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Politik

"Der Krieg ist definitiv nicht mein Ding"

Ales Petrowitsch
4. Oktober 2022

Obwohl das Belarus als Komplize des Kremls im Krieg gegen die Ukraine gilt, fliehen Russen auch dorthin, um der Teilmobilisierung zu entkommen. Wie kommen sie dort zurecht? Die DW hat mit Betroffenen vor Ort gesprochen.

Russische Bürger suchen Schutz vor der Teilmobilmachung auch in der belarussischen Stadt Brest
Im Bahnhof in der belarussischen Stadt Brest im Westen des Landes treffen russische Staatsbürger einBild: Ales Petrowitsch/DW

Immobilienagenturen und Vermieter von Wohnungen sind in Belarus oft die ersten, auf die russische Männer treffen, die wegen der von Präsident Wladimir Putin angeordneten "Teilmobilmachung" Russland hastig verlassen haben. Das vom Kreml-treuen Machthaber Alexander Lukaschenko autoritär regierte Belarus ist neben Georgien und Kasachstan eines der Länder, in das diejenigen fliehen, die aus verschiedenen Gründen nicht zum Krieg gegen die Ukraine eingezogen werden wollen.

Aljona (alle Namen im Text wurden aus Sicherheitsgründen geändert) lebt in Minsk und besitzt mehrere Wohnungen. Sie sagt, der Zustrom von Russen sei inzwischen sehr groß. "Es sind nicht Tausende oder Zehntausende, die hier ankommen, aber die Nachfrage ist schon gewaltig", sagt sie. Vor allem junge Männer, die offenbar nicht in den Krieg ziehen wollen, interessieren sich für Wohnungen, vermutet Aljona.

Die Mietpreise seien in den letzten Tagen deutlich gestiegen, und das nicht nur mitten in Minsk. "Auch am Stadtrand bekommt man kaum noch eine Wohnung für weniger als 100 belarussische Rubel (etwa 40 Euro) pro Tag", erzählt sie. Bessere Lagen kosten ihr zufolge schon umgerechnet über 100 Euro am Tag.

Dringende Wohnungsgesuche in Belarus - trotz steigender MietenBild: Ales Petrowitsch/DW

Aljona macht zudem darauf aufmerksam, dass es in Minsk kaum noch Angebote gebe, da die Russen eine Wohnung meist gleich für eine Woche und manche für einen ganzen Monat mieten würden. Dies hat wiederum zu einer zunehmenden Nachfrage nach Wohnungen und Häusern in den kleinen Städten rund um die belarussische Hauptstadt geführt.

"Alles, was mit der Armee zu tun hat, interessiert mich überhaupt nicht"

Sergej aus Moskau hat sich für eine Wohnung in der Stadt Molodetschno 70 Kilometer von Minsk entfernt entschieden. "Ich bin fünf Tage nach Anordnung der Mobilmachung mit dem Zug nach Belarus gefahren. Ich selbst habe keinen Bescheid bekommen, aber viele Kollegen und Bekannte mussten schon zum Einberufungsamt", erzählt der Mann, der nie in der russischen Armee gedient hat. Der 32-Jährige wollte, wie er sagt, das Schicksal nicht herausfordern, und machte sich schnell auf den Weg.

"Ich arbeite für ein kleines Logistikunternehmen und wollte in meinem Leben nichts ändern. Nicht einmal einen Reisepass habe ich, denn Auslandsreisen interessieren mich nicht. Ich war schon mal in Minsk und Brest (in Belarus an der Grenze zu Polen - Anm.d.Red), aber ich erhole mich lieber in der Natur, und das geht auch vor den Toren von Moskau", sagt er. Noch weiß Sergej nicht, wie lange er in Belarus bleiben wird. "Mit meiner Vermieterin habe ich vereinbart, dass ich einige Tage bleibe und täglich bezahle. Ich habe sie schon vorgewarnt, dass noch meine Freunde nachkommen könnten. Sie hat nichts dagegen. Es ist erfreulich, dass sie aus dieser Situation nicht auch noch Profit schlagen will", erzählt Sergej.

