Rumänien: Präsident Iohannis tritt zurück - eine Bilanz
12. Februar 2025
Es ist ein unrühmliches Ende und der letzte Akt einer gescheiterten Präsidentschaft. Rumäniens Staatschef Klaus Iohannis ist am heutigen Mittwoch (12.02.2025) nach zwei Amtszeiten und mehr als zehn Jahren im Amt zurückgetreten. Sein Nachfolger bis zur Wahl eines neuen Präsidenten ist verfassungsgemäß Ilie Bolojan, der Präsident des Senats, der Oberkammer des rumänischen Parlaments.
Damit geht die Epoche eines Mannes zu Ende, der einst als Held der Reformen und der grundlegenden Erneuerung Rumäniens gefeiert worden war und der nun als unbeliebtester postkommunistischer Staatschef abtritt.
Seine Markenzeichen als Präsident waren Schweigen, mangelnde Präsenz in der Öffentlichkeit und - wenn er sich gelegentlich doch äußerte - zumeist unangemessen wirkende, teils haarsträubende Wortmeldungen, bis hin zu nationalistischer Hetze. Und das, obwohl er selbst einer deutschen Minderheit im Land - der siebenbürgisch-sächsischen - angehört. Zu Iohannis' schwerwiegendstem Erbe als Präsident zählt, dass rechtsextreme, prorussische Kräfte im Land so stark sind wie nie zuvor in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten.
Amtsenthebungsverfahren im Parlament
Iohannis' Rücktritt kommt, nachdem seine zweite Amtszeit formal im Dezember 2024 endete, er aber wegen der annullierten Präsidentschaftswahl vorübergehend noch im Amt bleiben wollte - bis zur neu anberaumten Wahl im Mai 2025. Zwar kann ein Präsident in Rumänien nicht länger als für zwei Mandate amtieren, doch das Verfassungsgericht hatte die Verlängerung als rechtlich zulässig erklärt.
Auslöser für den nun dennoch vorzeitigen Rückzug, den Iohannis am Montag (10.02.2025) überraschend angekündigt hatte, ist ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn im Parlament. Das hatten drei rechtsextreme Parteien erfolgreich in Gang gesetzt, unterstützt von einer progressiv-liberalen Partei. Eine tatsächliche Amtsenthebung bis zum Termin der neuen Präsidentschaftswahl wäre zwar unwahrscheinlich, da das Verfahren langwierig und an ein Referendum gebunden ist. Doch wollte Iohannis der Debatte um seine Person offenbar zuvorkommen. Er selbst begründete seinen Schritt damit, dass das Amtsenthebungsverfahren "unnütz" und "schädlich" sei, da das Verfahren von der kommenden Präsidentschaftswahl nur abgelenkt hätte. Auch hätte Rumänien sich international "zum Gespött" gemacht.
Rumänische Beobachter kommentieren Iohannis' Schritt unterschiedlich. Einige befürchten, dass die Rechtsextremen damit einen Sieg feiern könnten. Andere argumentieren mit dem Gegenteil - Iohannis handele klug, da er den Rechtsextremen eines ihrer Themen wegnähme, nämlich sein angebliches Kleben an der Macht.
Annullierte Präsidentschaftswahl
Fest steht jedoch: Die Ursachen für die aktuell verfahrene politische Situation sind mit Iohannis' Rücktritt nicht beseitigt. Die erste Runde der Präsidentschaftswahl hatte Ende November 2024 völlig überraschend der Außenseiter Calin Georgescu gewonnen, ein rechtsextremer, prorussischer Verschwörungstheoretiker, der dafür plädiert, die Ukraine zu zerschlagen und aufzuteilen. Zudem ist Georgescu Esoteriker sowie Apologet der christlich-orthodoxen rumänischen Faschisten der Zwischenkriegszeit.
Der Wahlgang war vom rumänischen Verfassungsgericht zunächst als korrekt bewertet, kurz darauf aber wegen angeblicher Wahlmanipulation und eines "hybriden Angriffs" aus Russland annulliert worden. Obwohl Georgescu in Moskau bejubelt wird, gibt es bis heute keine konkreten Belege für eine von Rumäniens Geheimdiensten behauptete und von Iohannis persönlich verkündete Einmischung in die Wahl. Einem großen Teil der rumänischen Öffentlichkeit erscheint die Annullierung der Wahl daher als Missachtung des Wählerwillens und als Versuch des weithin verhassten politischen Establishments, seine Macht zu retten.
