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Politik

Rumäniens letzter König ist tot

Robert Schwartz
5. Dezember 2017

Zweimal bestieg er den Thron, fast ein halbes Jahrhundert lebte er im Exil: Nach schwerer Krankheit ist Mihai I., Rumäniens letzter Monarch, nun mit 96 Jahren gestorben. Ein Nachruf von Robert Schwartz.

Rumänien Bukarest ex-König Michael am 91. Geburtstag
Bild: picture-alliance/dpa/M. Barbu

Er war eine der letzten großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts in der Geschichte Rumäniens: Mihai I., bis 1947 König von Rumänien. Er war Zeuge großer gesellschaftlicher und politischer Verwerfungen - und verbrachte fast ein halbes Jahrhundert im Exil.

Das rumänische Königshaus war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von seinem Urgroßonkel Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, dem späteren König Carol I., gegründet worden. Ihm folgte 1914 sein Neffe Ferdinand auf den Thron, der 13 Jahre an der Spitze des rumänischen Königshauses bleiben sollte und sein Land durch die Wirren des Ersten Weltkriegs führte.

Weil sein Sohn Carol II. wegen seines skandalträchtigen Lebenswandels auf die Thronfolge verzichten musste, bestieg nach Ferdinands Tod 1927 Mihai I., der sechsjährige Sohn Carols II., den Thron. Aber seine Mutter, Elena von Griechenland, und eine Regentschaft übernahmen de facto die Verwaltung des Königreichs. 

Ein 19-jähriger König in Kriegszeiten

1930 kehrte Carol II. aus dem Pariser Exil nach Bukarest zurück und wurde als König eingesetzt. Politisch stark unter Druck musste er 1940 abdanken und Mihai I. bestieg als 19-Jähriger zum zweiten Mal den Thron. Seine Macht war allerdings beschränkt. Der starke Mann im Land wurde General Ion Antonescu, der spätere Marschall und "Conducator" (Führer), einer der engsten Verbündeten Hitlers im Zweiten Weltkrieg. Rumänien trat an der Seite Nazi-Deutschlands in den Krieg gegen die Sowjetunion ein. Als die Rote Armee im Sommer 1944 die großangelegte Offensive gegen Rumänien begann, entließ Mihai I. am 23. August 1944 durch einen als "Königlichen Staatsstreich" in die Geschichte eingegangenen Akt Marschall Antonescu. Rumänien wechselte die Seiten, schloss sich den Allierten an und erklärte Nazi-Deutschland den Krieg. Der König hatte sich dadurch einen sofortigen Waffenstillstand mit der UdSSR erhofft, doch er musste tatenlos zusehen, wie sein Land dennoch von der Sowjet-Armee überrollt und besetzt wurde.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (1945) blieb Mihai I. zwar weiterhin König Rumäniens, seine Befugnisse waren allerdings stark eingeschränkt. Am 30. Dezember 1947 musste er auf Druck Moskaus und der neuen kommunistischen Regierung in Bukarest abdanken und das Land verlassen.

Rumäniens letzter Monarch Mihai I. vor dem Parlament in Bukarest (2011)Bild: picture-alliance/dpa/M. Barbu

Einreiseverbot erst 1997 dauerhaft aufgehoben

Bis zum Sturz der kommunistischen Diktatur im Dezember 1989 lebte Mihai I. zusammen mit seiner Frau, Ana de Bourbon-Parma, und seinen fünf Töchtern im Exil in der Schweiz. Als er 1990, nach der Wende, in sein Land zurückkehrte, wurde er von den post-kommunistischen Machthabern an seiner Weiterreise gehindert und des Landes verwiesen. Zwei Jahre später, Ostern 1992, durfte er wieder nach Rumänien einreisen. Sein Besuch in Bukarest wurde zu einem Triumphzug. Die Regierung und vor allem Präsident Ion Iliescu, ein Wende-Kommunist, hatten mit einem derartigen Zuspruch nicht gerechnet und so erhielt der ehemalige Monarch erneut Einreiseverbot. Erst 1997 sollte der neue demokratische Präsident Emil Constantinescu dieses Verbot aufheben. Mihai I. erhielt seine rumänische Staatsbürgerschaft und einen Teil seiner Besitztümer zurück. Er residierte in einem der alten Bukarester Paläste des Königshauses und wurde zu einem wichtigen Lobbyisten für den NATO- und EU-Beitritt seines Landes.

Anfang März 2016 ließ König Mihai I. verkünden, er leide an einer schweren unheilbaren Krankheit und trat die Führung des Königshauses an seine älteste Tochter, Prinzessin Margareta ab. Ein halbes Jahr später - am 1. August 2016 - starb Königin Ana im Alter von 92 Jahren. König Mihai I., der an diesem Dienstag in der Schweiz verstarb, wurde 96 Jahre alt. 

Die Politologin Anneli Ute Gabanyi, langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), heute Mitglied im Königlichen Beirat des rumänischen Königshauses, würdigte im Gespräch mit der DW die Persönlichkeit des letzten Monarchen Rumäniens.

Trauerfeier in Bukarest für Königin Ana (2016)Bild: picture-alliance/dpa/B. Cristel

Symbol der Kontinuität und Unabhängigkeit des Staates

Angesichts der tiefgreifenden politischen Verwerfungen, denen der rumänische Staat seit der Verabschiedung seiner ersten modernen Verfassung im Jahre 1866 und der Gründung der Monarchie durch Carol I. in demselben Jahr ausgesetzt war, sei die Institution des Königtums im öffentlichen Bewusstsein zu einem Symbol der Kontinuität des Staates, seiner Unabhängigkeit und Souveränität, seiner Einheit und seiner fortdauernden fundamentalen Interessen auch und gerade mit Blick auf eine westlich orientierte Außenpolitik geworden, so Gabanyi.

"Es ist nicht zuletzt der Persönlichkeit Mihais I. zu verdanken, dass sich in Rumänien nach 1989 nach anfänglichem Widerstand der Regierenden eine Art Synergie entwickeln konnte, die nicht nur auf einem breiten Konsens der Bevölkerung gründet, sondern auch auf einem bemerkenswerten Ausmaß von Akzeptanz durch die Politik", sagte die Politologin, die aus Rumänien stammt.

Dank seiner persönlichen Ausstrahlung konnte Mihai I. als bedeutende Gestalt der Zeitgeschichte den Respekt seiner Landsleute gewinnen. In Umfragen in Rumänien lagen seine Beliebtheitswerte seit Jahren konstant über denen der meisten Politiker des Landes. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich in Rumänien derzeit oder auch in Zukunft eine Mehrheit für eine Wiedereinführung der Monarchie aussprechen würde. Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes im Dezember 1989 wurde die republikanische Staatsform von den neuen Machthabern an einem Runden Tisch noch vor der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung und der Verabschiedung einer neuen Verfassung verbindlich festgelegt. Die geltende rumänische Verfassung verbietet ausdrücklich eine Änderung der republikanischen Staatsform.