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Politik

Ruanda: Parlamentswahl ohne Wirkung?

Martina Schwikowski
1. September 2018

Seit Sonntag wählt Ruanda ein neues Parlament. Hunderte Kandidaten treten bei der Abstimmung an, darunter viele junge Ruander. Kritiker befürchten, dass die Opposition trotzdem keine Chancen hat.

Ein Mann wirft bei der Präsidentschaftswahl 2017 seinen Stimmzettel in die Wahlurne
Wähler bei der Präsidentschaftswahl 2017 (Archivbild)Bild: Reuters/J. Bizimana

Ruanda wählt ein neues Parlament. 512 Kandidaten bewerben sich um die 80 Sitze. Viele sind jünger als 25 Jahre. Nicht nur das: Mehr als 200.000 Jungwähler werden an der Abstimmung teilnehmen.

Die 23-jährige Jessica Mutesi ist eine von ihnen. Sie gehört zur Demokratischen Grünen Partei (DGPR). Mutesi sagt, dass sie die Chance nutzen möchte, schon in jungen Jahren etwas für ihr Land zu tun. "Sollte ich gewählt werden, möchte ich mich für junge Mädchen einsetzen", sagte sie im DW-Interview. "Sie sollen ihre Ausbildung fortsetzen dürfen, auch wenn sie schwanger werden und so für ihre Zukunft sorgen können."

Wie viel können unabhängige Kandidaten erreichen?

Der ruandische Politik-Experte Pontian Kabera hält das politische Interesse der jungen Leute für ein gutes Zeichen. Trotzdem ist er skeptisch, ob es etwas in Ruanda verändern wird. "Viele der jungen Menschen, die ein politisches Amt übernehmen möchten, gehören kleinen oder nicht offiziell anerkannten Parteien an. Da bleibt die Frage, welche Chancen sie haben, Einfluss auf die Politik zu nehmen", sagt er zur DW.

Präsident Kagames Partei RPF dominiert das politische System RuandasBild: picture-alliance/AP Photo/J. Delay

Auch parteilose Bewerber sind zugelassen. Der Journalist Phillipe Mpayimana ist einer von ihnen. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im August 2017 kam er als zweiter ins Ziel, Amtsinhaber Kagame wurde mit 98 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Mpayimana glaubt, dass die Wahl neue Möglichkeiten eröffnet: "Die Bürger wollen den Wandel. Wenn die Menschen ein oder zwei unabhängige Kandidaten jetzt mit ihrer Stimme ins Parlament wählen, dann ist das schon der Beginn von Veränderungen."

Experten glauben nicht, dass die Wahlen zu großen Veränderungen führen werden. Nach einem Verfassungsreferendum 2003 wurde zwar in Ruanda ein Mehrparteiensystem eingeführt. Aber: "Diese Parlamentswahl wird - wie auch frühere Wahlen in Ruanda- von der Regierungspartei dominiert", sagt Phil Clark von der School of Oriental and African Studies der Universität London. Die Oppositionsparteien könnten keinen Wahlkampf betreiben, ohne mit der Regierungspartei in Schwierigkeiten zu geraten.

Junge Menschen wollen mitreden

Oppositionelle und Kritiker werden immer wieder eingeschüchtert. Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren die unzureichende Presse- und Meinungsfreiheit. Die Atmosphäre in Ruanda lasse sich am besten mit einem Blick auf die größte Oppositionspartei PSD beschreiben, fügt Experte Clark hinzu. "Die PSD hat bereits bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr keinen Wahlkampf mehr organisiert. Sie hatten noch nicht einmal einen Kandidaten ins Rennen geschickt." Die einzige wirkliche Opposition sei jetzt die grüne Partei, die viele Jungwähler anzieht. Aber auch sie stünde unter massivem Druck der Regierungspartei. "Sie kann kaum effektiv arbeiten", sagt Clark.

Beobachter glauben, dass die RPF auch diese Wahl gewinnen wirdBild: T.Karumba/AFP/GettyImages

Es sei eine wichtige Entwicklung, dass die jungen Ruander ihre Mitspracherechte einforderten, sagt Clark. Mehr als 60 Prozent der Menschen in Ruanda sind jünger als 25 Jahre. Aber diese Bewegung werde in Ruanda nichts ändern. "Auch die Patriotische Front hat sich stärker um jugendliche Wähler bemüht. Eins ihrer  Wahlkampfversprechen lautete, die sozialen Medien nicht einzuschränken, wie es einige Nachbarländer in Afrika gern machen."

Clark ist sich sicher: Die Patriotische Front wird das Parlament auch nach den Wahlen dominieren. Viele Wähler seien mit der Situation nicht unbedingt unzufrieden. Sie würden sich zwar mehr Vielfalt in der Politik und mehr Wahlmöglichkeiten wünschen, als die Einparteien-Herrschaft der Patriotischen Front unter Kagame: "Aber sie erkennen an, dass diese Partei das Land nach dem Völkermord vor über zwanzig Jahren aufgebaut hat und mit sozialen Reformen auch die ethnische Spaltung zum Teil überbrückt hat."

Mitarbeit: Nasra Bishumba