1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ruanda: Virtuelle Zensur im Wahlkampf

Martina Schwikowski
1. Juni 2017

Bei den Präsidentschaftswahlen im August gilt eine Wiederwahl von Paul Kagame als sicher. Das liegt nicht nur an politischen Erfolgen. Mit der Kontrolle der sozialen Medien verliert die Opposition ihr stärkstes Medium.

Ruanda vor den Wahlen 2017
Bild: Imago/Zumapress/M. Brochstein

Wenn die Wähler des kleinen ostafrikanischen Landes am 4. August zu den Wahlurnen gehen, scheint der erneute Wahlsieg des Staatsoberhauptes Paul Kagame programmiert. Bei den Wahlen 2010 gewann Kagame mit 93 Prozent, 2003 war es noch ein Prozentpunkt mehr. Fällt sein Ergebnis diesmal nur annähernd so gut aus, dann kann er sieben weitere Jahre regieren. Vier Oppositionelle haben ihre Kandidatur erklärt. Ihre Chancen gelten aber als gering. Und der bevorstehende Wahlkampf verspricht keine Wende zu bringen. Wahlwerbung auf Märkten, in Schulen, an Busstationen oder in anderen Einrichtungen ist verboten. An sein Wahlvolk richtet sich der 59-jährige Präsident Kagame selbst vor allem via Twitter und auf seiner eigenen Webseite.

Kein Flow im Netz

Erstmals sind soziale Medien ab dem offiziellen Auftakt am 14. Juli in den Wahlkampf einbezogen. Doch die unterliegen der Kontrolle der Wahlkommission. Jeder Text, jedes Foto oder Video von Parteikandidaten der Opposition wird vor der Veröffentlichung geprüft - ein Vorgang, der mindestens 24 Stunden dauern soll. Spontane Reaktionen während der Kampagnen sind damit unmöglich. Bei Verstößen gegen die Gesetze werde man die Benutzerkonten blockieren, erklärte die Kommission. 

Paul Kagame und seine Partei RPF haben eine starke Basis im LandBild: picture-alliance/dpa

Die Wahlkommission sieht in der Kontrolle von digitalen Nachrichten zu den politischen Parteien keine Zensur. "Wir schauen uns alle Nachrichten an, aber wir verbieten niemandem, die Plattformen zu nutzen", sagt Charles Munyaneza, geschäftsführender Sekretär der Kommission, in einem Interview mit der DW. "Betrug ist kein Bestandteil unserer Kultur." Er spielt die Ängste vieler Menschen herunter, dass die Wahlen manipuliert werden. Auch Vertreter der Medien im Land zeigen sich unbesorgt. Die Frage, ob das Vorgehen Zensur sei, verneint Journalist Albert Rudatsimburwa energisch: "Die Menschen können ja weiterhin ihre Kampagnen führen - solange sie nichts Illegales tun, etwa zu Hass oder Gewalt aufrufen."

Schwerer Start für Oppositionskandidaten

Das sieht Herausforderer Frank Habineza ganz anders. "Dieses Vorgehen schränkt unsere Chancen und unsere Meinungsfreiheit ein", sagt er im DW-Gespräch. "Die Sozialen Netzwerke sind spontan und unmittelbar. Wenn unsere Beiträge erst genehmigt oder abgelehnt werden müssen, hindert uns das daran, einen vernünftigen Wahlkampf zu führen." An bisherigen Wahlen konnten Habineza und seine Demokratische Grüne Partei nicht teilnehmen - Kagames Bürokratie stellte ihnen immer neue Hindernisse in den Weg. 2010 war zudem der damalige Parteivize mitten im Präsidentschaftswahlkampf mit aufgeschlitzter Kehle aufgefunden worden. Der Fall wurde bis heute nicht aufgeklärt.

Diane Rwigara hat Ambitionen auf das Präsidentenamt - sie will als unabhängige Kandidatin antretenBild: Getty Images/AFP/C. Ndegeya

Die Aktivistin für Frauenrechte Diane Rwigara hat ihre Kandidatur als unabhängige Kandidatin erklärt - zwei Jahre nachdem ihr Vater, ein prominenter Geschäftsmann, auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen ist. Viele Menschen in Ruanda seien verschwunden ohne jede Spur, sagt Rwigara in Medienberichten. Antreten wollen auch Philippe Mpayimana, ein ehemaliger Journalist, und Mwenedata Gilbert, ein Mitarbeiter von USAID, der bereits 2013 zur Parlamentswahl angetreten war. Die Wahlkommission muss allerdings alle Kandidaten noch registrieren.

Ewiger Herrscher

Für Abbé Thomas Nahimana, den Führer der Ishema-Partei im Pariser Exil, sieht es schlecht aus für eine Kandidatur: Ihm wurde die Einreise nach Ruanda verweigert. Er habe daher eine Exilregierung mit Oppositionsparteien in der Diaspora gegründet, sagt er. Die angedrohte Internetblockade betrachtet er als ein weiteres Zeichen für die "diktatorischen Auswüchse" Kagames und einen Versuch der Wahlmanipulation.

Innerhalb Ruandas hat Kagame nicht viel zu fürchten. Mit Ausnahme der Grünen Partei stimmten 2015 alle Oppositionsparteien für eine Verfassungsänderung zugunsten des Präsidenten, die die Beschränkung auf zwei Amtszeiten aufhob. Bei der darauffolgenden Volksabstimmung stimmten offiziell 98,4 Prozent der Bevölkerung für die Änderung, die es Kagame ermöglicht, bis 2034 weiterzuregieren. "Die politische Situation ist seit einigen Jahren festgefahren", sagt der französische Politologe André Guichaoua. "Perspektiven der Öffnung und des demokratischen Neuanfangs fehlen."

Ruanda erlebte unter Präsident Kagame technischen Fortschritt und Modernisierung. Alle Kinder gehen zur SchuleBild: DW/A. Le Touzé

In Wirtschaft und Entwicklung hat Kagame allerdings viele Erfolge vorzuweisen. Er hat die Infrastruktur ausgebaut, Armut und Arbeitslosigkeit gesenkt. Das Land hat eine Einschulungsrate von 100 Prozent und eine geringere Kindersterblichkeit. Auch die Korruption ist drastisch zurückgegangen. Das macht den ruandischen Präsidenten zum Musterschüler internationaler Geldgeber und gibt ihm auch im Land viel Rückhalt. Dass dieser Hort der Stabilität keine freien Ausdrucksmöglichkeiten gewähre und im Ranking für Pressefreiheit gleichauf sei mit dem Bürgerkriegsland Burundi, ist für Guichaoua paradox.

Mitarbeit: Isaac Mugabi, Eric Topona

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen