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Rumänien und Russland unterzeichnen bilateralen Grundlagenvertrag

7. Juli 2003

- Durchbruch nach über zehnjährigen Verhandlungen

Köln, 4.7.2003, DW-radio / Rumänisch, Robert Schwartz

Endlich ist es soweit! In Moskau unterzeichneten die Präsidenten Rumäniens und Russlands, Ion Iliescu und Wladimir Putin, am Freitag (4.7.) den Grundlagenvertrag, der die bisher angespannten Beziehungen zwischen ihren Ländern in eine neue Ära führen soll. Dieser Vertrag ist das erste offizielle Dokument, das die Beziehungen zwischen Bukarest und Moskau seit dem Sturz des Kommunismus festlegt.

Nach zähen Verhandlungen, die mehr als zehn Jahre dauerten, wurde von beiden Seiten eine Textvariante akzeptiert, in der die strittigen Fragen ausgeklammert wurden: der rumänische Staatsschatz (Goldreserven und Kronjuwelen), der im Ersten Weltkrieg nach Russland gelangt war, sowie die Verurteilung des deutsch-russischen Ribbentrop-Molotow-Paktes, durch den die Sowjetunion rumänische Gebiete, darunter Bessarabien, die heutige Republik Moldova, annektiert hatte.

Die Weigerung Russlands, diese beiden für Rumänien wichtigen Themen in den Vertrag aufzunehmen, war aus Bukarester Sicht ein Hauptgrund für die mehrjährige Blockade des Vertrags. Der Goldschatz war wegen der Kriegswirren im Ersten Weltkrieg nach Moskau in Sicherheit gebracht und anschließend 1917 von den Bolschewiken beschlagnahmt worden. Dabei handelt es sich um rund 90 Tonnen Gold im Wert von einer Milliarde Euro. Heute will in Moskau keiner wissen, wo der Schatz geblieben ist.

Weder ein Bezug zu den verschwundenen Goldreserven noch zum Molotow-Ribbentrop-Pakt lassen sich im neuen Vertragswerk finden. Im Mai 2003 hatten sich die Außenminister beider Länder, Mircea Geoana und Igor Iwanow, jedoch auf eine Erklärung geeinigt, in der die Gründung einer gemeinsamen Experten-Kommission festgehalten wird, die den Schatz ausfindig machen soll. Diese Zusatzerklärung wurde als Anhang zum Grundlagenvertrag jetzt ebenfalls in Moskau unterzeichnet. Darin wird zudem der Molotow-Ribbentrop-Pakt, aber auch die rumänische Unterstützung für Hitlerdeutschland im Zweiten Weltkrieg verurteilt.

Der Weg bis zu diesem Vertrag war lang und verworren. Andere Nachbarstaaten der ehemaligen UdSSR - Tschechien, die Slowakei, Polen oder Bulgarien - hatten bereits 1992/93 politische Verträge mit der Russischen Föderation unterzeichnet. Allein der rumänische Präsident Iliescu hatte 1991 als erster ex-kommunistischer Präsident eines ehemaligen Mitgliedsstaates im Warschauer Pakt einen Freundschaftsvertrag mit Gorbatschows UdSSR geschlossen - vier Monate vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Darin kamen die für Bukarest strittigen Fragen nicht vor, dafür aber ein Passus, in dem Rumänien sich verpflichtete, keine militärischen Allianzen ohne die Zustimmung Moskaus einzugehen. Doch der Vertrag konnte wegen der historischen Entwicklungen nicht mehr ratifiziert werden.

1993 versuchte Präsident Iliescu, einen neuen Vertrag mit der Russischen Föderation auszuhandeln. Diesmal sollten die beiden "Problemfragen" - also der Goldschatz und der Molotow-Ribbentrop-Pakt - aufgenommen werden. Nach mehreren Verhandlungsrunden kam der damalige russische Außenminister Jewgeni Primakow 1996 nach Bukarest, um den neuen Vertrag zu paraphieren, aus dem aber diese Fragen wieder gestrichen worden waren. Allerdings wurde festgehalten, dass die beiden Staaten nicht Mitglieder entgegengesetzter Sicherheitsbündnisse sein durften. 1996 standen in Rumänien Präsidentschaftswahlen an und die liberal-demokratische Opposition betrachtete das Vertragswerk als Verletzung der rumänischen Interessen. Iliescu gab dem Druck nach, der Vertrag wurde nicht paraphiert und Primakow kehrte verärgert nach Moskau zurück.

