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Russische Künstler und der Ukraine-Krieg

Sarah Hucal rbr
1. März 2022

Viele prominente russische Künstler wenden sich gegen den Krieg in der Ukraine. Andere wiederum riskieren lieber ihren Job, als sich von Putin zu distanzieren - obwohl ihre Arbeitgeber im Ausland Druck machen.

Opernsängerin Anna Netrebko
Anna Netrebko: "Künstler nicht unter Druck setzen"Bild: Roman Vondrous/CTK/imago images

Der Krieg gegen die Ukraine beschäftigt nun auch Künstler und Kulturschaffende: Die New Yorker Metropolitan Opera kündigte am Sonntag an, dass sie die Zusammenarbeit mit Pro-Putin-Künstlern beenden werde. Andere Opernhäuser auf der ganzen Welt reagieren ähnlich.

Eine, die von einer solchen Maßnahme direkt betroffenen ist, ist Opernsängerin Anna Netrebko. Ihr wird nachgesagt, Beziehungen zum russischen Präsidenten zu unterhalten. 2014 posierte sie mit einer Flagge, die von einigen von Russland unterstützten Separatisten in der Ukraine benutzt wird.

Eines ihrer Konzerte, das für den 25. Februar in Aarhus, Dänemark, geplant war, wurde bereits abgesagt, nachdem sie aufgefordert worden war, klare Stellung zu Putin zu beziehen.

Zwei Tage später veröffentlichten Netrebko und ihr aserbaidschanischer Ehemann, der Sänger Yusif Eyvazov, eine gemeinsame Erklärung, in der sie den Krieg verurteilten, ohne jedoch Namen zu nennen: "Ich möchte, dass dieser Krieg zu Ende geht und dass die Menschen in Frieden leben können. Das ist es, was ich hoffe und wofür ich bete." 

Sie fügte hinzu: "Es ist nicht richtig, Künstler oder andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu zwingen, ihre politische Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern und ihr Heimatland anzuprangern. (…) Das sollte eine freie Entscheidung sein. Ich bin kein politischer Mensch. Ich bin kein Experte in Sachen Politik", heißt es in der Erklärung.

Am 1. März folgte dann die Absage aller Konzerte für die kommenden Monate: Die russische Opernsängerin Anna Netrebko ließ über den Veranstalter River Concerts mitteilen: "Nach reiflicher Überlegung habe ich die äußerst schwierige Entscheidung getroffen, mich bis auf Weiteres aus dem Konzertleben zurückzuziehen". Und weiter heißt es. "Es ist nicht die richtige Zeit für mich aufzutreten und zu musizieren. Ich hoffe, dass mein Publikum diese Entscheidung verstehen wird". Das für den 2. März in der Hamburger Elbphilharmonie geplante Konzert mit ihrem Ehemann Yusif Eyvazov wird auf den 7. September verschoben.

Rauswurf: Stardirigent Valery Gergiev

Dirigent Valery Gergiev, der seit den 1990er-Jahren eng mit Putin befreundet ist und auch 2012 auch in einem Putin-Wahlkampfvideo zu sehen war, ist seit dem 1. März seinen Job bei den Münchner Philharmonikern los. "Gergiev hat sich trotz meiner Aufforderung, sich eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt, nicht geäußert", erklärte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. "Ich hätte mir erwartet, dass er seine sehr positive Einschätzung des russischen Machthabers überdenkt und revidiert. Das hat er nicht getan."

Reiter hatte Gergiev am 25.2. ein Ultimatum gesetzt: Wenn er sich nicht bis zu diesem Montag von Putin und dessen Angriffskrieg auf die Ukraine distanziere, könne der Russe nicht weiter Chefdirigent der Münchner Philharmoniker sein.

Solidarisch mit Gergiev zeigte sich zunächst Opernsängerin Anna Netrebko: Auf Instagram postete sie ein Foto, das die beiden Hand in Hand zeigte. Mittlerweile ist der Link allerdings gelöscht.

Der 68-Jährige Gergiev wurde zuvor bereits durch einen anderen Dirigenten für drei Konzerte mit den Wiener Philharmonikern in der berühmten New Yorker Carnegie Hall ersetzt. Die Carnegie Hall sagte zwei Aufführungen im Mai ab, bei denen Gergiev das Mariinsky-Orchestra leiten sollte. Auch das Konzert des Putin-freundlichen Pianisten Denis Mazujew wurde gestrichen.

 

Dirigent und Putin-Unterstützer Valery Gergijew steht seit langem in der KritikBild: Ruslan Shamukov/ITAR-TASS/picture alliance

Auch die Leitung der legendären Mailänder Scala kündigte an, den für den 5. März geplanten Auftritt des Dirigenten abzusagen, sollte er nicht aufhören, den russischen Präsidenten zu unterstützen. In den Niederlanden hat das Rotterdamer Philharmonische Orchester, dessen Ehrendirigent Gergijew ist, ebenfalls angekündigt, seine kommenden Konzerte und das Festival abzusagen, wenn er sich nicht gegen den Krieg ausspricht.

