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Politik

Ruf nach Sanktionen gegen Türkei wird lauter

2. September 2017

55 Deutsche sitzen in der Türkei hinter Gittern, zwölf aus politischen Gründen: Immer mehr Politiker in Berlin fragen sich, wie lange kann sich Deutschland das noch von Staatschef Erdogan gefallen lassen?

Türkei Präsident Tayyip Erdogan in Ankara
Selbstherrlicher Präsident Recep Tayyip Erdogan Bild: Reuters/U. Bektas

Das Maß ist voll, so die allgemeine Stimmung in Berlin: Nach der Festnahme von zwei weiteren Deutschen in der Türkei wird über die Parteigrenzen hinweg die Forderung nach einem schärferen Kurs gegenüber Ankara laut. Und von mehreren Seiten wird Kritik laut an Bundeskanzlerin Angela Merkel, gegenüber Staatschef Recep Tayyip Erdogan zu zurückhaltend zu agieren. 

Özdemir mit scharfer Polemik gegen Erdogan - Der Grünen-Politiker steht während des Wahlkampfs unter massivem Polizeischutz Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Vor allem die Opposition beklagt, das Kanzleramt sei viel zu versöhnlerisch. Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir erklärt: "Die Zeit des Kuschelns ist vorbei." Es müsse jetzt klare Ansagen der Bundesregierung in Richtung Erdogan geben: "Keine Ausweitung der Zollunion, keine Hermesbürgschaften." In der Zeitung "Münchner Merkur" nennt Özdemir Erdogan einen "Geiselnehmer, der Menschen gefangen nimmt, um uns zu erpressen". Die einzige Sprache, die Erdogan verstehe, sei "die Sprache des Geldes."

"Die Beschwichtigungspolitik von Kanzlerin Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel muss vollständig beendet werden", forderte die Linke-Politikerin Sevim Dagdelen in der "Bild"-Zeitung. 

"Vielleicht weiter überdenken"

Die Kanzlerin hatte am Freitagabend in Nürnberg erklärt, die Festnahmen in der Türkei hätten "in den allermeisten Fällen keinerlei Grundlage". "Und deshalb müssen wir hier auch entschieden reagieren", fügte Merkel an, ohne aber konkret zu werden. Angesichts der jüngsten Ereignisse müsse die Bundesregierung ihre Türkei-Politik "vielleicht weiter überdenken." Die CDU-Vorsitzende hatte bereits deutlich gemacht, dass sie die Verhandlungen über eine Zollunion zwischen EU und der Türkei zunächst blockieren wolle.   

Zugriff in Antalya

Die beiden Reisenden mit ausschließlich deutscher Staatsbürgerschaft, aber wahrscheinlich türkischen Wurzeln, waren am Flughafen des Urlaubsorts Antalya von der Polizei abgefangen worden. Das Auswärtige Amt geht nach ersten Informationen davon aus, dass sie wie zehn andere in den vergangenen Monaten inhaftierte Deutsche aus politischen Gründen festgenommen wurden. Viele Fragen sind aber noch offen.

Dem Generalkonsulat wurde der telefonische Kontakt zu den beiden Festgenommenen nach Angaben des Auswärtigen Amts zunächst verwehrt.

Die "Sprache des Geldes"  

"Jetzt reicht's. Es ist eine Serie von Verstößen gegen europäische Grundgedanken, gegen die Rechtsstaatlichkeit", stimmte auch CSU-Chef Horst Seehofer in die breite Kritik an der Willkür türkischer Behörden ein. "Jeder Versuch, dies mit Diplomatie allein zu lösen, ist gescheitert. Deshalb müssen die EU und die Bundesregierung deutliche Signale setzen", so der bayerische Ministerpräsident in den "Nürnberger Nachrichten". Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei müssten gestoppt, die Finanzhilfen für die Vorbereitung auf diesen Beitritt dürften nicht ausgezahlt werden. Das seien 4,2 Milliarden Euro in den kommenden Jahren.

Reisewarnung? 

Politiker mehrerer Parteien drängen darauf, eine Reisewarnung für die Türkei zu erlassen, nachdem bislang nur die Reisehinweise verschärft worden waren. Touristen müssten ihre Reisen kostenfrei stornieren können, meinte nicht nur Özdemir von den Grünen.

So könnten türkische Strände nach einer deutschen Reisewarnung aussehenBild: picture alliance/dpa/M. Becker

 "Wie lange wollen wir uns das noch ansehen?", fragte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner in Hamburg. Jedes Entgegenkommen an Erdogan sei "ein Tritt in die Kniekehlen der demokratischen Opposition." Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), sagte der Zeitung "Die Welt" : "Sollte es sich bewahrheiten, dass die Festnahme willkürlich und ohne triftigen, rechtsstaatlichen Verfahren standhaltenden Grund erfolgte, so muss eine weitere Verschärfung der Reisehinweise ernsthaft erwogen werden."

SC/haz (dpa, afp, ARD)

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