Rumänien: Rettet die Justiz des Landes die Tate-Brüder?
25. März 2025
Sie kamen in Begleitung von fünf Bodyguards. Der eine trug ein eng anliegendes schwarzes T-Shirt, der andere einen Kapuzenpulli mit der goldenen Aufschrift "TopG", abgekürzt für "Top Gangster". Auf der Polizeistation mussten sie wegen einer gerichtlich angeordneten Meldepflicht vorstellig werden. Anschließend traten sie in gewohnt überheblicher Art vor die Presse. Der Ältere drohte den Journalisten an, sofort zu gehen, falls keine "respektvollen Fragen" gestellt würden.
Auftritt der Brüder Tate am Montag (24.03.2025) in Voluntari, einem wohlhabenden Vorort von Rumäniens Hauptstadt Bukarest. Dort, wo auch ihre Luxusvilla steht. Die beiden Social-Media-Personen, Frauenhasser und Ex-Kampfsportler sind nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in den USA zurück in Europa und führen eine neue Episode ihrer Reality-Show von toxischer Männlichkeit auf. "Ich bin einer der wichtigsten Menschen der Welt", prahlt Andrew Tate, "daher die vielen Anklagen in der ganzen Welt gegen mich." Später postet er ein Video, in dem er in einem Supersportwagen mit 150 Stundenkilometern durch die rumänische Hauptstadt rast.
Andrew (38) und Tristan (36) Tate stehen in Rumänien unter Anklage. Ihnen wird vorgeworfen, mindestens 34 Frauen, darunter eine Minderjährige, entführt, genötigt und vergewaltigt sowie eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Die Tates saßen seit 2022 mehrmals in Untersuchungshaft und standen lange Zeit unter Hausarrest.
Doch Ende Februar 2025 durften sie überraschend in die USA reisen, nachdem ein Bukarester Gericht ihre Ausreisesperre aufgehoben hatte - ohne Angabe von Gründen. Ein Video ihrer Abreise mitten in der Nacht in einem luxuriösen Privatjet - obwohl der Bukarester Flughafen nachts offiziell geschlossen ist - posteten sie in sozialen Medien.
Hinhalten, austricksen
Der rumänische Justizminister Radu Marinescu konnte auf Nachfragen von Journalisten nicht erklären, auf welcher Grundlage den Tates die Ausreise gestattet worden war. "Es ist in ihrem besten Interesse zurückzukehren", weil sie ihre Unschuld beteuert hätten und weil es zu einer zusätzlichen Anklage führen könne, wenn sie nicht zurückkehren würden, so der Minister lapidar.
Die Sonderstaatsanwaltschaft für die Untersuchung von organisierter Kriminalität und Terrorismusverbrechen (DIICOT), die für den Fall Tate zuständig ist, sagte, die beiden hätten einen Antrag auf Ausreise gestellt und ein Staatsanwalt habe dem zugestimmt. Weder der Grund für den Antrag noch der Name des Staatsanwalts sind öffentlich bekannt.
Am Samstag (22.03.2025) kehrten die Brüder nun aus dem US-Bundesstaat Florida nach Bukarest zurück - ebenfalls in einem Privatjet. Andrew Tate postete dazu: "Für 185.000 Dollar über den Atlantik für eine Unterschrift auf einem Stück Papier. Unschuldige Männer laufen nicht weg. Sie waschen ihren Namen vor Gericht rein."
"Reinwaschen" scheint in diesem Fall eher zu bedeuten, die Justiz hinzuhalten und auszutricksen. Die Tates wurden mit frauenfeindlichen Online-Videos, Casinos und kostenpflichtigen Online-Kursen zu Multimillionären. Außerdem sollen sie Geld auch durch sexuelle Ausbeutung von Frauen durch Videochats auf Pornoplattformen und Drogenhandel verdient haben. Sie zogen 2016 nach Rumänien, kurz nachdem Andrew Tate in seinem Heimatland Großbritannien wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung mehrmals verhaftet worden war.
Justiz-Odyssee
In Rumänien wird seit Anfang 2022 gegen die Tate-Brüder ermittelt. Die rumänische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden Anfang 2021 in Rumänien eine organisierte kriminelle Gruppe gegründet haben, deren Ziel die sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Frauen aus verschiedenen Ländern auf Online-Plattformen war. Laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft wurden die Opfer nach Rumänien gelockt und dort "von den Mitgliedern der Gruppe durch physische Gewalt und psychologischen Zwang - Einschüchterung, ständige Überwachung, Kontrolle und die Behauptung angeblicher Schulden - sexuell ausgebeutet".
