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Politik

Rumänien steht auf gegen Korruption

Laurentiu Colintineanu
3. Februar 2017

Rumänien steht Kopf. Die Demonstrationen gegen Korruption verändern das Land. Die Bevölkerung fordert den Rücktritt der Regierung. Eine Reportage vom Siegesplatz in Bukarest von Laurentiu Colintineanu.

Rumänien Proteste
Bild: Getty Images/AFP/D. Mihailescu

Es ist schon die vierte Protestnacht in Bukarest nacheinander. Tausende Demonstranten strömen jeden Abend zum Siegesplatz, wo die rumänische Regierung ihren Sitz hat. Es sind die größten Demonstrationen nach der antikommunistischen Revolution vor 27 Jahren. Viele sprechen schon von der "Revolution der Jugendlichen”, es sind jedoch alle Altersgruppen anwesend.

Die Jugendlichen protestieren für ihre eigene Zukunft, die Älteren sagen, sie protestierten für die Zukunft der Jugendlichen. Die Anzahl der Menschen auf dem Siegesplatz wächst mit jedem Tag. Bei schönem Wetter am Wochenende mit Spitzentemperaturen um die 14 Grad versprechen die Demonstranten im Internet "die größte Demo aller Zeiten”, sogar mehr als die insgesamt 300.000 Leute von Mittwochabend.

Den ganzen Tag über herrscht hier, im Zentrum Bukarests, eine friedliche Maidan-Stimmung. Ein Unternehmer hat sein Büro direkt auf den Platz versetzt. Von 9 bis 17 Uhr arbeitet er. Danach klappt er seinen Laptop zu und nennt sich "Spätschicht-Demonstrant”. Neben ihm steht für einige Stunden ein Jugendlicher, der Snacks und Früchte spendet.

Abends kommen die Berufstätigen. Die 29-jährige Ioana Patraru arbeitet für ein Consulting-Unternehmen, aber jeden Abend ist sie auf dem Siegesplatz. "Für mich ist es wichtig der Regierung mitzuteilen, dass sie nicht gegen die Bevölkerung regieren kann. Und dass uns allen der Rechtsstaat wichtig ist”, sagt sie.

Nur kurz im Amt und schon verhasst: Der Anführer der sozialdemokratischen Regierung Liviu Dragnea Bild: Getty Images/AFP/D. Mihailescu

Probe für den Rechtsstaat

Ja, darum geht es. Um diese abstrakte Idee des Rechtsstaats, die eigentlich nichts anderes bedeutet, als dass die Gesetze von allen respektiert werden. Und dass manche zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie diese Gesetze missachten. Im EU-Staat Rumänien geht es um Korruption.

Weil die Korruption dort ein weit verbreitetes Phänomen ist, hat die EU-Kommission 2007 sowohl für Rumänien als auch für Bulgarien ein spezielles Monitoring-Verfahren eingeführt. Dieses soll als Garantie dafür gelten, dass die Korruption weiterhin energisch bekämpft wird. Im letzten Transparency-International-Index schneidet Rumänien in Sachen Korruption schlechter ab als Ruanda, Ghana oder Kuba. Immerhin besser als Italien oder Bulgarien.

Rumäniens sozialdemokratische Regierung (PSD), die erst im Dezember die Wahlen mit einer klaren Mehrheit gewonnen hat und nicht einmal seit einem Monat im Amt ist, hat es geschafft, Hunderttausende Menschen gegen sich aufzubringen. Denn eine Eilverordnung des Kabinetts sieht vor, dass Amtsmissbrauch in Zukunft nur dann strafbar ist, wenn der Schaden mehr als ungefähr 40.000 Euro beträgt. Oder wenn jemand Anzeige erstattet - allerdings nur, wenn dies nicht später als sechs Monate nach der Tat passiert.

"Als ich von dieser Schweinerei erfuhr, habe ich sofort das Haus verlassen und bin zum Siegesplatz gelaufen”, erzählt Marius Dumitrescu. Er ist 32 Jahre alt und total wütend. "Denn meine Regierung hat in der Nacht wie eine Diebesbande ein Eildekret beschlossen, das die Antikorruptionsgesetze so stark lockert, dass es unfassbar ist”. "In der Nacht wie Diebe” skandiert auf einmal die ganze Menschenmenge.

Es werden immer mehr: Jeden Tag wächst die Anzahl der Demonstranten, die den Rücktritt der Regierung fordernBild: picture-alliance/Photoshot/G. Petrescu

Freibrief für Korruption

Darüber hinaus fühlen sich die Leute betrogen. Von dieser Verordnung profitieren massenweise ranghohe Politiker, die wegen Amtsmissbrauch angeklagt sind. Alle ihre Gerichtsverfahren würden auf einmal gestoppt. Darunter Liviu Dragnea, der Strippenzieher der Regierung und Vorsitzende der PSD. Dragnea wurde schon einmal wegen Wahlbetrug verurteilt, deshalb konnte er auch nicht vom Präsidenten zum Regierungschef ernannt werden.

Er selbst bestreitet das, aber die PSD hat ihre Glaubwürdigkeit verloren. Virgil Mihai, ein 66-jähriger Rentner, ruft "die Rücknahme und dann geht”. Alle Menschen auf dem Siegesplatz wollen, dass das Eildekret zurückgezogen wird. Das steht in der Macht dieser Regierung, aber nicht in der Macht einer Interimsregierung. Deshalb wird erst die Rücknahme der Verordnung und danach der Rücktritt der Regierung verlangt. Die Frist läuft schon. Die Eilverordnung tritt in 8 Tagen in Kraft. Das heißt, die Demonstranten müssen den Druck auf die Regierung erhöhen, wenn sie ihr Ziel erreichen wollen. Es wird wärmer. Und es geht weiter.

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