Russischer Einfluss in Bangui als Kulturarbeit getarnt
27. Oktober 2024Wie Russland seinen Einfluss in Afrika ausbaut, wird in der Zentralafrikanische Republik (ZAR) deutlich: Bangui hat sich 2018 in einem Verteidigungsabkommen mit Moskau stärker an den Kreml gebunden und Wagner-Söldnern eine größere militärische Rolle im Land gegeben.
Russische Militärausbilder versorgten die Armee mit Waffen, bildeten die Soldaten im Kampf gegen Rebellen aus, dienten als Leibgarde für Präsident Faustin-Archange Touadéra.
Hilfspolitik für Afrika?
Einer der zentralen Akteure dieser russischen Präsenz ist Dimitri Sytyi. Offiziell leitet der 35-Jährige Marketingexperte und Ökonom das Russische Haus, wie das russische Kulturzentrum in der Hauptstadt Bangui genannt wird.
Gerne spricht Sytyi über Russischkurse für die lokale Bevölkerung, über Abende mit russischer Musik und Theater. Aber sein Einfluss ist so groß, dass Beobachter behaupten, er sei in Wirklichkeit der neue Chef oder zumindest eine Schlüsselfigur in der Führung der Wagner-Gruppe.
Die russische paramilitärische Organisation war an Einsätzen in Libyen, dem Sudan, Mali, Burkina Faso und Niger beteiligt. Auch in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine spielte die Söldnergruppe zeitweilig eine größere Rolle.
Ihr damaliger Chef Jewgeni Prigoschin kam 2023 unter mysteriösen Umständen bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben, wenige Wochen nach einer offenen Machtprobe mit Staatschef Wladimir Putin. Über seinen ehemaligen Mentor Prigoschin sagt Dimitri Sytyi: "Wir machen weiter, was er begonnen hat."
Nach Prigoschins Tod wurde die Söldnertruppe formell dem russischen Militärgeheimdienst GRU sowie dem Verteidigungsministerium unterstellt. Unter dem Dach des neu geschaffenen Afrika-Korps behält der Kreml so mehr Kontrolle.
Zum Verdacht, dass Wladimir Putin den Bombenanschlag auf das Flugzeug mit Jewgeni Prigoschin befohlen habe, sagt Sytyi wenig: Er habe darüber keine Informationen, erklärt er im DW-Gespräch. Er bezeichnete Prigoschins Tod als großen Verlust für Afrika, die ZAR insbesondere.
Im DW-Interview beteuert er, Afrika sei ein Kontinent der Zukunft: "Ziel unserer Politik ist es, der ZAR zu helfen", sagt er. "Alles dreht sich um diese Hilfspolitik. Es geht nicht darum, unsere Interessen durchzusetzen."
Sytyi erwähnt nicht die lukrativen Bergbaukonzessionen, die Russland im Gegenzug für seine Dienste für den zentralafrikanischen Staat erhielt: Die Wagner-Gruppe hat sich damit Zugang zu wertvollen Ressourcen wie Gold und Diamanten gesichert.
Profit aus dem Bergbau
Wagner kam aus Sicht der ZAR zur richtigen Zeit, meint auch Sicherheitsexpertin Beverly Ochieng vom Center for Strategic and International Studies in Washington: "Zu diesem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, dass Frankreich, die dominierende Macht in der ZAR und ehemalige Kolonialmacht, und die Vereinten Nationen nicht genug getan hatten, weil die zunehmende Gewalt der Rebellen eine gewählte Regierung bedrohte."
Somit sei Russland ins Spiel gekommen, konnte den Sicherheitssektor beherrschen und auch den Bergbausektor, der trotz klarer Bergbaugesetze nicht kontrollierbar gewesen sei, sagte sie zur DW.