Der Fall geriet schnell zur Justiz-Odyssee. Nach anfänglichen Verhaftungen wurden die Brüder Tate unter Hausarrest gestellt, später durften sie sich unter Meldeauflagen in Bukarest, dann in ganz Rumänien frei bewegen. Rumänische Richter verschoben eine Entscheidung über den Beginn eines Prozesses gegen die beiden insgesamt sechs Mal, bevor sie den Fall schließlich an die Staatsanwaltschaft zurückschickten - eine Form der Hinhaltetaktik, die in der rumänischen Justiz häufig vorkommt.
Oft steht dabei der Verdacht im Raum, dass Einfluss von außen auf das Gericht genommen wird. Belege dafür, dass die Tate-Brüder Politiker oder Beamte im Justizapparat bestochen haben, gibt es bisher nicht. Fest steht jedoch: Im vergangenen Jahr entfernte das Bukarester Appellationsgericht mehrere Beweismittel aus dem Fall und verwies ihn im Dezember 2024 an die Staatsanwaltschaft zurück - was bedeutet, dass die Ermittlungen von vorne beginnen.
In Florida "nicht willkommen"
Ursprünglich hatten sich die Tate-Brüder, die bekennende Trump-Anhänger sind, wohl erhofft, dass sie nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump in die USA ausreisen könnten und dort vor weiteren Anklagen sicher seien. Rumäniens Außenminister Emil Hurezeanu hatte zugegeben, dass Trumps Sondergesandter Richard Grenell ihn während der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar 2025 auf den Fall angesprochen und gesagt hatte, die USA seien "weiterhin am Schicksal der Tate-Brüder interessiert". Hurezeanu hatte bestritten, dass damit Druck auf Rumänien ausgeübt worden sei. Dennoch durften die Tate-Brüder kurz darauf ausreisen.
An ihrem Ankunftsort Florida gab es jedoch keinen Heldenempfang, wie Andrew Tate wütend und enttäuscht beklagte. Gouverneur Ron DeSantis, selbst Republikaner und damit aus Trumps Partei, sagte, die Tates seien in seinem US-Bundesstaat "nicht willkommen". Am 5. März 2025 gab der Generalstaatsanwalt von Florida, James Uthmeier, bekannt, dass er eine strafrechtliche Untersuchung gegen die Tates eingeleitet habe, da "Florida keine Toleranz gegenüber Menschen hat, die Frauen und Mädchen missbrauchen".
Auch Trump selbst ließ kein Wohlwollen für die Tate-Brüder erkennen. Bei einer Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Keir Starmer am Tag nach der Ankunft der beiden in den USA sagte der US-Präsident, er wisse "nichts" über den Fall Tate.
Rumäniens Polizei drückt die Augen zu
Möglicherweise rechneten sich die Brüder daher aus, dass ein Prozess in Rumänien für sie letztlich einfacher wäre als in den Vereinigten Staaten. Nicht nur können sie die rumänische Justiz anscheinend erfolgreich hinhalten. Rumänien steht auch seit Jahren an der Spitze der EU-Länder mit den meisten Opfern von Menschenhandel. Nach Angaben der Europäischen Kommission stammen etwa 3000 von jährlich rund 7000 betroffenen Frauen aus dem EU-Land in Südosteuropa.
Oft drückt die rumänische Polizei bei frauenfeindlichen Straftaten die Augen zu - so auch im Fall der Tates: Als es einer jungen Frau im Oktober 2021 gelang, aus einem Videochat-Studio der Brüder Tate in deren Luxusvilla zu fliehen und Anzeige bei der Polizei zu erstatten, versuchten die Polizisten sie zu überzeugen zurückzugehen. Ihre Anzeige wurde zwar aufgenommen - verschwand aber in der Schublade.
Aus dieser Perspektive klingt ein Satz, den Andrew Tate am Montag vor dem Polizeigebäude in Voluntari sagte, nicht respektvoll, sondern eher zynisch: "Ich bin froh, in Rumänien zu sein. Ich lebe hier und ich liebe Rumänien."