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Rumsfeld und die Bilder

Detlev Karg14. Mai 2004

Rumsfeld versucht die Flucht nach vorne. Auf dem bisherigen Höhepunkt der Folteraffäre im Irak reiste er nach Bagdad. Sein Image hat jedoch mehr Politur nötig, auch wenn Bush und Powell noch zu ihm stehen.

Ganz oben wird die Luft immer dünner: Donald RumsfeldBild: AP

Donald Rumsfeld hatte sich mit der Reise in den Irak dem für ihn unangenehmen Geschehen in Washington entzogen: Am Mittwoch (12.5.2004) hatte das US-Verteidigungsministerium dem Kongress in Washington vorübergehend weitere Fotos und Videos zugänglich gemacht, auf denen Misshandlungen irakischer Gefangener im Gefängnis von Abu Ghoreib zu sehen waren. Demokratische und republikanische Senatoren hatten sich danach entsetzt gezeigt. Der demokratische Senator Ron Wyder sagte, er habe mit dem Schlimmsten gerechnet, aber was er gesehen habe, sei noch "wesentlich schlimmer".

Gehen oder gegangen werden

Bild: AP/Courtesy of The New Yorker

Zwei Tage zuvor konnte sich US-Präsident George W. Bush ein eigenes Bild machen und stärkte seinem Verteidigungsminister hinterher demonstrativ den Rücken, zum zweiten Mal seit Beginn der Affäre. Dass er seinem Weggefährten die Epauletten nimmt, ist damit kaum noch zu erwarten. Es sei denn, alles käme noch dicker, und Rumsfeld müsste seinen Hut auf Druck von außen nehmen. Dann könnte er als verdienstvoller Minister abtreten, den die Umstände zwangen. Bleibt es beim bisherigen Sachstand, dann bliebe ihm die Wahl, aus eigenem Antrieb abzudanken. Wofür einiges spräche. Denn der 71-jährige hat mit dem Ministeramt eine lange Karriere in der Privatwirtschaft gekrönt, klebt also nicht am Amt wie vergleichsbare Berufspolitiker in Europa.

Überheblichkeit fordert nun ihren Preis

Nachdem er sich einem peinlichen parlamentarischem Verhör unterziehen und skandierende Demonstranten ertragen musste, hat der stets bissig und ironisch auftretende Verteidigungsminister wieder ein wenig Oberwasser bekommen, wenngleich er von seinem arroganten Auftreten wie in der Vorkriegszeit noch weit entfernt ist. Jüngst verteidigte er die zumindest manche Verhörmethoden als "mit internationalem Recht vereinbar". Schlafentzug, Änderungen in der Ernährung von Häftlingen und das Verharren in "unangenehmen Stellungen" seien zulässig. Ablenken kann das allerdings nicht davon, dass Pyramiden nackter Männer, Anlegen von Hundehalsbändern und erzwungene Sexualpraktiken wohl eher nicht dazu gehören. Ebenso wie die Perfidie, arabische Männer durch eine Frau demütigen zu lassen.

Letzte Legitimation verspielt

Dies wiegt für die amerikanische Administration um so schlimmer, wenn man sich an den nur kurze Zeit zurückliegenden Kriegsgrund erinnert: Die Menschen im Irak vom Diktator Saddam Hussein zu befreien und die Welt von den angeblichen Chemiewaffen. Ein Lügengebäude, wie sich heute zeigt, das zur völligen Konzeptionslosigkeit der alliierten Politik im Irak passt.

Shock and Awe kehren unverhofft heim

Rumsfeld wies freilich Vorwürfe zurück, sein Ministerium habe die Misshandlungsaffäre im Irak vertuscht. "Ich wurde von ranghöheren Personen angewiesen, dort zu stehen und die Leine zu halten, und sie haben das Foto gemacht, das ist alles, was ich weiß", sagte unterdessen die in Fort Bragg in den USA inhaftierte Soldatin Lynndie England dem Fernsehsender KCNC in Denver. Das spräche für eine Systematik auf Seiten des Militärs.

Mit "Shock and Awe" - Schock und Einschüchterung - dank überlegener Waffentechnik und Sprengkraft hatten die Amerikaner den Irak erobert. Nun kommt der Schock zurück, auf die heimischen Bildschirme in den USA: zunächst muss über immer mehr Opfer in den eigenen Reihen berichtet werden, dann werden von US-Truppen misshandelte irakische Gefangene gezeigt, schließlich von der grausamen Hinrichtung des Amerikaners Nick Berg berichtet.

Rechtsstaatlichkeit gründlich besudelt

Pikant auch: Die US-Zeitung "Wall Street Journal" berichtete in einem Dossier über die Zustände in irakischen Gefängnissen. Demnach hatte ein einfacher Soldat erstmals am 13. Juni 2003 über Unregelmäßigkeiten im Gefängnis Abu Ghoreib berichtet. Am 15. Januar habe Jakob Kellenberger, der Chef des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Außenminister Colin Powell erstmals informiert, dass der Skandal keineswegs nur auf Abu Ghoreib begrenzt sei. Peinlich auch hier: Die bisher ablehnende Haltung der Amerikaner zu einem Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof. Das Argument: in ihrem Land sei Rechtsstaatlichkeit gewährleistet.

Amerika sitzt mit dem Imageschaden im Schlamassel. Zudem droht, wenn das Morden im Irak weitergeht, Schlimmeres. 774 Soldaten sind bisher gefallen, die 1000er Marke dürfte bald erreicht sein, und das wird im Wahlkampf an der Heimatfront sicher nicht gut ankommen. Spätestens dann könnte Rumsfeld zum ehrenvollen Bauernopfer werden. Auch wenn ihm zuletzt sein Außenminister am Donnerstag (13.5.2004) in einem Interview mit dem britischen Sender BBC die Stange hielt. Die Begründung: Ein Rücktritt Rumsfelds sei ungerechtfertigt, da der Verteidigungsminister die Verantwortung für die Folterungen übernommen habe, so Powell. Wie lange dies als Konsequenz noch ausreicht, bleibt abzuwarten.

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