Russische Wahlbeobachtungsgruppe Golos kündigt Auflösung an
8. Juli 2025
Die unabhängige russische Wahlbeobachtungsgruppe Golos hat ihre Auflösung bekanntgegeben - als Reaktion auf die Verurteilung ihres Vorsitzenden Grigori Melkonjanz im Frühjahr. Man habe alle Büros in Russland geschlossen, teilte die Organisation mit.
"Die Gerechtigkeit siegt leider Gottes nicht immer, man muss für sie kämpfen", erklärte Golos. "Es besteht immer die Gefahr zu verlieren. So ist es dieses Mal geschehen."
Straflager für Golos-Chef
Melkonjanz, ein international bekannter Wahlrechtsexperte, war im Mai zu fünf Jahren Straflager verurteilt worden. Vorgeworfen wurde ihm die Mitarbeit beim europäischen Wahlbeobachter-Netzwerk European Network of Election Monitoring Organizations (Enemo). Das Netzwerk steht auf einer Verbotsliste in Russland.
In dem Urteil seien Golos und Enemo praktisch gleichgestellt worden, erläuterte die russische Gruppe. Deshalb lasse die Gerichtsentscheidung keine Wahl, da sie nicht nur alle Mitglieder von Golos, sondern auch Menschen, die nur Beratung und rechtliche Hilfe in Anspruch nahmen, der Gefahr von Strafverfolgung aussetze.
"Die Beobachtung von Wahlen ist keine politische Aktivität", betonte Golos. Sie sei vielmehr ein Mittel, um die staatlich garantierten Rechte der Bürger zu verteidigen. "Leider können wir das nach dem Urteil im Prozess um Grigori Melkonjanz nicht mehr tun."
"Stimme" gegen Unregelmäßigkeiten
Golos, russisch für "Stimme", galt bisher als renommiertestes Institut für die Beobachtung von Wahlen in Russland. Die Organisation dokumentierte 25 Jahre lang Wahlmanipulationen, setzte Wahlbeobachter ein, veröffentlichte Berichte und interaktive Karten im Internet und betrieb eine Hotline für Hinweise auf Wahlbetrug.
Unabhängige Beobachter kritisieren Wahlen in Russland seit langem als weder frei noch fair. Golos hatte auch bei der Präsidentschaftswahl 2024 schwere Unregelmäßigkeiten und Fälschungen angeprangert.
ch/wa (afp, dpa)