Der Stardirigent verzeichnete bereits am Sonntag einen schweren Verlust, als sein langjähriger Agent Marcus Felsner ihn fallen ließ. Die Entscheidung breche ihm das Herz, schrieb Felsner. Gergijew sei einer der größten Dirigenten unserer Zeit, "ein visionärer Künstler, den viele von uns lieben und bewundern", der aber "seine seit langem ausgedrückte Unterstützung für ein Regime, das inzwischen Verbrechen begeht, nicht öffentlich beenden will oder kann", schrieb der in München ansässige Agent in einer Erklärung.

Der Dirigent der Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko, hat sich scharf gegen den Krieg Russlands in der Ukraine ausgesprochenBild: picture-alliance/dpa/C. Esch-Kenkel

Für manche eine naheliegende Wahl

Doch es gibt auch äußerst kritische Stimmen: Kirill Petrenko, russischer Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, wandte sich in einer am 25. Februar veröffentlichten Erklärung scharf gegen das, was er "Putins heimtückischen" Angriff nannte. Er  sprach von einem "ein Messer im Rücken der ganzen friedlichen Welt" sowie einen Angriff auf die Künste, die "über alle Grenzen hinaus verbinden".

Der bekannte Rapper Oxxxymiron sagte aus Protest ein Konzert ab und erklärte auf seinem Instagram-Account, der von 2,2 Millionen Menschen verfolgt wird, dass er gegen den Krieg sei. "Egal wie sehr man versucht zu erklären, dass es sich nicht um eine Aggression, sondern um eine Verteidigung handelt, die Ukraine ist nicht in russisches Gebiet eingedrungen. Es ist Russland, das gerade einen souveränen Staat bombardiert", sagte er in einem Instagram-Post.

Einer der berühmtesten Rapper Russlands, Oxxxymiron, hat sich in den sozialen Medien gegen den Krieg ausgesprochenBild: Sergei Petrov/ITAR-TASS/imago

Popsänger Sergej Lazarew, einst ein überzeugter Putin-Anhänger, der Russland beim Eurovision Song Contest 2016 vertrat, veröffentlichte auf seinem Instagram-Account mit 4,7 Millionen Followern ein leidenschaftliches Plädoyer, indem er ein schwarzes Bild postete und ein Ende des Krieges forderte: "Setzt euch an den Verhandlungstisch! Lasst die Menschen leben! Niemand unterstützt den Krieg! Ich will, dass meine Kinder in Frieden leben!"

Auch der prominente russische Showbusiness-Mann Valery Meladze forderte die russische Führung auf, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.

Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg

28:56

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Staatliche Institutionen verlieren Führungskräfte

Der ehemalige Choreograf des Bolschoi-Balletts, Alexei Ratmansky, verließ Russland mitten in den Vorbereitungen eines mit Spannung erwarteten neuen Balletts am Bolschoi. Ratmansky, der in Kiew aufgewachsen ist und dort seine Karriere begonnen hat, hat beschlossen, Russland umgehend zu verlassen und sein kreatives Team mitzunehmen. Der Choreograph sagt zwar, dass er Pläne habe, zurückzukehren und die ausgesetzte Produktion fortzusetzen, aber er ist sich nicht sicher wann. Ein Großteil seiner Familie lebt in der Ukraine. "Ich bezweifle, dass ich zurückkehren würde, wenn Putin noch Präsident ist", sagte Ratmansky der New York Times.

Auch prominente russische Theaterregisseure haben angesichts des Krieges ihre Posten verlassen, darunter Elena Kowalskaja, die langjährige Direktorin des Moskauer Meyerhold-Zentrums: "Das Meyerhold-Zentrum ist ein Staatstheater und ich werde nicht für den kriminellen Putin-Staat arbeiten", schrieb sie in einer Erklärung.

Auch der Direktor des Majakowski-Theaters, Mindaugas Karbauskis aus Litauen, verließ seinen Posten am 24. Februar abrupt, ohne jedoch einen konkreten Grund zu nennen.

Der französische Ballettmeister Laurent Hilaire kündigte seinen Rücktritt als Direktor des Moskauer Stanislawski-Theaters wegen des russischen Einmarsches in der Ukraine an. "Ich bedauere diese Entscheidung, aber die Umstände erlauben mir nicht mehr, gelassen zu arbeiten", sagte er der französischen Nachrichtenagentur AFP. Er war erst der zweite Franzose, der in den letzten 150 Jahren eine russische Ballettkompanie geleitet hat.

Künstler und Kulturschaffende aus ganz Russland unterzeichneten außerdem einen offenen Brief gegen den Krieg in der Ukraine und den falschen Vorwand, unter dem er geführt wurde. In dem Brief warnten sie vor den schwerwiegenden und dauerhaften Folgen, die der Konflikt wahrscheinlich für die russische Kulturindustrie haben wird.

Die Auswirkungen des Krieges sind für Russlands Kultureinrichtungen bereits spürbar. Russland wurde mitgeteilt, dass es nicht am bevorstehenden Eurovision Song Contest teilnehmen kann, und eine bevorstehende Tournee des Bolschoi-Balletts zum Londoner Royal Opera House wurde auch abgesagt.

Adaption aus dem Englischen: Rayna Breuer

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