1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Mehr Power für Putin?

Mikhail Bushuev
25. Juni 2020

In Russland wird über eine Verfassungsänderung abgestimmt, mit der es Präsident Putin möglich gemacht werden könnte, bis zum Jahr 2036 an der Macht zu bleiben. Welche Änderungen sonst noch kommen sollen - ein Überblick.

Russland Wladimir Putin hält eine Rede auf dem Roten Platz
Bild: Getty Images/Host Photo Agency/S. Guneev

Mitten in der Coronavirus-Pandemie mit täglich knapp 8000 Neuinfizierten werden die Russen zu den Wahlurnen gerufen. An diesem Donnerstag beginnt eine wochenlange Abstimmung über Änderungen an der russischen Verfassung - mit weitreichenden Folgen. Ein negativer Ausgang des Verfassungsreferendums wäre eine Riesenüberraschung, denn trotz sinkender Popularitätswerte verfügt der russische Präsident weiter über eine stabile Kernanhängerschaft.

Unbegrenzte Amtszeit für Wladimir Putin?

Nach geltendem Recht ist für den russischen Präsidenten Wladimir Putin eigentlich spätestens im Jahr 2024 - nach zwei Amtszeiten - Schluss. Doch er selbst denkt überhaupt nicht an einen Abschied von der Politik.

Mit der Verfassungsänderung will Putin nun eine Ausnahme für sich selbst schaffen, die es ihm ermöglichen soll, auch nach 2024 weiter für das Präsidentenamt kandidieren zu können. Zwar erklärte Russlands Präsident vor Kurzem, er habe sich noch nicht festgelegt, ob er weitermachen möchte. Aber nach Inkrafttreten der Verfassungsänderung könnte er theoretisch zwei weitere Amtszeiten regieren - bis ins Jahr 2036, denn eine Amtszeit dauert sechs Jahre. Putin wäre dann 83 Jahre alt.

Präsident bis 2036? Kremlchef Wladimir PutinBild: picture-alliance/AP/A. Nikolsky

Für alle anderen künftigen Kandidaten soll hingegen die Einschränkung gelten, dass das Präsidentenamt nicht wie bisher höchstens zweimal hintereinander bekleidet werden darf, sondern nur noch höchstens zweimal insgesamt.

Noch mehr Macht für den Präsidenten

Russland ist schon jetzt eine präsidiale Republik, die dem Staatsoberhaupt sehr weitreichende Vollmachten verleiht. Doch mit der neuen Reform bekäme Russlands Herrscher einen noch größeren Handlungsspielraum. In der Verfassungsänderung heißt es, der Präsident dürfe die "allgemeine Arbeit der Regierung leiten". Die Regierung wird also nicht mehr darüber entscheiden, in welche Richtung sich das Land entwickelt. Sie wird nur noch gemäß den Initiativen des Präsidenten die "Arbeit organisieren".

Nach Inkrafttreten der Reform wird der Präsident auch weiterhin den Premierminister ernennen können. Bislang muss dies jedoch vom russischen Parlament, der Duma, abgesegnet werden. Künftig soll es hier aber eine entscheidende Änderung geben: Sollte die Duma den vom Präsidenten vorgeschlagenen Kandidaten dreimal ablehnen, dann kann der Staatschef dennoch einen Premier ernennen, ohne - wie bisher - Neuwahlen des Parlaments ausrufen zu müssen. Neu ist auch, dass der Präsident einen Premierminister leichter auswechseln könnte. Dafür müsste er nicht mehr - wie bislang - das ganze Kabinett auflösen. Zudem sollen künftig einige Minister des Kabinetts direkt dem Präsidenten unterstellt werden.

Die neue russische Verfassung gibt es schon vor der Volksabstimmung in manchen russischen Buchläden zu kaufenBild: picture-alliance/dpa/A. Novoderezhkin

Zudem soll der Präsident künftig die Entlassung von Richtern des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichts initiieren können. Zwar braucht er dafür wohl die Zustimmung der oberen Kammer des Parlaments, des Föderationsrates. Aber diese gilt als Formalität. Denn der Präsident darf auch Senatoren in den Föderationsrat berufen, sieben davon auf Lebenszeit. Dort darf sich der Kremlchef außerdem selbst einen Sitz auf Lebenszeit sichern. Dies verschafft ihm auch über seine eigene Amtszeit als Präsident hinaus politische Immunität. 

Wie sollen die russischen Wähler motiviert werden?

Auf der offiziellen Website zum Referendum gibt es keine Informationen darüber, dass eine Ausnahme Putin ermöglichen soll, auch nach 2024 zu kandidieren. Dort wird viel lieber darüber gesprochen, dass die Verfassungsänderung den Menschen mehr Wohlstand bringen soll. In der staatlichen Zeitung "Rossijskaja Gaseta" geht es um das "Recht auf soziale Garantien" wie einen verbesserten Arbeiterschutz oder eine erschwingliche Gesundheitsversorgung. An die Verfassungsreform ist beispielsweise auch eine Erhöhung des "Mutterschaftskapitals" geknüpft: Dies sind Beihilfen bei der Geburt eines Kindes von umgerechnet fast 6000 Euro. Bisher wird erst beim zweiten Kind gezahlt. Außerdem soll eine Novelle der Verfassung regeln, dass der Mindestlohn nicht unter dem "Existenzminimum" liegen darf: nach offiziellen Berechnungen wären dies etwa 135 Euro monatlich.

Die russische Opposition protestiert seit Monaten gegen die Verfassungsreform. Dass sie abgelehnt wird, gilt dennoch als äußerst unwahrscheinlichBild: MBH Media/Y. Hodarevskaya

Bei der konservativen und rechtsnationalistischen Wählerschaft will man vor allem mit einer Betonung "traditioneller Familienwerte" punkten. So soll die Ehe nur als Vereinigung zwischen Mann und Frau verstanden werden dürfen. Kinder werden zur obersten Priorität der staatlichen Politik erklärt und sollen "patriotisch" erzogen werden. Ferner soll Russisch als "Sprache des staatstragenden Volkes" in der Verfassung verankert werden.

Ändern sich die Beziehungen Russlands zum Westen?

In der neuen Verfassung soll Russland auch vor "schädlichen" Urteilen internationaler Gerichte geschützt werden. Internationales Recht soll in Russland künftig keinen Vorrang mehr haben - gar nicht angewandt werden soll es, wenn das russische Verfassungsgericht zum Schluss kommt, dass es nicht im Einklang mit dem nationalen Recht steht.

Was bedeutet das konkret? Beispielsweise könnte Moskau mit dem Vorwurf konfrontiert werden, dass das russische Militär 2014 über der Ostukraine die malaysische Boeing MH17 mit 298 Insassen an Bord abgeschossen habe. Die meisten der Todesopfer stammten aus den Niederlanden. Im Bezirksgericht Den Haag läuft derzeit ein Strafprozess gegen vier Beschuldigte, von denen drei Russen sind. Und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) liegt eine Zivilklage gegen Russland vor. Nach einer erfolgten Verfassungsreform wird Russland derartige Urteile wohl nicht mehr anerkennen. Russischen Bürgern hingegen bleibt zunächst die Möglichkeit erhalten, weiter vor dem EGMR zu klagen.

Russland zwischen Tradition und Zukunft (1)

42:36

This browser does not support the video element.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen