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Rumänien schüchtert Umwelt-NGOs ein - Greenpeace vor Gericht

6. Juni 2025

Das staatliche Gasunternehmen Romgaz hat Greenpeace Rumänien verklagt und fordert die Auflösung der Organisation. Kritiker sehen darin einen Angriff auf die Zivilgesellschaft - bei weitem nicht den ersten.

Ein Mann in einem dunklen Anzug mit einem roten runden Anstecker am Revers spricht in zwei Mikrofone. Hinter ihm sind Fahnen zu sehen
Der rumänische Energieminister Sebastian Burduja gratulierte Romgaz zur Klage gegen Greenpeace Bild: Zoltan Balogh/MTI/AP Photo/picture alliance

Die rumänische Regierung geht in die Offensive gegen kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft. In einem beispiellosen Schritt verklagt der staatliche Energiekonzern Romgaz nun Greenpeace Rumänien und will, dass die Nichtregierungsorganisation (NGO) aufgelöst wird. Romgaz gehört zu 70 Prozent dem rumänischen Staat, die Klage wird vom Energieministerium unterstützt.

Der Prozess reiht sich ein in einen stärker werdenden Trend, sagt der rumänische Politikwissenschaftler Cristian Pirvulescu: "Mehrere Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Umwelt und Menschenrechte wurden verstärkt unter die Lupe genommen - sei es durch plötzliche Inspektionen, aufwändige Berichterstattungspflichten oder eine öffentliche Rhetorik, die ihre Legitimität in Frage stellt. Zusammengenommen zeigt sich systematischer Druck, der von einem starken bürgergesellschaftlichen Engagement abschrecken kann."

Erdgas im Schwarzen Meer

Die aktuelle Eskalation ist Teil einer Debatte, die schon länger geführt wird. Denn im Schwarzen Meer vor der Küste Rumäniens liegt ein riesiges Erdgasvorkommen. Die österreichische Firma OMV und der rumänische Konzern Romgaz wollen dieses Erdgas fördern - etwa 100 Milliarden Kubikmeter. Damit könnte Rumänien zum größten Erdgasproduzenten der EU aufsteigen. Die Regierung erhofft sich Energieunabhängigkeit und Einnahmen in Milliardenhöhe.

2027 soll die Förderung beginnen. Während Investoren jubeln, gehen Umweltschützer auf die Barrikaden - das Unterfangen torpediere die Klimaziele der Europäischen Union, kritisierte allen voran Greenpeace. Die NGO organisiert Proteste und geht auch juristisch gegen das Projekt vor. Mehrere Klagen werden aktuell noch vor Gericht verhandelt.

Im Januar verlor Greenpeace einen Prozess und wurde dazu verurteilt, Gerichtskosten an OMV und Romgaz von jeweils etwa 30.000 Euro zu zahlen. Im Mai verlor Greenpeace ein weiteres Verfahren und muss nun etwa 16.000 Euro an Gerichtskosten an die Unternehmen überweisen.

Eine Zahlungsaufforderung der Unternehmen habe die NGO aber nie bekommen, sagt Greenpeace. Stattdessen habe Romgaz einen Gerichtsvollzieher beauftragt, der feststellte, Greenpeace sei insolvent.

"Absurd, natürlich können wir die Kosten bezahlen", sagt Mihnea Matache, Sprecher von Greenpeace Rumänien. Der Vorwurf ist eng mit einer zweiten Entdeckung verknüpft, die Romgaz glaubt, gemacht zu haben. Es gäbe zwei verschiedene Organisationen mit dem Namen Greenpeace, mit zwei unterschiedlichen Steuernummern. Durch eine Tarnidentität wolle Greenpeace dafür sorgen, im Zweifel nicht haftbar für Strafzahlungen zu sein, lautet der Vorwurf.

Auf dieser Grundlage beantragt Romgaz nun die Auflösung von Greenpeace.

Eine "klassische Einschüchterungsklage"

Greenpeace-Sprecher Mihnea Matache muss über diese Anschuldigungen fast lachen. Ja, Greenpeace habe zwei Steuernummern, sagt er, eine für nationale und eine für internationale Angelegenheiten. "Das ist ganz normal."

Er glaubt nicht, dass die Klage Erfolg haben wird. "Sie wollen damit nur unsere Anhänger verunsichern, unsere Ressourcen erschöpfen, uns ermüden und einschüchtern." 

Mihnea Matache, Pressesprecher von Greenpeace RumänienBild: Tobias Zuttmann

So sieht es auch Politikwissenschaftler Pirvulescu: "Die Klage scheint eher eine Form der Vergeltung gegen ihren Aktivismus und ihre öffentliche Kommunikation zu sein als ein legitimer Rechtsanspruch." Es sei ein klassischer Fall einer Einschüchterungsklage, sagt Pirvulescu.

