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KonflikteAfrika

Ostkongo-Konflikt: Vorwürfe vor möglichem Friedensabkommen

Nikolas Fischer | Wendy Bashi
28. November 2025

Die Vorzeichen für eine Einigung nächste Woche sind nicht gut: In exklusiven DW-Interviews fordert Kongos Außenministerin strengere Sanktionen gegen Ruanda, dessen Außenminister wirft Kinshasa Regierungsversagen vor.

Händeschütteln der Minister Olivier Nduhungirehe und Therese Kayikwamba im Beisein von US-Außenminister Marco Rubio
Bei der Unterzeichnung eines Friedensabkommen im Juni in Washington wirkten Ruandas Außenminister Nduhungirehe (li.) und Kongos Außenministerin Kayikwamba sichtlich gelöst - derzeit ist der Ton angespannter.Bild: Mark Schiefelbein/AP/dpa/picture alliance

Die Rebellen der M23 kontrollieren nach wie vor weite Teile des Ostens der Demokratischen Republik Kongo (DRK) - zudem konnten sie jüngst weitere Gebiete in der Provinz Nord-Kivu erobern. "Frustriert" sei sie darüber, so die Außenministerin der DRK, Thérèse Kayikwamba Wagner, im DW-Interview in der angolanischen Hauptstadt Luanda.

Seit Monaten wird auf unterschiedlichen diplomatischen Ebenen um einen Frieden im Osten Kongos gerungen. Mit Leben gefüllt scheinen die Vereinbarungen derzeit nicht. 

Kongos Präsident Félix Tshisekedi und Ruandas Präsident Paul Kagame hätten sich am 9. Oktober in Brüssel zwar "die Hand gereicht und gesagt: Lasst uns den Frieden der Mutigen schließen", sagt Timo Roujean von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kinshasa. "Aber sehr viele Beobachter haben das eigentlich eher als verbale Farce gesehen, weil das überhaupt nicht mit den Diskursen übereinstimmt. Tatsächlich hat man noch nicht klar definiert, wer was bekommt. Also Annäherung ja, Durchbruch auf keinen Fall."

Auch Katar ist in der Vermittlerrolle: Ruandas Präsident Paul Kagame (li.) und Kongos Präsident Felix Tshisekedi (re.) im März in DohaBild: MOFA QATAR/AFP

Am 4. Dezember sollten beide Präsidenten zu US-Präsident Donald Trump in die USA reisen und öffentlichkeitswirksam ein Friedensabkommen unterzeichnen. Den Weg dafür ebneten die Außenminister beider Länder, die bereits im Juni zu Gast in Washington waren und eine Friedenserklärung unterzeichneten

Ob es zu dem Treffen auf höchster Ebene nächste Woche kommt, ist allerdings fraglich. Derzeit knirscht es im Getriebe. In zwei Interviews mit der DW am Rande des Gipfels der Afrikanischen Union (AU) und der Europäischen Union (EU) in Angola üben beide Außenminister scharfe Kritik.

Kongos Außenministerin fordert Sanktionen gegen Ruanda

Die wiederholte Forderung der kongolesischen Außenministerin Kayikwamba lautet: mehr internationaler Druck gegen Ruanda. "Wir wissen, von wem die M23 abhängig ist", so die Ministerin zur der DW. Unabhängige Beobachter wie die Vereinten Nationen haben mehrfach Belege dafür geliefert, dass die M23 Unterstützung von Ruanda erhält, auch wenn das Land es abstreitet.

"Wir wissen sehr wohl, dass sich die Lage mit etwas mehr Druck, mit etwas mehr Sanktionen oder Rechenschaftspflicht schnell ändern kann", so Kayikwamba im DW-Interview. Von der EU höre sie oft, dass es aufgrund "unterschiedlicher Lesarten" schwierig sei, einen Konsens zwischen den 27 Mitgliedsstaaten zu finden. Doch dieses Argument will sie nicht gelten lassen: "Es gibt keine unterschiedliche Lesart, wenn es um Menschenleben geht und wenn die territoriale Integrität eines Landes verletzt wird." Die Vorwürfe der Ministerin gegen die EU sind deutlich: "Ihre Entscheidungen zeigen manchmal, dass sie mit zweierlei Maß messen, dass eine Mutter in Buhimba weniger zu zählen scheint als jemand anderes auf diesem Planeten."

"Für die Kongolesen scheint es so, als paktiert die EU mit dem Feind", sagt Timo Roujean (KAS). Tatsächlich könne man mit Sanktionen Druck ausüben, denn Ruanda sei für seinen Haushalt weiterhin auf ausländische Hilfe angewiesen. Als eine Möglichkeit sieht Roujean Importstopps für nicht klassifizierte Mineralien und Erze aus Ruanda. "Jeder Geologe kann bestätigen, dass diese kritische Mineralien, die die EU in Ruanda erwerben möchte, eigentlich Diebesgut aus dem Kongo ist", so Roujean.

Kritische Rohstoffe in Afrika: Fluch oder Zukunft?

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Doch Roujean verweist auf das wirtschaftliche Interesse der EU an den Rohstoffen. Im Februar 2024 hatte die EU-Kommission mit Ruanda ein Memorandum of Understanding unterschrieben, wonach beide enger zusammenarbeiten wollen beim Thema Mineralien.  "Da drückt man momentan beide Augen zu", sagt Roujean. Dazu komme, dass sich Ruanda auf internationaler Bühne sehr gut präsentiere. Er nennt unter anderem das Sportsponsoring, etwa die Austragung der Rad-WM der Frauen im September.

