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Politik

"Ruhig, Brauner!"

17. Oktober 2018

Wie die Kesselflicker streiten CDU, CSU und SPD in der Regierung. Und jetzt kommen auch noch die Pferde hinzu. Das ist gar keine schlechte Idee, findet Jens Thurau.

BdTD Australien Pferd rollt sich im Sand
Bild: Getty Images/V. Caligiuri

Darf sich Andrea Nahles um Pferde kümmern? In diesen Zeiten? Auf keinen Fall, finden viele ihrer Parteigenossen, das meldet jetzt die Deutsche Presseagentur. Schließlich wird die SPD, deren Chefin Nahles ist, ja gerade in allen Wahlen ganz nach hinten durchgereicht. Etwas über neun Prozent bei der Landtagswahl in Bayern: Das hätte vielleicht auch die örtliche "Reiterliche Vereinigung" geschafft. Und was tut die Chefin?

Der "Parlamentskreis Pferd"

Sie will sich "federführend" (wäre hier nicht "zügelhaltend" besser?) an der Gründung des "Parlamentskreises Pferd" beteiligen, zusammen mit anderen Pferdenarren von Union und FDP. Das meldet das Fachblatt aller deutschen Tierfreunde, die "Bild-Zeitung", auf Seite 2 an diesem Mittwoch. Im Gründungsaufruf wird straff vermerkt, dass es 1,6 Millionen Reiter gibt in Deutschland. Und dass mehr als 300.000 Menschen mit dem Pferd ihr Geld verdienen.

Okay, und jetzt? Schon murren sie in der SPD-Fraktion, die Vorsitzende solle sich angesichts der Krisen und Wahlabstürze um wirklich wichtige Dinge kümmern.

"Oh Gott, diese Nase!"

Das ist natürlich falsch. Die Bedeutung des Pferdes in der Politik und in der echten Welt wird ja permanent unterschätzt. Ich finde auch, dass die kleinliche Kritik an Andrea Nahles reichlich parteipolitisch gefärbt ist. War nicht zuletzt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Sommer zu Besuch im "Landgestüt Gomadingen-Marbach", und wurde dort (so ein Augenzeugenbericht) von "neugierigen Fohlen von Vollblutarabern" beschnuppert und rief vor Freude: "Oh Gott, diese Nase"? Eben.

Napoelons Tochter? Nein, Ursula von der Leyen, glücklich auf dem PferdBild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Außerdem kommt das Pferd immer mal wieder in harten politischen Auseinandersetzungen vor. Noch im vergangenen Jahr giftete der SPD-Politiker Hubertus Heil gegen den CSU-Politiker Alexander Dobrindt und nannte ihn "die schlechteste Personalwahl, seit Caligula sein Pferd zum Senator ernannt hat". Das zeigt: Das Pferd ist schon da in der Politik, Nahles heißt es nun nur offiziell willkommen, sozusagen.

Guter Tipp: Nur am Bügel festhalten!

Und vielleicht können ja Dichter und Denker, denen das Pferd am Herzen lag, den bedrängten Politikern aller Parteien weiterhelfen und sie inspirieren? Wie etwa der Dichter Friedrich Rückert, der schon vor gut 150 Jahren riet: "Wenn dein Ross ist gescheiter, als du selber, der Reiter, so lasse dem Rosse die Zügel, und halte dich nur am Bügel." Für mehr als neun Prozent ist dieser Tipp allemal gut. Oder hier eine alte Weisheit aus den Niederlanden, wie ausgedacht für den CSU-Innenminister Horst Seehofer: "Es gibt Pferde für die Arbeit und Pferde für die Zurschaustellung."

Wo wäre ich jetzt am liebsten? Bei meinem Pferd!Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Falls Andrea Nahles gerade eher wenig Spaß hat am Leben in der Politik, könnte man verstehen, wenn sie den Rat der Lyrikerin Lilo Gerstenberg beherzigte: "Komm, mein großer Brauner, komm, trag mich in die Weiten. Horch: Das Leben ist zu kurz, lass uns reiten! Reiten!"

"Ruhig, Brauner!"

Und für alle Pferdehasser und Unentspannten in der SPD, für alle Koalitionskrisen-Verursacher und alle Panik-Macher sei an die Reihenfolge beim rechten Umgang mit dem Pferd erinnert (und auch in der guten Politik), wie sie der Dichter Carl Weitbrecht beschrieb: "Erst satteln, dann reiten! Doch ist zuzeiten, verloren der Mann, der ohne Sattel nicht reiten kann."

So ist es. Ich glaube: Andrea Nahles wird demnächst beim Reiten die Idee zur Rettung der SPD kommen. Wo sonst. Und wehe, von den Rechtspopulisten in der AfD meldet sich jetzt auch noch jemand zum Komplex Nahles/Pferd. Dem sei zugerufen:  "Ruhig, Brauner!"