Im Englischen heißt dieses Vorgehen SLAPP - strategic lawsuit against public participation,  also: eine "strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung". Durch absurd hohe Entschädigungsforderungen und lange Gerichtsprozesse sollen zivile Organisationen finanziell und personell so stark beansprucht werden, dass sie von ihrem Recht, vor Gericht zu ziehen, nicht mehr Gebrauch machen - oder gleich ganz aufgelöst werden müssen.

Ein umstrittener Energieminister

Das Erdgasförderprojekt vor der Küste Rumäniens läuft unter dem Namen "Neptun Deep". Es gilt als eines der wichtigsten Vorhaben von Rumäniens Energieminister Sebastian Burduja. Auf DW-Anfrage teilte das Ministerium mit, nichts mit der Klage von Romgaz gegen Greenpeace zu tun zu haben, es betonte aber, wie entscheidend Neptun Deep für die rumänische Wirtschaft sei. Auf Facebook gratulierte Burduja Romgaz zu der Klage und warf Greenpeace "betrügerisches Geschäftsgebaren" vor.

Burduja äußerte sich zuletzt immer wieder kritisch über Umwelt-NGOs. Bereits im März rief er Unternehmen dazu auf, Umwelt-NGOs auf horrende Summen zu verklagen. Daraufhin reagierten 112 Umweltorganisationen und forderten in einem offenen Brief den Rücktritt von Burduja. Sie werfen dem Energieminister eine Hexenjagd vor.

Das Energieministerium spricht hingegen davon, die wirtschaftlichen Interessen des Landes zu verteidigen und weist die Vorwürfe, die Zivilgesellschaft mundtot machen zu wollen, zurück: "Wir glauben, dass sie [die NGOs, Anm. d. Red.] eine wichtige Rolle im sozialen und öffentlichen Leben eines Landes spielen und spielen sollten." Und weiter: "Wenn die betroffenen NGOs nicht rechtsmissbräuchlich oder gesetzeswidrig gehandelt haben, brauchen sie in dieser Hinsicht nichts zu befürchten."

Schon 2021 wurden drei Umwelt-NGOs unter Androhung einer möglichen Strafverfolgung vor eine parlamentarische Untersuchungskommission geladen. Die Kommission sollte prüfen, ob die Energiepreise so stark gestiegen sind, weil die Umweltorganisationen den Bau von Braunkohle- und Wasserkraftwerken verhindert hatten. Die NGOs kritisierten, dies habe die öffentliche Wahrnehmung beeinflusst und sie zu Sündenböcken gemacht.

2024 schaltete sich der UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer, Michel Forst, ein und brachte dem rumänischen Staat gegenüber seine ernste Besorgnis angesichts einer "Kampagne der Belästigung und Einschüchterung" zum Ausdruck. Medienberichte legen außerdem nahe, dass Energieminister Burduja im Oktober 2024 strafrechtliche Ermittlungen gegenüber mehrere Umweltschutzorganisationen einleiten ließ. Bis heute hat das Energieministerium dies weder bestätigt noch abgestritten.

Hohe Gerichtskosten und angebliche Russland-Verbindungen

"Sie wollen uns einschüchtern. Und sie haben Erfolg, mittlerweile überlegen wir uns zweimal, ob wir Romgaz verklagen", sagt Vlad Catuna, der bei Greenpeace Kampagnenmanager für Neptun Deep ist. Ein Grund seien auch die hohen Gerichtskosten, die im Fall einer Niederlage auf NGOs zukommen. Zwar wurde Greenpeace nach der letzten verlorenen Klage dazu verpflichtet, "nur" 16.000 Euro zu zahlen, Romgaz und OMV hatten aber 250.000 Euro gefordert.

Vlad Catuna, Kampagnenmanager bei Greenpeace RumänienBild: Tobias Zuttmann

Und nicht nur vor Gericht versucht das Energieministerium gegen die Umwelt-NGOs vorzugehen. Immer wieder suggerieren der Minister und staatsnahe Medien, Greenpeace und andere Umweltorganisationen hätten Verbindungen nach Russland. Der russische Staat wolle verhindern, dass Rumänien Gas fördern könne, damit das Land von Russlands Gas abhängig sei, so die Behauptung.

Matache und Catuna finden diese Vorwürfe absurd. So ist Greenpeace beispielsweise seit 2023 als "unerwünschte Organisation" in Russland verboten. Dennoch würden Anschuldigungen wie diese in der Öffentlichkeit verfangen, Umweltorganisationen zu Antagonisten stilisieren und legitime Kritik untergraben.

"Das ist sehr schlecht für unsere Demokratie", bewertet Catuna das Vorgehen des Energieministeriums. Und auch Politikwissenschaftler Pirculescu findet den Vorgang beunruhigend: "Das sendet ein entmutigendes Signal an die Zivilgesellschaft und untergräbt den Raum für eine demokratische Debatte über Klima- und Energiepolitik."

Noch, so betont Pirvulescu, gebe es einen lebendigen zivilgesellschaftlichen Sektor in Rumänien. Doch aktuell stehe sein Land vor der Herausforderung, dass der Rechtsrahmen transparent und verhältnismäßig bleibe.