekündigt - und einen Tag später in die Tat umgesetzt. Sicherheitskräfte, Vertreter der zuständigen Regierungsbehörde und der Stadtverwaltung von Kigali hatten zuvor die Kirchen besichtigt und überprüft.

Kein Parkplatz, kein Gottesdienst

"Es ist gut, dass die Behörden durchgegriffen haben", sagt eine Frau in Kigali. "Der Großteil der Prediger sind doch Scharlatane, die Kirchen gründen, um sich selbst die Taschen zu füllen!" Die Prediger ließen die Gläubigen in viel zu kleinen Räumen fast ersticken, beschwert sich ein anderer. Kritik an der Schließungswelle will vor dem Mikrofon des DW-Korrespondenten niemand äußern - zu groß ist die Angst vor dem repressiven Staatsapparat.

Viele Gläubige trauen sich nicht, die Schließungen öffentlich zu kritisierenBild: Getty Images/AFP/S. Aglietti

Betroffenen Kirchen kritisieren die Schließungswelle zwar - jedoch nur anonym: "Unsere Kirche musste zumachen, dabei haben wir doch fast alle Dokumente, die erforderlich sind", vertraut sich ein Kirchenvertreter der DW an. "Wir erfüllen alle Hygiene-Anforderungen. Aber man hat uns vorgeworfen, dass wir keinen Parkplatz anbieten und dass unsere Kirche auf zu engem Raum gebaut ist."

Bauvorschriften und Sicherheit sind gerade bei großen Menschenansammlungen ein wichtiges Thema in Afrika: 2016 stürzte in Nigeria das Dach einer Kirche ein, mehr als 160 Menschen starben.

Kirchen unter Beobachtung

Doch Beobachter vermuten, dass hinter den Kirchenschließungen in Ruanda andere Motive stecken als nur der Schutz der Gläubigen. Phil Clark von der SOAS University of London ist gerade für einen Forschungsaufenthalt in Ruanda und sagt: "Die Kirchenschließungen sind viel stärker politisch beeinflusst, als die Regierung verlauten lässt. Sie signalisiert den Kirchen damit, dass sie unter Beobachtung stehen, so wie andere gesellschaftliche Organisationen in Ruanda auch. Ich verstehe das als eine klare Warnung."

Und die richtet sich vor allem an die Pfingstgemeinden. Denn deren Kirchen sind von den Schließungen in Ruandas Hauptstadt hauptsächlich betroffen. Die christlichen Bewegungen finden in vielen afrikanischen Staaten großen Anklang, auch in Ruanda. "Die Pfingstbewegung wächst dort exponentiell", sagt Clark. Sie sei finanziell gut aufgestellt, häufig mit Geld aus den USA. Und sie könne durch ihre oft sehr großen Säle auf einen Schlag mehr Menschen erreichen als andere Organisationen. So könnten sie leichter politische und soziale Ideen verbreiten, die nicht denen der Regierungspartei entsprächen.

Pfingstkirche in KeniaBild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Einflussreiche Pfingstgemeinden in Uganda und Kenia

Bisher seien Pfingstgemeinden in Ruanda mit politischen Äußerungen zurückhaltend gewesen, sagt Clark. In anderen Ländern nehmen unterschiedliche Glaubensgemeinschaften aber bereits aktiv Einfluss auf das politische Geschehen. In der benachbarten Demokratischen Republik Kongo organisieren katholische Gruppen Demonstrationen gegen Langzeit-Machthaber Joseph Kabila und verlangen, dass er sein Amt aufgibt. Vergangene Woche kam es dabei zu Ausschreitungen, bei denen Polizisten mit scharfer Munition gegen Regierungsgegner vorgingen. Eine derartige Anstachelung zum Umbruch scheint Ruandas Regierung um Präsident Paul Kagame von den Kirchen im Land allerdings nicht zu erwarten.

Sie schaue eher nach Ostafrika, Richtung Kenia und Uganda, sagt Clark: "Dort haben die Botschaften der Pfingstgemeinden die Politik bereits beeinflusst, zum Beispiel bei der Einführung eines Gesetzes, das Homosexualität in Uganda unter Strafe stellt." Ruanda beobachte diesen regionalen Trend, die finanzielle Stärke der Pfingstgemeinden im eigenen Land und die hohe Zahl ihrer Anhänger genau. "Und ich denke, sie versucht hier gegenzusteuern, bevor sie keine Kontrolle mehr darüber hat", sagt Clark.

Mitarbeit:  Etienne Gatanazi

 

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