1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ruf nach schnellem Ende von Werkverträgen

18. Juni 2020

Nach dem Corona-Ausbruch beim Schlachtbetrieb Tönnies sind 7000 Mitarbeiter und ihre unmittelbaren Kontaktpersonen in Quarantäne - Kitas und Schulen geschlossen. Die Diskussion um die Fleischindustrie ist neu entfacht.

Deustchland Arbeit im Schlachthof
Arbeiter in der Fleischindustrie sind überwiegend bei Subunternehmen angestelltBild: Imago Images/Westend61

Bundesagrarministerin Julia Klöckner zeigte sich empört: "Hunderte von Infektionen in einem Betrieb. Diese Zustände sind nicht haltbar", sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Es sei richtig, Infektionsursachen am Arbeitsplatz und in Unterkünften nun gründlich zu untersuchen. Außerdem bekräftigte sie die Pläne der Bundesregierung, die Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche grundlegend zu verbessern. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag bekräftigte Pläne für schärfere Regeln. Die Fleischwarenindustrie äußerte sich hingegen skeptisch zu dessen Folgen.

Nach dem Corona-Ausbruch liegt der Betrieb bei Tönnies weitgehend stillBild: picture-alliance/dpa/D. Inderlied

Der Corona-Ausbruch beim Tönnies-Fleischkonzern in Rheda-Wiedenbrück war am Mittwoch bekannt geworden. In dem Betrieb im nordrhein-westfälischen Kreis Gütersloh wurden 657 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet. Alle 6800 Mitarbeiter sollen nun unter Quarantäne gestellt und getestet werden. Bereits in den vergangenen Monaten hatte es eine Reihe von Coronavirus-Ausbrüchen unter Mitarbeitern deutscher Fleischbetriebe gegeben.

Unwürdige Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben mit Subunternehmern und Sammelunterkünften mit vielen osteuropäischen Beschäftigten stehen schon lange in der Kritik. Das Bundeskabinett hatte im Mai Eckpunkte für verschärfte Arbeitsschutzvorschriften für die Fleischindustrie beschlossen. Geplant sind unter anderem ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in Teilen der Branche ab dem kommendem Jahr und höhere Bußgelder bei Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften. Das Gesetzgebungsverfahren steht noch aus. Aus dem Arbeitsministerium hieß es, man arbeite unter Hochdruck daran. Ressortchef Hubertus Heil (SPD) wisse um die Dringlichkeit.

Leiharbeiter aus Osteuropa sind Gang und Gäbe in der Fleischindustrie (Symbolbild)Bild: Privat

Auch der Bauernverband dringt auf rasche Lösungen. Generalsekretär Bernhard Krüsken verwies auf die starke Konzentration in der Branche, deren Kehrseite nun sichtbar werde. Wenn jetzt ein großer Standort ausfalle, bedeute das Probleme für vorgelagerte Bereiche. Inwiefern es zu einem "Rückstau" bei Schweinehaltern komme, hänge nun auch davon ab, wie schnell der geschlossene Betrieb wieder ans Netz komme. Neben wirtschaftlichen Folgen könnte dies dann auch eine Tierschutzdimension bekommen - dieses Szenario sei aber hoffentlich zu vermeiden.

Zweifel an Erklärung von Tönnies

Nach dem Corona-Ausbruch hat die Firma Tönnies ihren Hauptproduktionsbetrieb in Rheda-Wiedenbrück bis auf weiteres heruntergefahren. Das Unternehmen geht bislang davon aus, dass Beschäftigte das Virus etwa aus Heimaturlauben in Osteuropa mitgebracht haben könnten.

Eine Expertin für Infektionskrankheiten hält es jedoch für "extrem unwahrscheinlich", dass Hunderte von Corona-Fällen auf Familienbesuche am Wochenende zuvor zurückgehen. "Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf Tage, sodass ein Wochenendbesuch kaum so eine große Anzahl an Personen erklären kann", sagte Isabella Eckerle von der Universität Genf.

Fragwürdige Argumentation: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin LaschetBild: picture-alliance/dpa/Flashpic

Ministerpräsident Laschet in der Kritik

Für seine Aussagen über Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien gerät NRW-Ministerpräsident Armin Laschet jetzt unter Druck. Auf die Frage einer Journalistin, was der neue Corona-Ausbruch über die bisherigen Lockerungen aussage, hatte der CDU-Politiker geantwortet: "Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da das Virus herkommt. Das wird überall passieren."

Thomas Kutschaty, SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, forderte eine Entschuldigung: "Mit diesem Zitat hat sich Armin Laschet die Denke von Tönnies eins zu eins zu eigen gemacht. Das ist unterste Schublade." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete Laschets Aussage als "unsouverän".

uh/fab (dpa, afp)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen