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Politik

Rumänien: Auf der Suche nach Normalität

Robert Schwartz
22. November 2019

Amtsinhaber Klaus Iohannis geht als Favorit in die Stichwahl um die Präsidentschaft Rumäniens. An diesem Sonntag wird sich zeigen, ob sein Streben nach einem "normalen Rumänien" weiterhin Erfolg haben wird.

Rumänien Präsidentschaftswahl
Bild: Reuters/Inquam Photos

Hermannstadt/Sibiu im November 2019. Die schnuckelige mittelalterliche Stadt in Siebenbürgen/Transsilvanien hat sich weihnachtlich herausgeputzt. Es ist der schönste Weihnachtsmarkt in Rumänien, heißt es überall im Land. Staatschef Klaus Iohannis darf stolz sein auf "seine" alte Stadt. Hier hat er als Oberbürgermeister seinen fulminanten Aufstieg in die rumänische Politik gestartet. Die Stadt wurde in den 14 Jahren seiner Amtszeit zum Vorzeigeobjekt gelungener Kommunalpolitik in einem Land, das sich dank Vetternwirtschaft und Korruption nur schwer von seinem kommunistischen Erbe loszulösen schien.

Mit einem Sack voller Vorschusslorbeeren war Klaus Iohannis vor fünf Jahren zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Sein Motto, Rumänien "Schritt für Schritt" verändern zu wollen, hatte eine Mehrheit überzeugen können. Doch ziemlich schnell musste Iohannis, der von der liberal-konservativen PNL aufgestellt worden war, erkennen, dass Bukarest ein ganz anderes Pflaster war als seine behütete Stadt. Seine politischen Gegner, allen voran die postkommunistische nominell sozialdemokratische PSD, hatten schnell seine "wunden" Punkte erkannt und sie national-populistisch ausgeschlachtet. Iohannis gehört der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen an, ist - anders als die meisten Rumänen - nicht orthodox, sondern evangelisch-lutherisch. Er ist ein überzeugter Europäer, der mehrere Sprachen spricht. Die meisten Rumänen dürften nach wie vor keine Probleme damit haben. Doch für die links-nationale Propagandamaschine waren dies genau die Zutaten, um eine permanente Verleumdungskampagne zu starten: Iohannis sei kein "echter" Rumäne, er könne sein Land nicht wie ein "wahrer" Patriot lieben, er würde sein Land in Brüssel und Berlin "verkaufen" - und das noch auf Deutsch oder Englisch.      

Iohannis hat der postkommunistischen PSD den Kampf angesagt 

Nicht nur aus diesem Grund hat Klaus Iohannis im aktuellen Wahlkampf eine TV-Debatte mit seiner Herausforderin Viorica Dancila, PSD-Chefin und vor wenigen Wochen geschasste Premierministerin, abgelehnt. Er wolle seinen Gegnern keine Plattform für persönliche Angriffe bieten, sagte der Präsident. Die PSD sei eine Kraft, die in den letzten drei Jahren '"Krieg" gegen das eigene Land, gegen die eigenen Bürger geführt habe. Mit einer solchen Partei könne man keine normale Debatte führen, erklärte der Präsident.

Klaus Iohannis war 14 Jahre lang Oberbürgermeister in Hermannstadt/SibiuBild: picture-alliance /AA/M. Barbu

Iohannis hat der postkommunistischen PSD offen den Kampf angesagt. Bis vor kurzem noch an der Regierung, hat die PSD einen Rückbau des demokratischen Rechtsstaats vorangetrieben, der nicht nur von Iohannis, sondern auch von der EU-Kommission und dem Europaparlament mehrfach heftig kritisiert wurde. Anfang 2017 hatten die Versuche der PSD, den Kampf gegen Korruption abzuschwächen und die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen, zu Massenprotesten in Bukarest und dem ganzen Land geführt. Der Präsident war damals dem verzweifelten Ruf der Zivilgesellschaft gefolgt und hatte sich zu den Demonstranten vor dem Regierungspalast gesellt. Später musste er sich allerdings dem Druck der Regierung und des von der PSD dominierten Verfassungsgerichts beugen und einen Teil der umstrittenen "Justizreform" akzeptieren. Auch gegen die Absetzung der international geschätzten Leiterin der Antikorruptionsbehörde, Laura Kövesi, war er letztendlich machtlos. Andererseits: Dank seiner klaren Haltung für eine unabhängige Justiz und gegen die Schwächung des Rechtsstaats konnte er zumindest einige der geplanten Vorhaben stoppen, durch die korrupten Politikern Straffreiheit garantiert worden wäre.      

Viele Rumänen wollen eine Abkehr vom Establishment 

Iohannis wird eine übertriebene Verfassungstreue vorgeworfen - vor allem von den jüngeren Rumänen, die ihr Land zuhauf verlassen, weil sie das Vertrauen in die Politik verloren haben. Viele Rumänen wollen einen authentischen Wechsel, eine neue, demokratische Verfassung, eine Abkehr vom Establishment, das 30 Jahre nach der Wende immer noch die Fäden in der Hand hält. Die Chancen dafür stehen gut. Bei den Europawahlen am 26. Mai haben die pro-europäischen Kräfte (PNL und die Newcomer-Allianz USR-PLUS) eine Mehrheit der Stimmen erzielen können. Die PSD musste ihr schlechtestes Ergebnis seit ihrer Gründung hinnehmen. Nur einen Tag später wurde der allmächtige PSD-Chef und Strippenzieher Liviu Dragnea zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs verurteilt und musste ins Gefängnis. Knapp ein halbes Jahr später entzog eine neue Mehrheit aus bisherigen Mitläufern und Überläufern im Parlament dem Kabinett Dancila das Vertrauen, die PNL unter Parteichef Ludovic Orban übernahm die Regierung. Diese hängt zwar am Tropf der nicht immer freundlich gesinnten parlamentarischen Zweckmehrheit, kann aber gemeinsam mit Iohannis für eine Rückkehr zur "Normalität" sorgen, die sich der Staatschef in seiner zweiten Amtszeit wünscht. Sollte man den Umfragen Glauben schenken, dürfte er bei der Stichwahl an diesem Sonntag seinem Ziel einen Schritt näher kommen.      

Viorica Dancila lag in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen mit 22,26 Prozent der Stimmen weit hinter Klaus Iohannis (37,82 Prozent) Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Dobre
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