Immerhin: Im Februar forderten die Abgeordneten des EU-Parlaments die EU-Kommission sowie den Europäischen Rat - also quasi die Exekutive der EU sowie die Staats- und Regierungschefs - dazu auf, das Memorandum auszusetzen, bis Ruanda "jegliche Einmischung in die Angelegenheiten der Demokratischen Republik Kongo einstellt, einschließlich des Exports von Mineralien, die in von der M23 kontrollierten Gebieten abgebaut werden".

Ruanda weist Vorwürfe zurück - und erhebt eigene

Die DW hat in Luanda auch mit Ruandas Außenminister Olivier Nduhungirehe gesprochen. Die Sanktionsforderungen seiner Amtskollegin weist er aufs Schärfste zurück. Die DRK sei ein "Staat, der nur über Sanktionen gegen andere spricht, statt seine eigenen Probleme zu lösen: Probleme der Regierungsführung, Probleme der Unterstützung von Völkermordbewegungen wie der [Miliz] FDLR, Probleme von Hassreden, die sich gegen die kongolesischen [Volksgruppen] Tutsi und Banyamulenge richten". Die FDLR gilt als Nachfolgeorganisation von ehemaligen ruandischen Soldaten und Milizionären, die 1994 in Ruanda einen Völkermord an Tutsi und gemäßigten Hutu verübt hatten. 

"Frau Kayikwamba Wagner wartet seit Februar auf diese Sanktionen", so der Minister zur der DW. "Wir haben November, und die Partnerschaft zwischen Ruanda und der EU besteht weiter." Als Beispiel nannte er eine im Oktober geschlossene Vereinbarung, wonach die EU die Impfstoffproduktion in Ruanda mit 95 Millionen Euro unterstützt. 

Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens zwischen der DRK und den M23 Im Juli in Doha, KatarBild: Karim Jaafar/AFP

Neben der Vereinbarung der Außenminister im Juni gab es einen weiteren Meilenstein in dem Friedensprozess. Im Juli unterzeichneten die DRK und die Rebellen der M23 in Doha eine Grundsatzerklärung über einen "dauerhaften Waffenstillstand". Das Problem sei jedoch, dass die kongolesische Armee "diesen Waffenstillstand täglich mit Bombardierungen verletzt", so Ruandas Minister Nduhungirehe zur DW. Die Angriffe mit Drohnen und Kampfflugzeugen richten sich ihm zufolge nicht nur gegen die Stellungen der M23 und weiterer Rebellengruppen, sondern auch gegen die Bevölkerung der Banyamulenge.

Bei einer Pressekonferenz am 27. November dagegen warf Ruandas Präsident Kagame der kongolesischen Regierung vor, die Unterzeichnung des Friedensabkommens zu verzögern. Die DRK habe "andere Bedingungen gestellt als die, die tatsächlich in Washington vereinbart wurden", so Kagame in Bezug auf das Abkommen von Juni. 

Kongos Präsident Tshisekedi hat sich bereit erklärt, am 4. Dezember zur Unterzeichnung nach Washington zu reisen. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns in Washington treffen werden", zeigte Amtskollege Kagame sich allerdings skeptisch. "Wir werden abwarten und weiter hoffen."

Streitpunkt: Flughafen von Goma

Kongos Außenministerin Kayikwamba verweist gegenüber der DW auf die Erfolge einer Konferenz in Paris am 30. Oktober. Dort hatte man sich geeinigt, den Flughafen der ostkongolesischen Großstadt Goma wieder zu eröffnen, um den humanitären Zugang in die Region zu erleichtern. Als Ruanda dann aber kurz nach dem Treffen einen Rückzieher machte, habe es keine internationale Reaktion gegeben.

Ihr Amtskollege Nduhungirehe will den Vorwurf der Blockade nicht gelten lassen: "Ruanda sagt da nichts anderes als Frankreich", so der Minister im DW-Interview. "Der Flughafen von Goma befindet sich in den Händen der De-facto-Behörden, nämlich der AFC/M23. Zu glauben, man könne einen Flughafen künstlich eröffnen, ohne die Behörden einzubeziehen, die diesen Flughafen physisch kontrollieren, ist Unsinn."

Im Januar hatte die M23 die Großstadt Goma eingenommen - bei öffentlichen Veranstaltungen versuchen die Rebellen Mitglieder zu rekrutierenBild: Jospin Mwisha/AFP

"Wir haben da so ein bisschen ein Katz-und-Maus-Spiel", bewertet Timo Roujean von der KAS die Lage. Während die DRK den Flughafen wieder nutzen will, möchte die M23 - ein Teil Rebellenvereinigung "Allianz des Kongoflusses" (AFC) -, dass die Banken in den Grenzstädten Goma und Bukavu wieder öffnen. Diese hatte die kongolesische Zentralbank schließen lassen. "Die AFC/M23 wirft der Zentralregierung vor, Hunger und eine ökonomische soziale Krise hervorzurufen."

Auch auf dem Gipfeltreffen der AU und EU diese Woche war der Frieden im Ostkongo ein Thema. In einer gemeinsamen Erklärung wird die "unerschütterliche Unterstützung für einen gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden in der Demokratischen Republic Kongo" bekräftigt. Wie das konkret umgesetzt werden soll, steht dort allerdings nicht.

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