Phillip Obagi, Journalist und Mitarbeiter der Nachrichten-Website Daily Beast in Nigerias Hauptstadt Abuja, hat in der Konfliktregion zum Bergbau recherchiert. "Was mich an den Russen und ihrer Vorgehensweise in der ZAR stört, ist die Tatsache, dass sie so ungestraft handeln und mit allen Mitteln Minen einnehmen wollen", sagt er zur DW.
Er wirft beiden Seiten Gier vor, Russen und Rebellen: Sie wollten die Minen kontrollieren und verhandelten nicht, so Obagi. Deshalb gebe es in der ZAR bis heute keine Verbesserung in Sachen politischer Stabilität und Frieden.
Vorwürfe schwerer Menschenrechtsverletzungen, die von Journalisten, Nichtregierungsorganisationen oder sogar den Vereinten Nationen gegen die Söldner der Ex-Wagner-Gruppe erhoben werden, weist Sytyi zurück: Das sei nur westliche Propaganda.
Sytyi selbst wurde Ende 2022 Opfer eines Paketbombenanschlags. Die rechte Hand des 35-Jährigen besteht aus einer Prothese. "Journalisten, die in ihren Artikeln behaupten, ich stecke hinter dem Anschlag, stimmen diesem Terrorakt zu," sagt er.
Sytyi steht im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen auf Sanktionslisten der USA und der Europäischen Union.
Dimitri Sytyi ist auch einer der Gesellschafter der Firma Lobaye Invest, die auf internationalen Sanktionslisten steht. Das Unternehmen befasst sich mit der Erkundung neuer Rohstoff-Lagerstätten und ist an der Finanzierung von Wagners Aktivitäten beteiligt.
Gegenüber der DW erklärte Sytyi, er sei in erster Linie ein "kultureller Botschafter Russlands". Er räumt jedoch ein, von Zeit zu Zeit andere "Missionen zur Entwaffnung" im Auftrag von Präsident Touadéra mit den bewaffneten Gruppen in Zentralafrika durchzuführen.
"Diese Erfahrung nutze ich auch heute noch. Vor kurzem war ich im Kongo, um die Anti-Balaka zur Entwaffnung zu bewegen. Ich denke, es war erfolgreich."
Die bewaffneten Kräfte der Anti-Balaka bezeichnen sich als christlich und kämpfen hauptsächlich in der ZAR gegen die muslimisch geprägten Séléka-Rebellen.
Politische Einflussnahme statt Kulturarbeit
Laut Sicherheitsexpertin Obieng handele es sich bei Sytyi um eine Person, die zwar ein Kulturzentrum leitet, aber auch in der Lage sei, einen sehr großen politischen Einfluss darauf auszuüben, mit wem die Regierung verhandele und wie die Bedingungen aussähen.
"Sytyi ist im Sicherheitsapparat aktiv, er ist der Chef des russischen Militärgeheimdienstes und Chef all derer, die sich darum bemühen, Hilfstruppen in Berengo (geplante russische Militärbasis, Anm.d.R.) auszubilden."
Dies erklärte der ehemalige zentralafrikanische Parlamentsabgeordnete Jean-Pierre Mara über Sytyi in der 2023 produzierten sechsteiligen Podcast-Serie QuiQuoiCommentfür die französischsprachigen Afrika-Programme der DW.
"Offiziell handelt es sich um russische Ausbilder, aber in Wirklichkeit sind es Wagner-Mitglieder, die Unternehmen besitzen," so Mara.
Die geplante russische Militärbasis in Berengo ist ein weiteres Puzzleteil, mit dem Russland offensichtlich seinen Einfluss in ganz Afrika auszubauen versucht. Sytyi sagt im DW-Interview: "Die Zentralafrikanische Republik ist eine Art Pilotprojekt der neuen russischen Afrika-Politik." Viele weitere Staaten schauten deshalb interessiert darauf, wie sich die Beziehungen mit der ZAR entwickeln.
Mitarbeit: Zigoto Tchaya Tchameni, Sandrine Blanchard, Edward Micah Jr.