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Russland spürt Folgen der Sanktionen

28. Februar 2022

Der Rubel im Sinkflug, die Börse geschlossen, lange Schlangen vor Geldautomaten: Das ist die neue Realität für die Menschen in Russland nach der Verhängung massiver Wirtschaftssanktionen durch den Westen.

Russland Rubel Wechselkurs Talfahrt
Bild: Vitaliy Belousov/SNA/imago images

Es war ein drastischer Schritt der russischen Zentralbank am Montagmorgen: Um die unmittelbaren Folgen der westlichen Sanktionen abzufedern und die Flucht aus der Landeswährung Rubel zu begrenzen, verdoppelte die Notenbank in Moskau den Leitzins von 9,5 auf 20 Prozent. Zuvor war der Rubel um zeitweise mehr als 40 Prozent abgestürzt. "Dies ist notwendig, um die Finanz- und Preisstabilität zu unterstützen und die Ersparnisse der Bürger vor Wertverlusten zu schützen", gab die Zentralbank zur Begründung bekannt. Um einen weiteren Kurssturz zu verhindern, blieb außerdem die Börse am Montag geschlossen

Schon am Sonntag hatten sich nach Bekanntwerden der westlichen Sanktionen in Moskau und anderen Orten Russlands die Menschen in langen Schlangen vor Geldautomaten angestellt, um an Bargeld zu kommen.

Am Wochenende war den Menschen in Russland längst klar, was auf sie zukommt: Nutzer der Moskauer U-Bahn konnten mit Apps wie Google Pay nicht mehr für ihre Metro-Karten bezahlen, bei anderen funktionierten ihre Kreditkarten von westlichen Anbietern wie Visa oder Mastercard nicht mehr. An Devisen-Geldautomaten wie im Luxuskaufhaus GUM konnten keine Euro oder US-Dollar mehr abgehoben werden.

Die freie Welt gegen den Rubel

Die Durchschlagskraft der westlichen Sanktionen hat einen zentralen Grund: Die EU und die USA haben nicht nur wichtige russische Geschäftsbanken vom internationalen Finanznetzwerk Swift abgeklemmt, sondern auch Russlands Zentralbank den Zugang zu westlichen Finanz- und Devisenmärkten unmöglich gemacht.

"Wir werden ihre Vermögenswerte stilllegen", hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Richtung Moskau angekündigt. Die EU und die USA zielen damit gleichzeitig auf die Stabilität des Rubels und auf Putins milliardenschwere Kriegskasse, die Devisenreserven Russlands. "Das ist die wirklich nukleare Option im finanziellen Arsenal des Westens", wird der Russlandexperte Rob Person von der US-Militärakademie West Point in der Süddeutschen Zeitung zitiert.

Damit kann die Zentralbank den Rubel-Kurs nicht mehr wie sonst stützen, indem sie Euro oder Dollar auf den Devisenmärkten abstößt und dafür Rubel kauft.

Warteschlange vor Geldautomat der Alfa Bank in Moskau am Sonntag, den 27. Februar 2022 Bild: Victor Berzkin/AP/picture alliance

Vertrauen in die eigene Währung entscheidend

Die Folgen fasst der Ökonom Michael Bernstam von der Stanford University in der New York Times zusammen: "Wenn die Menschen ihrer Währung vertrauen, existiert das Land. Wenn sie es nicht mehr tun, geht das Land den Bach hinunter."

Und Russlands Notenbankchefin Elvira Nabiullina hat tatsächlich ein gravierendes Problem: Ein beträchtlicher Teil der russischen Devisenreserven von rund 640 Milliarden Dollar ist - im wahrsten Sinne des Wortes - in weite Ferne gerückt. Die russische Zentralbank ist und bleibt zwar die Eigentümerin dieses Devisenschatzes in Form von Einlagen und Vermögenswerten. Der springende Punkt ist aber: sie kann sie nicht mehr kontrollieren.

Ein Großteil der Milliarden liegt bei anderen Zentral- und Geschäftsbanken rund um den Globus, neben China vor allem in Frankreich, Japan, Deutschland, den USA und anderen westlichen Ländern. Nur die russischen Goldbestände in zweistelligem Milliardenwert lagern zumeist in russischen Tresoren.

Ende Juni 2021 befanden sich nach Angaben der Russischen Zentralbank rund 12 Prozent ihrer Devisenreserven in Frankreich, 10 Prozent in Japan, 9,5 Prozent in Deutschland und 6,6 Prozent in den USA. Bei internationalen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington liegen rund 5 Prozent der russischen Devisenreserven - nicht gerade in Reichweite von Wladimir Putin. Im Gegenteil: Der IWF hat vor wenigen Tagen angekündigt, dass er die Ukraine mit milliardenschweren Kreditlinien unterstützen wird.

Drahtseilakt für Russlands Zentralbank-Chefin Elvira NabiullinaBild: Sergei Bobylev/ITAR-TASS/imago images

"Der Rubel ist zu Ramsch geworden"

Damit haben die EU, Japan, die USA und andere demokratischen Länder Russland praktisch den Zugang zu den Hebeln versperrt, mit denen der Rubel stabilisiert werden kann.

Der Ökonom Friedrich Heinemann bringt es auf den Punkt: "Der Rubel hat mit den umfassenden Sanktionen aufgehört, eine frei konvertible Währung zu sein. Damit wird Russland währungspolitisch in die frühen Neunziger und die Zeit vor der umfassenden ökonomische Öffnung des Landes zurückgeworfen", lautet das Fazit des Volkswirts vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. Zwar könne Russland "mit Hilfe kooperationsbereiter Länder und alternativer Zahlungssysteme in eingeschränktem Ausmaß internationale Transaktionen aufrechterhalten", räumt Heinemann ein. "Aber die Menschen, die jetzt vor den Geldautomaten Schlange stehen, wissen, dass der Rubel nicht mehr länger eine werthaltige und international einsetzbare Währung ist. Russland-Aktiva und der Rubel sind an den Finanzmärkten mit dem russischen Überfall auf die Ukraine schlagartig zu Ramsch geworden."

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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