Klientelismus und Korruption
"Establishment" - das steht in Rumänien für eine selbstherrliche politische Klasse, die ein bis in kleinste öffentliche Strukturen funktionierendes Klientelsystem errichtet hat und deren prominente Vertreter zumeist in Korruptionsaffären verstrickt sind. Iohannis hatte seine erste Wahl zum Präsidenten Ende 2014 auf einer damals bereits seit anderthalb Jahren andauernden Welle des breiten zivilen Protestes gegen korrupte Regierungen gewonnen. Von ihm, dem erfolgreichen deutschstämmigen Bürgermeister im pittoresken siebenbürgischen Hermannstadt (Sibiu), erhofften sich viele Rumänen ein besseres Land: transparenter, rechtsstaatlicher, bürgerfreundlicher.
Das war eine überzogene Heilserwartung und ein von Iohannis auch wider besseres Wissen gepflegtes Missverständnis: Der Staatspräsident hat in Rumänien nur eingeschränkte innenpolitische Befugnisse. Ohne eine mit ihm politisch verbündete Regierung kann er nur wenig ausrichten. Allerdings ist er die wichtigste öffentliche Stimme des Landes. Er kann auf diese Weise viele Debatten anstoßen und die politische Klasse zum Handeln bewegen.
Enttäuschungen und Fehlentscheidungen
Doch Iohannis wirkte bald wie eine Fehlbesetzung im Amt und erwies sich als passiver Präsident. Tiefpunkte in seiner ersten Amtszeit waren der Entzug eines Staatsordens für den ungarischstämmigen Pastor Laszlo Tökes, dessen antikommunistischer Widerstand die Revolution gegen den Diktator Ceausescu ausgelöst hatte, sowie die Entlassung der damaligen Anti-Korruptionsstaatsanwältin Laura Kövesi, heute Chefin der Europäischen Staatsanwaltschaft. Im ersten Fall hatte Iohannis einer nationalistischen Kampagne nachgegeben, im zweiten Fall formalrechtlichen Argumenten.
Zu einem Präsidenten krasser öffentlicher Fehltritte wurde Iohannis in seiner zweiten Amtszeit seit 2019. Im Frühjahr 2020 hetzte er - der Angehörige einer nationalen Minderheit - in einer Ansprache an die Nation gegen die ungarische Minderheitin Rumänien, beschuldigte ihre Vertreter des Separatismus, verunglimpfte die ungarische Sprache und warf den damals oppositionellen Sozialdemokraten vor, bei dem vermeintlichen ungarischen Plan, Siebenbürgen abzuspalten, mitzuhelfen. Das weckte Assoziationen an die dunkelsten Zeiten des rumänischen Nationalismus. Später ebnete Iohannis ausgerechnet jenen Sozialdemokraten den Weg zurück an die Macht - obwohl sie in Rumänien als Inbegriff der Parteienkorruption und des Widerstands gegen Reformen gelten.
Rückzug aus der Öffentlichkeit
Zugleich zog Iohannis sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Schlagzeilen machte er mit der finanziell aufwendigen Renovierung seines Amtssitzes und seiner offiziellen Residenzen sowie mit teuren Reisen in einem kleinen Luxus-Jet - in einem Land, das zu den ärmsten der Europäischen Union zählt. Kurz nach dem Höhepunkt der Covid-Pandemie empfahl er den gebeutelten Rumänen bei einem Auftritt in weißem Anzug, zur Entspannung Golf zu spielen.
Als Verdienst wird Iohannis angerechnet, dass er Rumäniens feste und treue außenpolitische Anbindung an die EU und die NATO garantiert habe. Innenpolitisch steht dem jedoch gegenüber, dass rechtsextreme Parteien, die für einen Austritt aus EU und NATO plädieren, nach der Parlamentswahl von Ende 2024 so stark sind wie nie zuvor im postkommunistischen Rumänien. Drei rechtsextreme Parteien verfügen im Parlament über 35 Prozent der Sitze. Das ist nicht zuletzt auch der als abgehoben und arrogant wahrgenommenen Amtsführung des Präsidenten zu verdanken.
Angetreten war er 2014 mit dem Slogan, ein "Präsident der gut gemachten Sache" zu werden - im Rumänischen eine Anspielung auf das Image des gründlichen, verlässlichen Deutschen, dessen Arbeit Hand und Fuß hat. Der rumänische Publizist Cristian Tudor Popescu paraphrasierte das nun mit den Worten, Iohannis sei der "Präsident des gut gemachten Desasters" gewesen.