Die Opposition gewann die Wahlen. Unter der Präsidentschaft von Emil Constantinescu (1996-2000) wurden die Verhandlungen fortgesetzt, doch aus Moskauer Sicht scheiterten sie wegen der unnachgiebigen Haltung der rumänischen Seite.

2000 kam Iliescu zurück an die Macht und mit ihm wurde ein neuer Versuch unternommen, dieses Kapitel der rumänisch-russischen Beziehungen endlich zu einem Abschluss zu bringen. Zu stark war diesmal der Druck, der von der NATO ausging, deren Mitglied Rumänien werden wollte. Bukarest musste mit allen Nachbarstaaten Grundlagenverträge schließen. Gestärkt wurde Rumänien sicherlich auch durch den Aufruf des amerikanischen Präsidenten George W. Bush im November vergangenen Jahres in Bukarest. Nach erfolgreicher Aufnahme des Landes in die NATO sagte Bush, Rumänien müsse eine Brücke zum neuen Russland werden. Ohne Vertrag - undenkbar!

Bei der Unterzeichnung des Freundschaftsabkommens im Kreml sprach Iliescu von einem wichtigen politischen Signal:

"Wir haben beschlossen, die Vergangenheit den Geschichtsforschern, Politologen und Soziologen zu überlassen. Wir werden uns auf die Gegenwart und die Zukunft konzentrieren. Die Tatsache, dass Rumänien Mitglied in der NATO und der EU wird, ist unseres Erachtens ein positiver Faktor, umso mehr, als die stärkere Annäherung der Russischen Föderation an beide Organisationen zur Schaffung einer Region des Friedens und der Stabilität in diesem Teil Europas beiträgt."

Putin erklärte seinerseits, er habe mit seinem rumänischen Amtskollegen detailliert über Fragen der EU-Osterweiterung und über mögliche Probleme gesprochen, die in diesem Prozess zwischen Russland und Rumänien auftreten könnten. Der russische Präsident sieht aber in erster Reihe in dem neuen Abkommen eine Chance für bessere Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern.

"Die traditionellen rumänischen Erzeugnisse müssen zurück auf den russischen Markt. In diesem Zusammenhang haben wir auch über die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Regionen unserer Länder gesprochen. Die bevorstehende Eröffnung des rumänischen Generalkonsulats in St. Petersburg ist deshalb sehr wichtig und aktuell."

Ein erklärtes Ziel Bukarests ist es, durch den Freundschaftsvertrag verstärkt russisches Kapital ins Land zu holen. Dazu gehören auch strategisch wichtige Kooperationen zwischen dem staatlichen russischen Konzern Gazprom und rumänischen Erdöl- und Erdgasgesellschaften. Für Rumänien sind langfristig gesicherte Gas- und Erdölimporte aus Russland von existentieller Bedeutung.

Russland gehört zu den fünf größten Handelspartnern Rumäniens. Allerdings beträgt das Defizit Rumäniens in der Handelsbilanz mit Russland rund eine Milliarde Euro. Im vergangenen Jahr stieg der bilaterale Handelsaustausch im Vergleich zu 2001 um annähernd 5 Prozent auf umgerechnet eine Milliarde Euro. Einen Sprung von rund 90 Prozent gab es im ersten Halbjahr 2003, verglichen mit den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres.

Mit der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags geht eine Zäsur in den rumänisch-russischen Beziehungen zu Ende. Es wird sich zeigen, ob das Abkommen bloß eine symbolische Bedeutung hat oder ob tatsächlich verstärkte wirtschaftliche Signale davon ausgehen, die sowohl in Moskau als auch in Bukarest dringend erwartet werden. (fp)