Rumänien Parlamentswahlen
10. Dezember 2012 Die Vorhersagen haben sich bestätigt: Bei den Parlamentswahlen in Rumänien hat Ministerpräsident Victor Ponta mit seiner Sozialliberalen Union (USL) einen klaren Sieg errungen. Den Hochrechnungen zufolge kam die regierende USL auf 57 Prozent der Stimmen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dank der Direktmandate Ponta sogar die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Das könnte entscheidend in dem erbitterten Machtkampf sein, den sich Ponta schon seit Monaten mit Präsident Traian Basescu und seinem Oppositionsbündnis ARD liefert. Dabei sind die Unterschiede zwischen den beiden Blöcken gar nicht groß.
Alle Parteien sind bei diesen Parlamentswahlen mit zahlreichen fragwürdigen Kandidaten angetreten: es waren Politiker, gegen die Strafverfahren laufen, Ex-Offiziere des berüchtigten Geheimdienstes Securitate, bekennende Antisemiten. Der politische Wettstreit war wüst und praktisch inhaltsfrei. Und alle Parteien hatten Wahlversprechen im Programm, die unrealistisch sind.
Zwielichtige Kadidaten
Einer dieser Kandidaten war etwa George "Gigi" Becali, Immobilienmagnat, Fußballklub-Besitzer, Euro-Parlamentarier. Einst war er Schafhirte, nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu stieg er zu einem der reichsten Männer in Rumänien auf. Seit Jahren laufen gegen ihn Prozesse wegen Steuerhinterziehung und Bestechung. Er vertritt eine fundamentalistische christliche Ideologie mit rechtsextremen Versatzstücken. Zugleich verwendet er in der Öffentlichkeit bevorzugt Fäkal- und Genitalausdrücke. Seine "Partei Neue Generation“ kaufte er sich einfach, ins Europaparlament gelangte er 2009 auf der Liste der antisemitischen "Groß-Rumänien-Partei“.
Bei den Parlamentswahlen kandidierte Becali in der "Sozialliberalen Allianz" (USL) auf der Liste der "National-Liberalen Partei" (PNL). Im Wahlkampf machte er vor laufenden Kameras vor allem mit homophoben und frauenfeindlichen Schimpftiraden auf sich aufmerksam. Becalis Auftritte gehören seit jeher zu den Tiefpunkten politischer Kultur in Rumänien und haben dennoch etwas Symptomatisches für die politische Kultur im Land.
Zwei Blöcke...
Wie erwartet, die Wahl hat die regierende "Sozialliberale Union“ (USL) gewonnen, ein Bündnis der wendekommunistischen Sozialdemokraten (PSD), der Nationalliberalen (PNL) und der Splitterpartei der Konservativen (PC). Grund für die Favoritenrolle schon vor der Wahl: Die wendekommunistischen Sozialdemokraten genießen unter vielen Menschen nach wie vor den Ruf, sich um die kleinen Leute zu kümmern - trotz all ihrer Korruptionsaffären und anderer Skandale der jüngsten Vergangenheit.
Schärfste Kontrahentin der Sozialliberalen Union war die rechtsliberale "Allianz (Ge-)Rechtes Rumänien“ (ARD), zu der sich die Liberaldemokraten mit drei anderen rechten Splitterparteien zusammengeschlossen haben. Dieses Bündnis steht Staatspräsident Traian Basescu nahe. Laut Hochrechnungen kam die Allianz allerdings auf nur etwa 19 Prozent der Stimmen.
...kaum Unterschiede
Die beiden Blöcke in ein übliches Rechts-Links-Schema einzuordnen hält die renommierte Politologin Alina Mungiu-Pippidi für "irreführend". "Es gibt keine wirklichen Unterschiede zwischen ihnen, es geht lediglich um zwei Interessengruppen, die um die Macht kämpfen“, sagt Mungiu-Pippidi. "Wer regiert, kann öffentliche Gelder und Posten verteilen.“
Bereits im Frühjahr war der Machtkampf zwischen beiden politischen Lagern offen ausgebrochen. Anlass waren Proteste gegen sozialen Kahlschlag, gegen Präsident Băsescu und gegen die bis dahin amtierende rechtsliberale Regierung unter Emil Boc. Nach dem Rücktritt von Boc Anfang Februar und einem kurzen Intermezzo mit Mihai Răzvan Ungureanu als Ministerpräsident kam die Sozialliberale Union mit Victor Ponta als Regierungschef an die Macht.
Um die ganze Macht im Staate zu erobern, provozierte die Sozialliberale Union eine der schlimmsten Staatskrisen im postkommunistischen Rumänien: Mit Notverordnungen und offenem Rechtsbruch sollte der Präsident Băsescu abgesetzt werden. Erst nach drei Monaten quälendem politischen und administrativen Stillstand und auf Druck der Europäischen Union ließ die Ponta-Regierung von ihrem Vorhaben ab. Der suspendierte Băsescu konnte im August seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen.
Das Land in der Krise
Doch verbal ging der Konflikt weiter. Die Kontrahenten beschimpften sich zunehmend. Präsident Băsescu, von Amts wegen zu politischer Neutralität verpflichtet, mischte sich in einer aggressiven Art auch in den Wahlkampf ein. Regierungschef Ponta bezeichnete er kürzlich in einem Fernsehinterview als "krankhaften Lügner". Auf die Frage, ob er ihn nach einem Wahlsieg der USL erneut als Regierungschef nominieren werde, was seine verfassungsmäßige Pflicht wäre, erwiderte er: "In der Politik muss man manchmal Kröten schlucken, aber keine Schweine."
Dabei hätte das postkommunistische Rumänien politische Stabilität und effizientes Regieren dringend nötig. Von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ist das Land seit 2008 schwer betroffen. Die Wirtschaft schrumpft, ein Drittel der Bevölkerung lebt am oder unter dem Existenzminimum, immer mehr gut Gebildete wandern ganz aus ihrer Heimat aus.
Präsident vs. Premier – Der Kampf geht weiter
Das Gesetz in Rumänien sieht vor, dass nach der Wahl der Präsident dem neugewählten Parlament den Regierungschef vorschlägt – in der Regel soll das der Kandidat mit den meisten Stimmen sein. Ob Traian Basescu aber tatsächlich Victor Ponta ernennen will, ist noch unklar. Im Vorfeld der Wahlen hatte er mehrmals angedeutet, das wolle er nicht tun. Sollte er einen anderen Kandidaten vorschlagen, und das Parlament das zweimal ablehnt, wird es in Rumänien Neuwahlen geben.
Auf die nächsten Schritte des Präsidenten sind nun nicht nur zahlreiche Rumänen sowie Partner in der EU gespannt – auch George "Gigi" Becali wird bald wieder die Gelegenheit haben, seine Tiraden vor der großen Bühne des Parlaments zu schwingen. Er ist nämlich nun ein gewählter Volksvertreter – mit über 50 Prozent der Stimmen in einem Bukarester Wahlbezirk.