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Burundi "schon mitten im Bürgerkrieg"

Eric Topona5. Februar 2016

Burundis Regierung will keine Truppen der Afrikanischen Union auf ihrem Territorium. Gegen Kritiker geht sie brutal vor. Die Chance auf einen Dialog sei verstrichen, sagt Journalist Bob Rugurika im DW-Interview.

Zwei burundische Soldaten stehen Wache.
Bild: Getty Images/S. Platt

DW: Herr Rugurika, im Konflikt um die dritte Amtszeit von Burundis Präsident Pierre Nkurunziza sind bereits über 400 Menschen gestorben, hunderttausende haben die Flucht ergriffen. Die Afrikanische Union will aber ohne die Zustimmung der Regierung in Bujumbura keine Truppen in das Land entsenden. Bujumbura lehnt eine AU-Mission mit der Begründung ab, es gebe in Burundi gar keine Partei, die Krieg führe. Ist das ein akzeptabler Grund?

Die burundische Regierung hat bis heute keine ernstzunehmenden Gründe gegen die AU-Truppen geliefert. Die illegale Regierung hat mit demagogischen Mitteln die eigene Nation und die internationale Gemeinschaft getäuscht. Die internationale Gemeinschaft nahm die Wiederwahl Nkurunzizas tatenlos zur Kenntnis, davon profitierte seine Regierung. Die begrenzten Sanktionen, die bisher verhängt wurden, reichen aber nicht. Der Machtapparat massakriert weiterhin die eigene Bevölkerung und macht Kritiker mundtot. Das Regime von Nkurunziza hat eine Lobby innerhalb Afrikas, aber auch in Europa.

Wenn Sie von einer Lobby sprechen, glauben Sie, dass die internationale Gemeinschaft absichtlich die Augen verschließt?

Die internationale Gemeinschaft schweigt nicht, sie macht sich schon Sorgen. Das Problem ist ihre Zerstrittenheit - wie sie sich auch in anderen Krisen der Welt zeigt. Man spürt in Burundi, dass die internationale Gemeinschaft Nkurunziza stoppen möchte, aber sie wird von bestimmten Verantwortlichen der AU und des UN-Weltsicherheitsrats blockiert. Vermutlich sind diese gar nicht im Bilde über die Lage in Burundi. So dokumentiert der Fall Burundi heute das gigantische Scheitern der Staatengemeinschaft.

Der Exil-Journalist Bob RugurikaBild: DW/M.Müller

Wenn Nkurunziza weiter massakrieren darf, wird es keine großen Mächte mehr geben. Den Hollandes, Merkels und Obamas dieser Welt droht der Verlust ihres Prestiges. Wenn Nkurunzizas Verbrechen straflos bleibt, wird das andere Formen der Gewalt hervorrufen. Die burundische Bevölkerung ist heute überzeugt, dass ihr Überleben nur durch den bewaffneten Kampf möglich ist. Diesen Schaden hat die internationale Untätigkeit schon angerichtet.

Amnesty International hat anhand von Satellitenbildern Massengräber in der Hauptstadt Bujumbura dokumentiert. Glauben Sie, dass es sich um gezielte ethnische Massaker handelte?

Überhaupt nicht. Das Regime von Nkurunziza hat im Jahr 2006 Mitglieder der FNL (sogenannte "Nationale Kräfte für die Befreiung", Anm. d. Red.) exekutiert, obwohl die meistens Hutu sind - also der Ethnie des Präsidenten angehören. Sie wurden beschuldigt, Teil des politischen Zweigs zu sein, der gegen Nkurunziza rebellierte. In den Jahren 2010, 2011 und 2013 gab es fast 200 außergerichtliche Tötungen von Hutu und Tutsi, die von den Vereinten Nationen und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) dokumentiert wurden. Das zeigt, dass Nkurunziza nicht nach Ethnien unterscheidet, wenn darum geht, Kritiker mundtot zu machen.

Besteht denn überhaupt das Risiko eines Genozids in Burundi, wie Kritiker fürchten?

Der Machtapparat ist gerade dabei, eine Hassbotschaft mit einer ethnischen Komponente zu entwickeln. Das Arusha-Abkommen von 2000 hatte den Burundern die Möglichkeit geschaffen, friedlich zusammenzuleben und in den staatlichen Institutionen zusammenzuarbeiten. Nkurunziza wird in seinem Machtzirkel von Tutsi-Angehörigen hofiert. Trotzdem betrachtet er sie als Marionetten. Es ist interessant zu beobachten, dass die Opposition aus allen Ethnien besteht. Auch viele ehemalige Mitstreiter und Parteifreunde Nkurunzizas gehören dazu, etwa der ehemalige Parteisprecher, der Ex-Geheimdienstchef, der frühere Parlamentspräsident und der zweite Vize-Präsident: Sie sind alle Hutu. Das Regime manipuliert diese ethnische Komponente, um der internationalen Gemeinschaft Angst vor einem Genozid einzujagen.

Die Opposition, die Zivilgesellschaft und die Bevölkerung hoffen auf einen politischen Dialog. Glauben Sie daran?

Ich möchte weder die Bevölkerung noch die internationale Gemeinschaft enttäuschen, aber nach meiner Erfahrung ist das derzeitige Regime in Bujumbura nur durch Gewalt charakterisiert. Es glaubt nicht an eine demokratische Kultur und kennt keine Toleranz. Deshalb glaube ich nicht wirklich an einen Dialog.

Was empfehlen Sie, um die Krise zu beenden?

Nkurunziza wird sich nur sehr starkem Druck beugen, insbesondere finanziellem Druck. Die Auswirkungen sind bereits zu spüren: Das wirtschaftliche Leben in Bujumbura ist zum Erliegen gekommen, die Zentralbank bewegt sich auf den Bankrott zu. Neue Gesetze erlauben es dem Staat, Vermögen zu enteignen. Nkurunziza interessiert das leider nicht, solange er und seine Familie versorgt sind. Man sollte die Bewegungsfreiheit seiner Vertrauten einschränken, seine Entourage sollte keine Visa mehr bekommen - und natürlich sollten internationale Streitkräfte in Burundi stationiert werden, ob mit Nkurunzizas Willen oder nicht. Nkurunziza repräsentiert heute nicht mehr den Staat Burundi.

Viele Oppositionelle werden beschuldigt, mit bewaffneten Gruppierungen zu kooperieren. Widerspricht das nicht dem, was Sie sagen?

Da die internationale Gemeinschaft es versäumt hat, ihre Rolle als Schlichter wahrzunehmen, bleibt der Opposition keine andere Wahl als der bewaffnete Kampf zur Selbstverteidigung.

Fürchten Sie einen Bürgerkrieg?

Wir sind schon mittendrin. Die burundische Regierung hat das Land in eine Gewaltspirale geführt. Auf welchen Bürgerkrieg wartet man noch? Wenn der Staat seine Bevölkerung tötet und wenn diese Bevölkerung sich entscheidet, einen bewaffneten Kampf zu führen, wie nennt man das? Wir zählen bereits Tausende von Toten.

Kann es mit Pierre Nkurunziza einen Ausweg aus dieser Krise geben?

Nkurunziza ist der Grund dieser Krise und der Grund muss entfernt werden, damit wir Lösungen finden können. Die Lösung kann nicht von Nkurunziza kommen.

Bob Rugurika leitete den Radiosender Radio Publique Africaine (RPA), der wegen seiner kritischen Haltung zerstört wurde. Rugurika lebt inzwischen im Exil.

Das Interview führte Eric Topona

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