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Rugby in Afrika: viel mehr als nur die "Springboks"

Jonathan Harding | Ali Farhat | Sophie Serbini
28. Juni 2023

Rugby in Afrika wird oft auf den dreifachen Weltmeister Südafrika reduziert. Doch der Sport auf dem Kontinent hat viel mehr zu bieten als nur die "Springboks".

Zweikampf beim Rugby
Rugby in Afrika macht große Fortschritte, aber es mangelt immer noch an der Finanzierung durch den WeltverbandBild: IMAGO/Chris Omollo

Südafrika ist amtierender Rugby-Weltmeisterund will seinen Titel bei der im September und Oktober in Frankreich stattfindenden WM verteidigen. Drei WM-Triumphe - darunter der Coup im eigenen Land im Jahr 1995 nach dem Ende der Apartheid - haben die "Springboks" bisher eingefahren und sich damit in die Rugby-Geschichtsbücher gespielt.

Doch der Erfolg der südafrikanischen Nationalmannschaft hat sie vom Rest des Kontinents abgekoppelt. Die Sportart Rugby Union kämpft in Afrika darum, mit dem globalen Profisport Schritt zu halten und die Zukunft ist ungewiss. Es stehen vier entscheidende Jahre an.

Neuer Präsident als Hoffnungsträger

"Rugby Africa" ist der für die Sportarten Rugby Union und Siebener-Rugby zuständige Kontinentalverband. Im März 2023 wurde Herbert Mensah zum ersten anglophonen Präsidenten von "Rugby Africa" gewählt. Mensah studierte in den 1980er-Jahren im Vereinigten Königreich und stammt ursprünglich aus der Telekommunikationsbranche.

Der Geschäftssinn des charismatischen Redners und seine starken lokalen Verbindungen haben ihm geholfen, den ghanaischen Sport in den letzten Jahren auf ein neues Niveau zu bringen. Er ist die Führungspersönlichkeit von der viele glauben, dass sie auch den Rugbysport in Afrika auf die nächste Stufe heben kann.

"Ich möchte Geschäfte mit Frankreich, der EU machen, aber vor allem möchte ich Geschäfte für Afrika machen", sagte Mensah der DW. "Zum Beispiel, mich mit Mark Alexander, dem Präsidenten des südafrikanischen Rugby-Verbands, zusammensetzen und fragen: 'Wie machen wir jetzt die Dinge möglich?'"

"Visionär" Mensah setzt auf globale Standards

Mensah ist noch nicht lange im Amt, aber die Länder, die sich auf seinen Plan eingelassen haben, verbuchen bereits erste Erfolge. Der 63-Jährige löste Probleme der Regierungsführung in Kamerun und drängt auf mehr staatliche Unterstützung für Rugby in Schulen, regionale Turniere und Infrastruktur in Simbabwe, Kenia und Marokko.

"Man kann seine Probleme nicht angehen, indem man den Leuten sagt: 'Oh, weil ich in Afrika bin oder weil ich Afrikaner bin, mache ich das so'", sagt Mensah. "Es gibt kein 'so oder so'; Es gibt einen globalen Weg. Und wir müssen diesen globalen Standard setzen."

Die Elfenbeinküste, Gastgeber des Fußball-Afrika-Cups 2023 (AFCON), hat bereits zugestimmt, ihre Fußballstadien für Rugby zur Verfügung zu stellen. In Ghanas Hauptstadt Accra befindet sich derzeit ein Rugbystadion im Bau und die kenianische Regierung hat bereits ein Grundstück für den Bau eines Stadions zugesagt und bereitgestellt. 

Mensah drängt darauf, Afrika dazu zu bringen, Sport als großes Geschäft zu sehen, und er hat bereits die Unterstützung vieler Rugby-Führungskräfte auf dem gesamten Kontinent gewonnen. "Er ist ein Visionär", sagte Sean Irish, der Präsident der Botswana Rugby Union, der DW. "Er hat die Leidenschaft und die Fähigkeit, in hohe Positionen vorzudringen und den Sport voranzutreiben."

Rugby-Weltverband spart bei Afrika

Der afrikanische Rugbysport ist zwar in den Weltverband "World Rugby" eingegliedert, spielt beim Thema Finanzen aber nur eine untergeordnete Rolle: Während der Weltverband etwa 5 Millionen US-Dollar (umgerechnet etwa 4,5 Millionen Euro) an jede europäische Rugby-Nation zahlt, um den Sport zu fördern, zahlt er an den gesamten afrikanischen Kontinent nur 2 Millionen US-Dollar. Das entspricht rund 55.000 US-Dollar für jede der 36 Rugby-Nationen (Südafrika nicht inbegriffen) in Afrika. Die Botschaft ist klar.

"Wir werden für unsere Rechte kämpfen", sagt Mensah. "Wir werden ihnen sagen, dass das leistungsstarke Finanzsystem zur Belohnung von Ländern nicht zugunsten Afrikas funktioniert. Ich werde den ganzen Tag mit World Rugby kämpfen. Wir werden nach mehr Eigenkapital suchen."

Die kenianische Herren-Siebenermannschaft hat gezeigt, dass Siebener das Format sein könnte, das Afrika voranbringtBild: IMAGO/Kevin Manning

Botswana ist nur eines der Länder, die von einem größeren Stück des Kuchens profitieren würden, aber Sean Irish ist wenig optimistisch. "World Rugby gibt uns 43.000 Dollar im Jahr, doch was sie erwarten kostet 70.000 Dollar", sagte Botswanas Rugby-Union-Präsident der DW. "World Rugby wird Afrika nicht mehr Geld geben. Sie verstehen Afrika oder das Potenzial in Afrika nicht."