Trotz der Herzlichkeit, die er im benachbarten Belarus erfährt, ist der Moskauer, der die Nachrichten seiner Familie und Freunde sorgfältig liest, besorgt. "Zurzeit bin ich auf eigene Kosten im Urlaub, aber ich möchte unbedingt wieder nach Hause. Doch wenn mich dort eine Einberufung in den Krieg in der Ukraine erwartet, dann ist das definitiv nicht mein Ding. Ich möchte nicht darüber streiten, wer in diesem Konflikt Recht oder Unrecht hat. Alles, was mit der Armee zu tun hat, interessiert mich überhaupt nicht", sagt der Mann.

"Früher habe ich bedauert, keinen Sohn zu haben"

Anton aus St. Petersburg kam Ende letzter Woche in die belarussische Stadt Brest im Westen des Landes. Die Familie habe beraten und entschieden, dass es für ihn als Wehrpflichtigen in der aktuellen Situation besser sei, das Land zu verlassen. "Außer Belarus habe ich keine andere Option in Betracht gezogen, weil ich eine Tante habe, die in der Nähe von Brest lebt. Damit war auch das Problem mit der Unterkunft gelöst. Ich wollte einen Job suchen und dann eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Aber in Belarus geht das Gerücht um, es könnte eine Mobilmachung geben und geflohene Russen könnten als Wehrdienstverweigerer zwangsweise nach Russland gebracht werden", erzählt Anton.

Ein ankommender Zug im Bahnhof von Brest im Westen von BelarusBild: Ales Petrowitsch/DW

Eine Diskussion über den Krieg in der Ukraine vermeidet er und spricht nur von "widersprüchlichen Informationen" der Kriegsparteien. Gleichzeitig erinnert sich der Russe ohne Begeisterung an seinen Dienst in der Armee. "Anfang der 90er Jahre wurde ich zu den Raketentruppen eingezogen. Dort musste ich alles mögliche tun, aber eine Kampfausbildung war das nicht. Das ist für mich ein verlorener Lebensabschnitt", sagt er.

Noch ist Anton optimistisch und hofft, dass seine Frau und seine beiden Töchter bald zu ihm nach Brest nachkommen werden. "Früher habe ich bedauert, keinen Sohn zu haben, aber jetzt denke ich, dass es vielleicht besser ist, sonst hätte ich mir jetzt um ihn mehr Sorgen machen müssen als um mich selbst", erzählt der Mann.

"Wir wollen, dass alles geheim bleibt"

Viktor ist aus Smolensk nach Belarus gekommen und will nicht, dass bekannt wird, wo er sich genau aufhält. "Meine Freunde und ich hatten uns einen Wagen mit Fahrer gemietet. Wir wollen, dass alles geheim bleibt, sogar unsere Handys haben wir in Russland gelassen", sagt der junge Mann und betont, dass dies aus Sicherheitsgründen notwendig sei. Denn auch er schließt nicht aus, dass russische Bürger, die sich der Teilmobilmachung entziehen, von Belarus ausgeliefert werden könnten.

"Als wir die belarussisch-russische Grenze überquerten, war es dort noch relativ ruhig. Aber jetzt berichten Reisende, dass es auf den Straßen Kontrollpunkte gibt, an denen die Papiere ausreisender Männer überprüft und mit den Listen der Mobilmachung abgeglichen werden", sagt Viktor.

Er gibt zu, mit seinen Freunden nach Belarus gefahren zu sein, weil dies von Smolensk aus am nächsten ist. Sie hätten schnell entscheiden müssen, wie sie sich am besten einer Einberufung entziehen könnten. "Vorerst mieten wir ein Haus auf dem Land. Wir vermeiden es, uns in den Städten zu zeigen, wir beobachten die Lage und schauen, wohin wir weiterfahren können. Jedenfalls ist es gefährlich, länger in Belarus zu bleiben. Unsere Weiterreise ist nur eine Frage der Zeit und des Geldes", erklärt der Russe aus Smolensk.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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