1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Russische NGOs: Verfolgung wie zu Sowjetzeiten

Miodrag Soric Moskau
7. Februar 2019

Russische Menschenrechtler zeichnen ein düsteres Bild von der Lage in ihrem Land. "Der Staat experimentiert, wie weit er mit seinen Repressionen gehen kann", sagt Valery Borshchev von der Moskauer Helsinki Gruppe.

Russland Moskau Pressekonferenz Helsinki Gruppe
Prangern Menschenrechtsverletzungen an: NGOs in Moskau Bild: DW/M. Soric

Zwei aktuelle Fälle sind es, die den Menschenrechts-Aktivisten Sorgen bereiten. Zum einen der von Anastasia Schewtschenko in Rostov. Die Koordinatorin der Nichtregierungsorganisation "Open Russia" steht unter Hausarrest, weil sie angeblich Mitglied einer "unerwünschten Organisation" sei. Die Menschenrechtsaktivisten in Moskau halten diese und andere Anklagen für konstruiert.

"Unmenschliches Handeln"

Das Schicksal von Anastasija Schewtschenko ist tragisch. Als ihre Tochter plötzlich wegen einer vermuteten Bronchitis in Krankenhaus musste, bat die Mutter die Behörden darum, zu ihrer Tochter vorgelassen zu werden, was diese lange verweigerten. Erst als sich der Zustand der Tochter auf der Intensivstation weiter verschlechterte, gaben sie nach. Doch Anastasija Schewtschenko kam zu spät, um sich von ihrer Tochter zu verabschieden. Das Mädchen, das bereits vorher gesundheitliche Probleme hatte, starb an Herzversagen.

Auch nach dem Tod der Tochter steht Anastasija Schewtschenko unter Hausarrest. Sie dürfe selbst dann nicht die Wohnung verlassen, wenn sie mit ihren beiden anderen Kindern zum Arzt müsse, bedauerte die Menschenrechtsaktivistin Zoja Svetova: "Der Staat handelt unmenschlich", meint sie. Sie und andere fordern die sofortige Freilassung von Anastasija Schewtschenko.

Geheimdienst durchsucht Wohnungen von Aktivisten

01:59

This browser does not support the video element.

Protest gegen illegale Müllentsorgung

Ähnliches gilt für den Umweltaktivisten Vjetscheslav Jegorov, der in Kolomna unter Hausarrest steht. Der Vater von drei Kindern gehört zu einer Gruppe von Bürgern, die sich dagegen wehren, dass täglich ein Großteil des Mülls aus der Hauptstadt ins idyllische Kolomna gebracht und dort nicht sachgerecht entsorgt wird. In der Pressekonferenz in Moskau beklagte die Menschenrechtlerin Alla Frolowa seine Festnahme. Sie kritisierte das Verhalten des Geheimdienstes FSB. Dieser hat vor wenigen Tagen die Wohnungen von 15 Familien in Kolomna durchsucht, morgens zwischen 5 und 6 Uhr. "Dabei beschlagnahmten sie nicht nur Computer, Festplatten, Telefone und Kreditkarten sondern auch Computerspiele von Kindern."

Sowohl Vjetscheslav Jegorov als auch Anastasija Schewtschenko würden aus politischen Gründen verfolgt, sagte Natalja Zvjagina von Amnesty International. Der bekannte Menschenrechtler Lew Ponomarjow meint, dass die Menschen in Kolomna und anderswo verfolgt würden, obwohl sie nichts Gesetzeswidriges getan hätten. Im vergangenen Dezember war auch er für zwei Wochen im Gefängnis.

Sieht dunkle Zeiten für Menschenrechtler aufkommen: Valeri Borschtschow Bild: Imago/ITAR-TASS/A. Novoderezhkin

Ungleiches Verhalten der Behörden

Igor Jakovenko, Journalist und Menschenrechtler, sagte, die russische Staatsanwaltschaft messe mit zweierlei Maß. Im staatlich gelenkten russischen Fernsehen kämen regelmäßig Menschen zu Wort, die Hass gegen den Nachbarstaat Ukraine schürten "und damit gegen russische Gesetze verstoßen", sagte er. Doch in diesem Fall würden die Behörden wegschauen. Er regte an, dass eine Liste erstellt werden sollte mit den Namen all derjeniger, die dem derzeitigen "Regime dienen und Menschenrechtsverletzungen begehen". Sie sollten sich zu einem späteren Zeitpunkt vor ein internationales Gericht für ihre Taten verantworten.

"Die Sicherheitskräfte haben eine 'carte blanche' vom Kreml bekommen", meint Valeri Borschtschow von der Moskauer Helsinki Gruppe. Er glaubt, dass es schon bald in Russland eine Welle von weiteren Menschenrechtsverletzungen geben werde. "Der Staat schreckt nicht davor zurück Menschen zu verfolgen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen", meint Zoja Svetova.

In einem waren sich die Aktivisten einig: Die Repressalien erinnerten immer an die Verfolgung von Bürgerrechtlern zu sowjetischen Zeiten.