Trotz der fehlenden Mittel hatte Botswana vor der Pandemie enorme Fortschritte gemacht, indem es jährlich fast 100 Rugby-Trainer ausbildete und die Zahl der Schulen erhöhte, die diesen Sport anbieten. Die Pandemie hat den Sport im Land allerdings für zwei Jahre zum Erliegen gebracht, und die Rückkehr ist langsam und umstritten.

Vorteil für englischsprachige Länder?

In Kenia ist es ähnlich. Erst 2009 besiegte das kenianische Siebener-Rugby-Team (eine kürzere Version des Spiels mit sieben statt 15 Spielern pro Team) den Rugby-Giganten Neuseeland. Aktuell kämpft Kenia um die Rückkehr in die World Series.

Der Vorsitzende von "Kenya Rugby", Sasha Mutai, der an jenem Tag im Jahr 2009 in Tränen aufgelöst war, arbeitet an Plänen zur Gründung einer professionellen Liga, die aus sechs Teams bestehen soll und von privaten Eigentümern unterstützt wird. "Man muss ehrgeizig sein, denn das Talent ist da", sagte Mutai der DW. "Es ist, als wären wir in der Demokratischen Republik Kongo und man wirft einen Stein und bekommt Diamanten oder Kobalt."

Um diese Talente zu mobilisieren, müssen Mensah und alle Beteiligten an vielen Fronten gewinnen, unter anderem im Umgang mit der frankophonen und anglophonen Kultur Afrikas. Rolande Boro, Präsident des Rugbyverbands von Burkina Faso, glaubt, dass französischsprachige Länder in Afrika es schwerer haben.

"Es ist ein ernstes Problem. Französischsprachige Länder haben Schwierigkeiten, in Gang zu kommen", erklärt Boro und hebt die positiven Auswirkungen hervor, die das südafrikanisches Rugby auf seine anglophonen Nachbarn Namibia und Simbabwe hatte.

Das Rugby-Erbe zwischen den beiden Kulturen sei nicht dasselbe, so Boro. So sei Rugby Teil der Commonwealth Games, wurde aber nicht im französisch geprägten Äquivalent, den "Jeux de la Francophonie", aufgenommen. Aufstrebende Rugby-Nationen wie Burkina Faso hätten sich zudem erfolgreich auf das Siebener-Format konzentriert, statt auf das vollwertige 15-gegen-15-Spiel, bei dem taktische Aspekte im Vordergrund stehen und schwieriger zu entwickeln sind.

Der in Kamerun geborene ehemalige französische Nationalspieler Serge Betsen ist anderer Meinung. Es gebe keinen Unterschied zwischen anglophonen und frankophonen Ländern in Afrika in Bezug auf Rugby, so Betsen gegenüber der DW. "Rugby gibt es überall auf der Welt, aber das Problem ist, dass es nicht genug entwickelt ist, um eine gewisse Sichtbarkeit zu haben. Rugby muss daran arbeiten, mehr Ressourcen für den Sport bereitzustellen, um ihn für alle zugänglich zu machen."

Das afrikanische Paradies als Chance nutzen

Herbert Mensa möchte dazu die natürlichen und spektakulären Landschaften Afrikas als Kulisse für eine Siebener-Rugby-Serie nutzen. "Als Afrikaner haben wir die Zeiten von Dürre, Wüstenhunger und Staatsstreichen hinter uns gelassen", sagt Mensah. "Was wäre, wenn wir zum Beispiel eine Siebener-Rugby-Serie hätten, die Mauritius, eine Safari in Kenia, Kampala, die Victoriafälle und Kapstadt umfassen würde? Die Kamera würde auf das Paradies heranzoomen."

Mensahs Idee klingt wie der Traum eines Sportinvestors, aber sie hat auch praktische Vorteile: Siebener-Rugby ist nicht nur ein weniger kompliziertes Spiel, sondern wird als olympische Sportart auch über andere Kanäle finanziert. "Siebener-Rugby ist die Zukunft des Sports, weil es viel weniger Investitionen erfordert", sagt Betsen. "Man braucht nur zehn Leute, um ein Team zu haben. Es ist eine Revolution, und die afrikanischen Länder sollten sich die olympische Dynamik des Sports zu Eigen machen." Siebener-Rugby könne "ein gutes Fenster für die Entwicklung des Sports in Afrika sein".

Vielleicht ist Mensahs Vision zu groß, das afrikanische Rugby zu unzusammenhängend, der Beitrag von "World -Rugby" zu gering. Aber vielleicht spielt das auch alles keine Rolle. "Wegen seiner Werte ist Rugby der beste Sport der Welt", sagt Betsen, der in Kamerun und Mali Rugby-Wohltätigkeitsorganisationen gegründet hat. "Es bringt Gemeinschaften zusammen, man denke nur an das, was Nelson Mandela in Südafrika getan hat."

Nach jahrelangen Bemühungen ist "Rugby Africa" bereit, auf die Zielgerade einzubiegen. Jetzt muss sich zeigen, ob sie den Ball auch ins Ziel bringen können.

Aus dem Englischen adaptiert von Olivia Gerstenberger.

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