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Russische Juden werfen Tallinn "Rehabilitierung des Nazismus" vor

4. November 2003

- Protest gegen geplantes Denkmal in Estland - Offener Brief an Ariel Sharon

Bonn, 4.11.2003, PERWYJ KANAL, ITAR-TASS

PERWYJ KANAL, russ., 3.11.2003

Die baltischen Staaten können nicht in Europa integriert werden, wenn sie nicht dessen Werte akzeptieren. Mit diesen Worten kommentierte der russische Oberrabbiner Berl Lasar heute die Entscheidung der estnischen Behörden, ein Denkmal für diejenigen zu errichten, die im Zweiten Weltkrieg für die Freiheit des Landes kämpften und starben. Vertreter der jüdischen Gemeinde Russlands sind der Ansicht, dass es sich in Wirklichkeit um ein Denkmal für Esten handeln solle, die an der Seite von Hitlerdeutschland in SS-Einheiten kämpften.

(Lasar auf einer Moskauer Pressekonferenz) In Estland lebten einst mehr als 5000 Juden und in Lettland etwa 100 000. Praktisch alle von ihnen wurden ermordet, und dies geschah mit Hilfe örtlicher Kollaborateure und von Soldaten, die in Wirklichkeit an der Seite der Nazis kämpften. Und wenn wir heute sehen, dass Denkmäler errichtet werden, dass Märsche und andere Veranstaltungen auf hoher Ebene stattfinden, so erfüllt uns das wirklich mit Sorge. (TS)

ITAR-TASS, russ., 2.11.2003

Die Leiter einer Reihe jüdischer Organisationen in Russland haben sich besorgt darüber geäußert, dass in den baltischen Staaten Versuche unternommen werden, den Nazismus zu rehabilitieren und die Lehren aus dem Holocaust zu verschweigen. In einem offenen Brief an den israelischen Premierminister Ariel Sharon, der heute zu einem Besuch in Moskau eingetroffen ist, reagieren sie mit Besorgnis auf die Entscheidung in Tallinn, ein Denkmal "Für alle Kämpfer für die Freiheit Estlands, die im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen", zu errichten.

"In Wirklichkeit ist es ein Denkmal für die Esten, die an der Seite von Hitlerdeutschland kämpften, darunter die Untereinheiten der SS. Wir können dies nur als einen Versuch werten, den Nazismus zu rehabilitieren und ihn heroisch aussehen zu lassen. Dies ist aber auch nicht das erste Mal, dass so etwas in Estland und Lettland geschieht", schreiben die Verfasser des Briefes.

Sie vertreten den Standpunkt, dass in einigen baltischen Staaten die Politik der Rehabilitierung ehemaliger SS-Mitglieder, die an der Massenvernichtung von Juden beteiligt waren, auf staatlicher Ebene betrieben wird. "Unserer Meinung nach versuchen sie, aus den Naziverbrechern Nationalhelden zu machen, zu Beispielen für die junge Generation." "Leider werden diese Trends, die den Nährboden für Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus schaffen, von den europäischen Staaten (...) nicht richtig eingeschätzt", ist in dem Brief zu lesen.

Die Verfasser des Briefes appellieren an den israelischen Premierminister, "das, was zur Zeit in den baltischen Staaten vorgeht, zu prüfen und den Prozess der Rehabilitierung von Naziverbrechern zu stoppen".

Das Dokument unterzeichneten: der russische Oberrabbiner Berl Lasar; der Präsident des Verbandes jüdischer Gemeinden der GUS Lew Lewajew; die Leiterin der Stiftung für Holocaust-Erziehung Alla Gerber; der Direktor des Moskauer Büros für Menschenrechte Aleksandr Brod; der Präsident der International Union of Jewish Public Associations, Yefim Gologorskiy, der zur Zeit des Faschismus im Gefängnis war.

Boruch Gorin, Leiter des Pressedienstes des russischen Oberrabbiners, sagte, dieser Brief werde am Montag (3.11.) Ariel Sharon persönlich überreicht werden. (TS)