Ausblick auf das Ruhr.2010-Programm
1. Januar 2010Es ist bereits nach 18 Uhr. Hinter den Schaufenstern eines Gebäudes nicht weit vom Essener Hauptbahnhof scheint aber noch lange nicht Feierabend zu sein: Junge Leute mit modischen Lockenfrisuren und angesagten Retro-Brillen haben sich um ein Notebook versammelt und diskutieren angeregt. Hier sind die Redaktionsräume des "2010lab", eines der großen Projekte im Jahr der Kulturhauptstadt 2010.
Ruhrgebiet: Neuer Standort für Kunst und Design
"'2010lab' ist eine Plattform für alle Kreativen, dazu gehören natürlich auch Kreativunternehmen, davon gibt es ja genug im Ruhrgebiet, und die können sich bei uns präsentieren", erklärt Anja Distelrath, Redakteurin beim "2010lab". "Wir haben eine Community, aber keine Community im herkömmlichen Sinne wie Facebook, sondern unsere Community beschränkt sich auf die Kreativen, die Akteure aus der Kreativwirtschaft."
Auf ihrer Webseite sollen Menschen und Firmen der Kreativbranche die Möglichkeit haben, sich zu vernetzen und für Außenstehende zu präsentieren. Gleichzeitig berichten Autoren über kulturelle Ereignisse und Projekte im Ruhrgebiet. Die Kulturhauptstadt "Metropole Ruhr" positioniert die Kreativwirtschaft gleichberechtigt neben öffentlich finanzierter Kultur. Die noch neue Branche soll gestärkt und der Strukturwandel angekurbelt werden: Weg von der ehemaligen Kohle- und Stahlindustrie hin zu einem lebendigen, jungen Standort für Kunst, Design und Kultur.
Ein vollgepacktes Programm
In nächster Zeit wird es viel zu berichten geben - alleine im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 sind 300 Projekte und 2500 Veranstaltungen geplant. "Ich freue mich wahnsinnig auf den 18. Juli", erzählt Asli Sevindim, künstlerische Direktorin der Kulturhauptstadt. "An dem Tag werden wir auf 60 km Länge zwischen Duisburg und Dortmund die A40 sperren und die größte Tafel der Welt aufbauen und alle Menschen aus dem Ruhrgebiet, aus der Metropole Ruhr, egal welcher Herkunft, welcher Religion, welcher Kultur und aus welchem sozialen Milieu auch immer, einladen, sich mit uns an einen Tisch zu setzen."
Ein weiteres Großprojekt sind die so genannten Schachtzeichen. Bis zu 400 gelbe Ballons werden im Mai die ehemaligen Schächte des Ruhrgebietes markieren. Sie sollen an 80 Meter langen Fahnen über dem Boden schweben und so an riesige Stecknadeln erinnern. Die Kulturhauptstadt Ruhr wendet sich an Menschen jeglichen Alters und jeglicher sozialer Herkunft, sagt Geschäftsführer Oliver Scheytt. Neben den Massenveranstaltungen für jedermann gibt es zahlreiche Veranstaltungen für den eher individuellen Geschmack: "Die Neubauten der Museen, allen voran das Museum Folkwang und das Ruhrmuseum in Essen sind mit ihren Ausstellungen bereits jetzt in besonderer Weise in Erscheinung treten." Es werde auch so etwas wie einen Henze-Zyklus geben: Hans-Werner Henze ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. "Ihm ist der größte Musikzyklus gewidmet, der je einem lebenden Komponisten gewidmet worden ist", so Scheytt.
Altes Industrie-Image weg, neues Kultur-Image her
Das Ruhrgebiet will weg von den Klischees. Immer noch sind die Bilder von Dreck, grauen Arbeitersiedlungen und Großindustrie in den Köpfen vieler Menschen. Dabei ist die Region grün geworden. Das beweisen die 600 Kilometer Radweg. Zahlreiche Kulturzentren haben sich in stillgelegten Industriebauten entwickelt.
All das will die künstlerische Direktorin Asli Sevindim zeigen: "Wenn wir uns nur mal die Zahlen angucken würden, wie viele Museen wir haben, wie viele Konzertstätten, wie viele Theater - da können wir zahlenmäßig mit den Weltmetropolen mithalten. Das ist schon gigantisch." Auf der anderen Seite habe das Ruhrgebiet aber ein ganz anderes Flair. Asli Sevindim finde das aber gerade so sympathisch. "Wo sonst haben Sie die Möglichkeit, am Wasser zu sitzen, neben Ihnen grasen Kühe und irgendwo am Himmel sehen Sie so riesige Schlote und dahinter geht die Sonne unter. Das ist eben eine ganz eigene Form von Landschaft und eine ganz eigene Form von Romantik und ich freue mich und bin stolz darauf, das anderen zeigen zu können."
2010 und dann noch weiter
Dass die anderen kommen und staunen, aber vor allem auch bleiben und investieren in die vom mühsamen Strukturwandel gebeutelte Region mit den konstant hohen Arbeitslosenzahlen, das wünschen sich alle. Unter anderem wegen der Wirtschaftskrise mussten schon einige Großprojekte abgesagt werden. Und die Eröffnungsfeier findet jetzt doch nicht im Fußballstadion auf Schalke, sondern in einem nicht ganz so gigantischen Rahmen in der Zeche Zollverein statt.
Alles in allem hat die Kulturhauptstadt Ruhr mit ihren 53 Städten 60 Millionen Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Linz in Österreich bekam im letzten Jahr alleine 73 Millionen. Die Projekte, die nun realisiert werden, sollen jedenfalls nachhaltig etwas in der Region bewirken, hoffen die Organisatoren. Auch die Internetplattform "2010lab" soll sich langfristig in der kreativen Szene etablieren, so Anja Distelrath. "Wir hoffen natürlich, dass wir darüber hinaus Bestand haben, wie genau das aber aussehen wird, darüber wollen wir jetzt noch keine Prognose abgeben und können wir letzten Endes auch nicht."
Autor: Sola Hülsewig
Redaktion: Nicole Scherschun